Das Urteil gegen eine Gruppe junger Männer, die bei den San-Fermín-Festen in Pamplona eine Frau vergewaltigt haben sollen, sorgt auch auf Mallorca für Empörung. Mehr als tausend Vertreter von Frauenrechten haben am Donnerstagabend (26.4.) auf dem Rathausplatz von Palma de Mallorca gegen das Urteil demonstriert. In Manacor versammelten sich rund hundert Demonstranten. "Das war kein Missbrauch, das war Vergewaltigung", hieß es auf Transparenten, oder "Ich glaube dir", in Anspielung auf das Opfer. Spanienweit fanden zahlreiche Demonstrationen statt, zudem wurde eine Unterschriftenaktion gestartet, bei der ein Amtsenthebungsverfahren für die "patriarchalischen" Richter gefordert wird.

Die Mitglieder der Gruppe, die sich selbst "La Manada" (das Rudel) nennt, wurden am Donnerstag zu neun Jahren Haft wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Die drei Kläger - das mutmaßliche Opfer, die Staatsanwaltschaft und die Gemeinde von Pamplona - hatten dagegen Haftstrafen von 22 bis 25 Jahren wegen Vergewaltigung gefordert.

Der Prozess hatte ein ungeahntes Interesse der Medien geweckt. Der Vorfall ereignete sich in den Morgenstunden des 7. Juli 2016 in der Innenstadt von Pamplona, die wie jedes Jahr Zehntausende feierwillige Menschen aus der ganzen Welt angezogen hatte. Die Frau lernte einen der fünf Männer aus Andalusien kennen, während die anderen in gewissem Abstand hinterhergingen. Nach ihrer Aussage küsste sie den Mann und wollte sich mit ihm in einen Hauseingang zurückziehen, in der Annahme, dort einen Joint zu rauchen.

In diesem Moment kamen die übrigen vier hinzu, und allesamt hatten in dem engen Eingang Geschlechtsverkehr mit der Frau, den sie auf Video festhielten. Ein Paar fand die 18-Jährige kurz danach in aufgelöstem Zustand auf einer Bank. Sie erzählte zunächst, dass ihr das Handy geklaut worden sei, ging dann jedoch zur Polizei, um die Gruppenvergewaltigung anzuzeigen.

Die Aufnahmen von 96 Sekunden spielen eine Schlüsselrolle. Die Verteidigung argumentierte zunächst, dass die Klägerin Falschanzeige erstattet hätte, weil sie die Veröffentlichung der Bilder fürchtete. Die Polizei hatte in ihrem Bericht zunächst nicht die Aussage der Frau erwähnt, dass sie sich bewusst darüber war, dass sie in dem Hauseingang gefilmt wurde. Doch die zuständige Polizeibeamtin korrigierte vor Gericht dieses Versehen.

Auf den Aufnahmen ist kein Widerstand der Frau zu sehen. Der Anwalt von drei der Angeklagten bezeichnete das Video als „Pornofilm". Doch die Staatsanwaltschaft glaubt den Aussagen der Frau und unterstrich, dass es „zu keinem Zeitpunkt eine Zustimmung" zu den sexuellen Handlungen gegeben hätte. Ein weiterer Beleg dafür sei die Tatsache, dass einer der vermutlichen Täter dem Opfer das Mobiltelefon stahl. „Wenn es einvernehmlicher Geschlechtsverkehr gewesen sein soll, dann wäre es doch logischer gewesen, die Telefonnummern auszutauschen, statt das Handy zu stehlen", sagte die Staatsanwältin.

Doch über die genauen Umstände jener Nacht hinaus ging es bei dem Prozess gegen „La Manada" auch sehr stark um das persönliche Profil der Beteiligten. Die Verteidigung zielte von Beginn an auf ein angeblich ungewöhnliches Verhalten der Frau ab, die nach Meinung der Anwälte gar nicht zu einem Vergewaltigungsopfer passen sollte. Zu diesem Zweck beauftragten sie sogar Privatdetektive, die dem Privatleben der Madrilenin nach den Vorfällen von Pamplona nachgingen. Dieser Bericht wurde zunächst von den Richtern als Beweismittel akzeptiert, was massive Demonstrationen in Pamplona, Madrid und weiteren Städten auslöste. Längst hatten Organisationen für Frauenrechte den Fall zu einem Exempel für sexuelle Gewalt sowie ihre vermeintliche Verharmlosung in der Gesellschaft und in den Gerichten gemacht.

Die Verteidigung zog den Bericht daraufhin zurück, mit Ausnahme eines Fotos der Frau im sozialen Netzwerk Instagram. Auf dem Bild trägt sie ein T-Shirt mit dem Slogan aus einer TV-Sendung: „Hagas lo que hagas, quítate las bragas" („Tu was du willst, aber zieh' das Höschen aus"). Es gab einen Sturm der Entrüstung. Viele Frauen und Frauenrechtler kritisierten, dass damit einmal mehr der Frau zumindest eine Mitschuld gegeben werden solle, nach dem Motto „sie hat es ja provoziert". Der Anwalt der Frau bestand vor Gericht darauf, dass „jede Person das Recht hat, ihr Leben wiederherzurichten und so zu tun, als wäre nichts geschehen".

Die Verteidigung beklagte dagegen eine Hexenjagd gegen die fünf Männer, darunter einen Soldaten und einen Beamten der Guardia Civil, „in den Medien, auf der Straße und in den Parlamenten", da der Fall bereits die politische Diskussion erreicht hatte. Zum Auftakt des Verfahrens in Pamplona wurde vor dem Gerichtssaal gegen „La Manada" demonstriert, landesweit fanden sich Protestplakate gegen die mutmaßlichen Täter. Als brisant erwies sich, dass drei der Andalusier wegen Gewaltausschreitungen schon einmal verurteilt worden waren und gegen vier von ihnen im Zusammenhang mit einem weiteren Fall eines sexuellen Übergriffs ermittelt wird. /ff/ Thilo Schäfer