So schön die Jugendstilfassaden mancher Gebäude in Palmas Innenstadt sind - Àngels Fermoselle kann sich nur wenig an ihnen erfreuen. Nicht nur Blumenmuster ranken sich zwischen Fenstern und Türen, auch immer mehr Kabel. Sie verlaufen in dicken Strängen von Haus zu Haus, hinter oder vor Regenrinnen, verknäulen sich und münden in ebenso hässliche Verteilerkästen. „Egal, welche Fassade man anschaut - alle sind hässlich", meint die Vizevorsitzende der Denkmalschutzvereinigung Arca in Palma de Mallorca.

Was manch Einheimischer oder Urlauber als mehr oder weniger südländisch abhakt, können Palmas Denkmalschützer nicht akzeptieren - zumal der Kabelsalat laut den kommunalen Bebauungsvorschriften in der Balearen-Hauptstadt gar nicht zulässig sei, wie Fermoselle argumentiert. „Das ist keine Frage des Nordens oder des Südens, sondern von Planung, Umsetzung und Kontrolle." Das Rathaus müsse endlich darauf pochen, dass Kabel unter die Erde verlegt werden, auch wenn dies die Firmen teurer komme als das Kabelziehen entlang der Fassade.

Ganz so klar ist die Sache jedoch nicht: So gibt es neben den kommunalen Regelwerken auch ein spanisches Gesetz (Ley General de Telecomunicaciones) von 2014, das der Installation beispielsweise von Glasfaserkabeln ein Allgemein­interesse einräumt.

Dass das Argument der Kosten zu kurz greift, darauf verweist ein Sprecher des Telekommunikationskonzerns Telefónica. Die Installation sei in etwa gleich teuer, so Carlos Prieto gegenüber der MZ. „Unter der Erde ist es sogar einfacher, wenn die Wohnungen oder die öffentlichen Wege dafür ausgelegt sind." Sei dies nicht der Fall, habe man keine andere Wahl, als die Kabel sichtbar zu verlegen - mit maximalem Respekt gegenüber der Architektur, so der Sprecher. Man habe sich inzwischen die Vorgabe zu eigen gemacht, zusätzliche Kabelstränge vollkommen zu vermeiden. „Bei der Installation belegen wir keine neuen Flächen, sondern beschränken uns auf bereits vorhandene Kabelstränge", sagt Prieto. So vermeide man weitere optische Auswirkungen.

Aber letztendlich ist es dann doch eine Kostenfrage, solange keine Kabelschächte vorhanden sind. „Man müsste die gesamte Altstadt von Palma aufbuddeln", gibt Experte Franz Gerhard Stuckmann zu bedecken - ein teures und angesichts enger Gassen komplexes Unterfangen. Während in Deutschland die komplette Grundversorgung prinzipiell unter der Erde stattfinde, seien Strom - wie auch Datenkabel - auf Mallorca nun einmal traditionell überirdisch verlegt worden, so der Chef des Elektro­unternehmens Franz Stuckmann Balears in Ses Salines - nicht nur in Palma, sondern auch auf dem Land.

Das Problem: Genau dort, wo in den Altstadtkernen Denkmalschutz großgeschrieben wird, sind die Gebäude nicht für die Verlegung unter der Erde ausgelegt. Bei neuen Wohnungen schreibt der Gesetzgeber dagegen inzwischen Schächte für Strom-, Daten- oder Erdgasleitungen vor, genauso wie beim Wasseranschluss. Die Vorteile liegen nach Einschätzung von Stuckmann auf der Hand. Die Kabel seien im Erdreich vor Fremdeinwirkung jeder Art geschützt. An Fassaden dagegen müssen sie UV-beständig sein, „deswegen die schwarze Farbe", so der Deutsche. Der schnelle Zugriff für Wartungsarbeiten ist im Übrigen laut Stuckmann auch kein Argument für die oberirdische Verlegung - sie sei bei den Strom- und Datenkabeln in der Regel nicht notwendig.

Es geht also letztendlich vor allem um die Kosten und um die Optik. Die Kommunen legen nach Einschätzung des Sprechers von Telefónica nicht allzu viele Steine in den Weg, man arbeite in der Regel gut mit ihnen zusammen. Die Bürgermeister können dann von sich sagen, in den Kreis der Glasfaser-Gemeinden aufgenommen worden zu sein. Nicht umsonst rühmt sich Telefónica damit, dass die Balearen europaweit in Sachen schnelles Internet in der ersten Liga spielen. „Spanien ist das Land mit den schnellsten Leitungen Europas", so ­Prieto, weltweit werde man nur von Japan und Südkorea übertrumpft.

Für Denkmalschützerin Fermoselle ist das kein Trost. Sie bringt auch den Gedanken ins Spiel, dass sich Anwohner gegen die „Verschandelung" ihres Privat­grunds wehren könnten. Aber letztendlich müssten die Gemeinden ihrer Verantwortung gerecht werden und sich mit Inselrat und Landesregierung zusammentun, um Abhilfe zu schaffen. Dass das durchaus gehe, zeige das Beispiel von Gemeinden auf dem spanischen Festland.

Mit Fermoselle sprach die MZ Ende Mai. Inzwischen ist Bewegung in das Thema gekommen. Die Stadt Palma hat angekündigt, die Verkabelung zur Chefsache zu machen. So werde man ab sofort von den Bauherren, die neue Gebäude innerhalb der Stadtgrenzen von Palma bauen oder Gebäude oder die Fassaden von Grund auf sanieren, verlangen, dass die die Verkabelung unterirdisch vornehmen. Andernfalls nehme die Stadt den fertigen Bau nicht ab, erklärte Baudezernent José Hila.

Außerdem werde im Viertel Calatrava ein Pilotprojekt zur unterirdischen Verkabelung angegangen. Dort sollen in naher Zukunft alle Kabel von den Hausfassaden verschwinden. Die Stadt stellt den Hauseigentümern Subventionen zur Verfügung. Es soll unter anderem auch geprüft werden, inwiefern die Rohre für das inzwischen defekte und zumindest teilweise wieder abgebaute unterirdische Müllentsorgungssystem der Altstadt genutzt werden könnten.