Freitagvormittag (1.6.), 11 Uhr: Während in Madrid die Abgeordneten des spanischen Parlaments gerade Ministerpräsident Mariano Rajoy im Misstrauensvotum stürzen, stürzt Jorge Campos schnellen Schrittes in die momentan noch im Aufbau befindliche Parteizentrale von Actúa Baleares. Er nimmt seine modische Sonnenbrille ab und grüßt freundlich. Campos ist Mallorquiner, vor 19 Jahren gründete er die konservative Vereinigung Círculo Balear, die er nun zur Partei Actúa umwandelte und die vor allem für einen strikten Anti-Katalonien-Kurs steht. Bekannt wurde er vor allem, weil er Rapper Valtonyc anzeigte. Der Musiker hatte in Liedern dazu aufgerufen, Jorge Campos mit einer Bombe zu töten. Valtonyc wurde verurteilt und flüchtete vor Haftantritt ins Ausland.

Heute scheint der ideale Tag zu sein, um über Politik zu sprechen. Was halten Sie von Rajoys Nachfolger Pedro Sánchez?

Ich habe das Gefühl, Pedro Sánchez hat das Misstrauensvotum nur aus einem Grund angestrengt: Er wollte mit aller Gewalt an die Macht. Und da ist es ihm egal, dass er dafür die Unterstützung von Kräften benötigt, die die Einheit Spaniens aufbrechen wollen, so wie die katalanischen und die baskischen Separatisten.

Ist das Misstrauensvotum aus Ihrer Sicht nicht gerechtfertigt?

Doch. Aber nicht aus dem Grund, den Pedro Sánchez anführt, also der Gürtel-Affäre. Es birgt schon eine gewisse Komik, wenn die korrupteste Partei Spaniens den Ministerpräsidenten wegen Korruption absägt. Der Grund für das Misstrauensvotum muss aus meiner Sicht die apathische Haltung Rajoys im Katalonien-Konflikt sein. Dafür, dass er nicht den Artikel 155 angewandt hat, so wie er es hätte tun müssen.

Hätte Rajoy von sich aus zurücktreten müssen?

Das hätte er. Aber in diesem Land tritt niemand zurück. Anders als etwa in Deutschland, wo man schon für eine gefälschte Doktorarbeit seinen Platz räumen muss.

War es eine gewisse Politikverdrossenheit, die Sie zur ­Umwandlung des Círculo Balear in die Partei Actúa Baleares bewegt hat?

Ja. Nach 18 Jahren der Arbeit in einer nicht als Partei organisierten Organisation mit zahlreichen Initiativen, die häufig auch von der PP in ihr Programm aufgenommen wurden, habe ich gemerkt, dass unsere Ideen einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben. Die PP vergaß diese Ideen schnell wieder, wenn sie regierte. Nur als eigene Partei haben wir wirklich eine realistische Chance, sie durchzusetzen.

Beim Thema Sprache steigert sich Ihre Partie in eine antikatalanische Haltung hinein. Wäre es nicht an der Zeit, hier kleinere Geschütze aufzufahren?

Von uns aus ist das kein Thema. Im Unterschied zu den Separatisten geben wir nicht vor, welche ­Sprache gesprochen werden soll, sondern sind etwa in der Schule für eine freie Sprachwahl. Wir sagen aber ganz klar, dass die Inselsprache nicht catalán ist, sondern mallorquín, menorquín oder ibicenco.

Da gibt es sprachwissenschaftlich verschiedene Ansätze. Viele gehen davon aus, dass mallorquín ein Dialekt des Katalanischen ist.

Natürlich ist es dem catalán sehr ähnlich. Genau wie Italienisch dem catalán ähnlich ist, oder Spanisch. Aber: mallorquín und catalán haben sich vor 60 Jahren viel weniger geähnelt. Wenn Sie Fernsehaufnahmen aus dieser Zeit sehen, wurden teilweise Mallorquiner untertitelt, damit sie in Barcelona oder Valencia verstanden wurden. Das Katalanisch wurde den Mallorquinern von separatistischen Kräften aufgedrückt, um die Països Catalans zu kreieren, ein künstliches Konstrukt. Das Katalanisch muss als Voraussetzung für bestimmte Berufe wieder verschwinden, wie etwa im Gesundheitsbereich.

Sie wollen sich auch explizit an ausländische Residenten richten. Wie soll das aussehen?

Wir haben schon einige deutsche, englische oder schwedische Sympathisanten. An die erinnert sich keine andere Partei. Wir werden uns mit Ausländer-Vereinigungen auf der Insel treffen, weil wir festgestellt haben, dass die Residenten sich sehr für zentrale Themen von uns inte­ressieren: zum einen die steuerliche Belastung auf den Inseln zu reduzieren, vor allem bei Erbschafts- und Schenkungsteuer. Und zum zweiten das Thema Rechtsunsicherheit. Es kann ja nicht sein, dass ein ­ausländischer Investor kommt, ein Grundstück kauft, eine Baugenehmigung bekommt und auf einmal ändert sich die Einstufung, und es gibt keine Lizenz mehr. Dazu kommt das Thema Tierschutz: Wir wollen ein eigenes Haustiergesetz, das zum Beispiel das Aussetzen von Hunden unter Strafe stellt.

Gleichzeitig gehen Sie zum Stierkampf und nehmen Ihre minderjährigen Kinder mit in die Arena. Das ist doch ein Widerspruch.

Ich finde das völlig angemessen. Stierkampf ist ein spanisches Kulturgut, reguliert durch zwei staatliche Gesetze und außerdem ist es Kunst.

Sie wollen Tiere schützen und schauen sich an, wie man sie tötet.

Stiere sind die Tiere, die am besten leben. Und sie haben von allen Tieren, die geschlachtet werden, den würdigsten Tod. Es ist erwiesen, dass die Tiere ein derart hohes Hormonlevel haben, dass sie den Schmerz nicht spüren. Man sollte die Freiheit der Personen respektieren, die sich gern Stierkämpfe anschauen.

Bei den Texten des Rappers Valtonyc ist diese Freiheit zu Ende?

Ich habe Valtonyc nicht wegen seiner Lieder angezeigt, sondern deshalb, weil er mich darin mit dem Tod bedroht, weil sich dieser Hirnlose mit diesen Aufrufen an seine Sympathisanten richtet. Verurteilt wurde er aber auch wegen Majestätsbeleidigung, Verherrlichung des Terrorismus und Verhöhnung seiner Opfer. Die Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. In einer Demokratie darf niemand eine terroristische Vereinigung verherrlichen.

Wurden Sie seit Ihrer Anzeige gegen den Rapper auch von anderen Personen mit dem Tod bedroht?

Von Anhängern der separatistischen Organisation Arran werde ich seit Jahren auf alle erdenklichen Weisen bedroht.

Haben Sie je darüber nachgedacht, Valtonyc zu verzeihen?

Erst müsste er sich mal bei mir entschuldigen, oder? Wenn er das macht, könnte ich ihm verzeihen, ich bin schließlich Katholik. Aber seine Haftstrafe müsste er natürlich trotzdem antreten.