Es ist viel los in Sachen Umweltschutz auf den Balearen und in der EU. Am Montag (28.5.) stellte die Kommission eine Richtlinie vor, mit der man die Flut von Plastikmüll in den Weltmeeren eindämmen will. Geplant sind Verbote von Trinkhalmen oder Wattestäbchen. Der Supermarkt-Riese Lidl gab einen Tag später in Madrid bekannt, dass man als Pilotprojekt Plastiktüten aus den Märkten auf den Balearen verbannen will. Das passt sicher gut in den neuen Abfallplan der Balearen-Regierung, der bis 2019 stehen soll. Ein angedachter Punkt dabei ist die Einführung eines Flaschenpfandsystems. Darüber sprechen wir mit Jürgen Trittin (63, Bündnis 90/Die Grünen), der 2003 maßgeblich für die Einführung des Einwegpfandes in Deutschland verantwortlich war. Am Telefon begrüßt er uns mit „Bon dia".

Waren Sie dieses Jahr schon zum Wandern auf der Insel?

Ja, schon dreimal. Ich war über Weihnachten da, während in Deutschland Karneval war und wie immer zu Ostern.

Die Insel tut einiges in Sachen Umweltschutz und nachhaltige Energien. Zum Beispiel kämpft Umweltdezernentin Sandra Espeja für die Einführung eines Pfandsystems. Als Vorbild hat sie Deutschland genannt. Dabei sinkt doch die Verwendung von Mehrwegflaschen seit Jahren.

Erst einmal ist das Kreislaufwirtschaftsgesetz, was mein Vor-Vorgänger im Amt des Bundesumweltministers Klaus Töpfer (CDU) auf den Weg gebracht hat, ein historischer Durchbruch gewesen. Das hat den Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung festgeschrieben. Dieses Grundgerüst ist über die Jahre immer weiterentwickelt worden. Wir haben in sehr langwierigen Auseinandersetzungen mit den großen Handelskonzernen und den großen Brauereien und Abfüllern für Einwegprodukte mit Kohlensäure ein Pfandsystem eingeführt, was dazu geführt hat, dass die Vermüllung der Landschaften extrem zurückgegangen ist und dass die Recycling-Quoten in diesem Bereich sehr stabil und hoch sind. Es hat nicht dazu geführt, dass Einweg völlig verdrängt worden ist, das war mal die ursprüngliche Idee. Aber diese beiden Effekte, die deutliche Reduzierung von Vermüllung der Landschaft und Erhöhung der Recyling-Quoten, derer kann sich die deutsche Verpackungsverordnung durchaus rühmen.

Das Pfandsystem steckt auf den Balearen bestenfalls in den Kinderschuhen, der neue Abfallplan soll bis 2019 stehen. Welche Fehler sollte man vermeiden, bevor man die ersten Schritte unternimmt?

Es müsste ein einfaches und klares System sein. Es müsste sich im Grunde nur nach den Verpackungen richten. Wenn man Getränke bepfandet, dann sollte man alle bepfanden. Also diese feine Differenzierung in Deutschland, Fruchtsäfte nein, Cola und Limonade ja, sollte man vermeiden. Ein einfaches System hat auch den Vorteil, dass man dann die Rücknahme auch relativ gut organisieren kann. Sicherlich wird es auch auf den Balearen den Versuch geben, die Einführung eines Pfandsystems zu blockieren.

In Deutschland gab es Klagen der Industrie bis zum Bundesverfassungsgericht.

Es gab über 100 Klagen. Es hat vor allem große Unternehmen gegeben, die dagegen geklagt haben. Sie haben alle verloren. Es hat aber auch sehr viele kleinere Brauereien und Brunnen gegeben, die den Bundesumweltminister in der Frage um die Einführung des Pfandes massiv unterstützt haben. Es war nicht ganz so einfach à la die Wirtschaft gegen die Umwelt. Ohne die Unterstützung aus der mittelständischen Wirtschaft hätten wir die Auseinandersetzung auch nicht gewonnen.

Was für technische Schwierigkeiten könnte es geben?

Wenige. Die Rücknahme-Automaten nehmen doch alles, das ist nur eine Frage der Programmierung. Bedingt durch die Insellage auf den Balearen und die vorhandene Technik müsste das eigentlich nicht schwierig sein. Es ist aber eine Umstellung. Die Menschen werden dann nicht mehr wie bisher einfach auf die Straße gehen und ihre Plastikflaschen in den gelben Müllcontainer werfen, sondern sie im Laden wieder abgeben, wenn sie neue kaufen. Das hat in Deutschland ein halbes Jahr gedauert, dann hatte man sich daran gewöhnt.

Klingt vielleicht ein bisschen zu einfach. Selbst jetzt landen nur rund 17 Prozent der ­Plastikflaschenin den gelben Containern.

Ich habe jetzt einfach mal ein solides Verhalten unterstellt. Aber in dem Moment, in dem etwas an Wert gewinnt, wird jemand die Flaschen aufheben, weil es sich auszahlt.

Das sieht man in Deutschland ja ganz viel, dass Menschen versuchen, sich ihren Lebensunterhalt aufzubessern, indem sie im Abfall nach Flaschen suchen. Das ist auch kein schönes Bild.

Das war auch nicht die Absicht des Gesetzgebers, aber man kann das Pfandsystem nicht für die Armut verantwortlich machen. Aber es hat sich nun mal herausgestellt, dass das System dazu führt, dass Menschen sich entsprechend darum kümmern. Es hat übrigens auch dazu geführt, dass auf der Fritz-Kola, eine Mehrwegflasche, ein Aufkleber steht: danebenstellen. Man soll das Pfand neben die Mülltonne stellen. So reagiert die hippe Cola-Jugend da­rauf.

Sie machen sich als Abgeordneter für die Energiewende stark. Bis zum Jahr 2050 wollen die ­Balearen zu 100 Prozent auf ­regenerative Energie umgestiegen sein, bisher liegt man so bei zwei Prozent. Ein Problem ist, dass Windräder von vielen Menschen als eine Verschandelung der Landschaft wahrgenommen werden. Könnten Sie mit einem Windrad in der Tramuntana leben?

Damit habe ich überhaupt kein Problem. Man darf nicht vergessen, dass dort bereits die Militärstation und die Funkmasten stehen. Das soll nicht heißen, dass ich in jeder Ecke der Tramuntana ein Windrad sehen möchte. Aber zum Bespiel im Inland, wo der Wind zwischen den Höhenzügen durchzieht, gibt es reichlich Möglichkeiten, Windkrafträder zu errichten oder auch Fotovoltaikanlagen aufzubauen. Das kann übrigens für viele Mallorquiner, jenseits der Abhängigkeit vom Tourismus, eine eigene Form von Wertschöpfung sein. Denn das muss man sich ja immer klarmachen: Erneuerbare Energien sind heimische Energien. Sie führen dazu, dass reale Wertschöpfung in der eigenen Gemeinde stattfindet.

Um sich unabhängiger vom Tourismus zu machen?

Die Popularität von Windparks in Norddeutschland beruht darauf, dass das ganze Dorf etwas davon hat. Die Menschen sind entweder Teilhaber oder profitieren über die Gewerbesteuer. Den Balearen geht es ja gut, aber sie sind auch extrem abhängig vom Tourismus. Ich glaube, dass das eigentliche Problem der Energiewende auf den Balearen jenseits von Technik liegt.

Woran dann?

Das hat etwas mit Regulierung zu tun. In dem Moment, da Strom so preiswert und einfach gewonnen werden kann, können alle in die Stromerzeugung einsteigen. Das ist ja das Ergebnis in Deutschland gewesen. Fast 40 Prozent des Stroms kommen aus erneuerbaren Energien. Diese 40 Prozent gehören nicht zu den großen Stromerzeugern, sondern Kooperativen, Landwirten oder Genossenschaften. Monopolisten hassen die Erneuerbaren, weil sie ihnen das Monopol streitig machen. Das ist der wirkliche Grund, warum es in Spanien eine Gesetzgebung gibt, die verhindert, dass man sich Fotovoltaik im Wesentlichen zum Eigenverbrauch aufs Dach stellt und den Überschuss ins Netz einspeist. Anders als in Deutschland bekommt man für den Überschuss ja nicht nur kein Geld, sondern man muss sogar Steuern drauf zahlen! Das ist so ziemlich das Absurdeste, was ich mir vorstellen kann.