Viele Jahre stand das kleine Kloster in Son Rapinya in Palma de Mallorca leer. Jetzt laufen dort die Reparaturarbeiten auf Hochtouren. 25 Menschen sollen hier unterkommen. 25 von 630 Flüchtlingen, die an Bord der „Aquarius" waren, jenem Rettungsschiff, dem Italien und Malta tagelang ein Anlaufen in ihren Häfen verboten, bis Spaniens neuer sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez am 11. Juni bekannt gab, dass Valencia als „sicherer Hafen" zur Verfügung stünde. 25 von Hunderten, die jeden Tag im Mittelmeer ihr Leben aufs Spiel setzen, um Elend, Perspektivlosigkeit und Krieg in der Heimat zu entkommen.

Spanien hatte in den Jahren unter der konservativen Regierung von Mariano Rajoy nur einen Bruchteil der gut 17.300 Flüchtlinge aufgenommen, zu denen es sich verpflichtet hatte. Das spiegelt sich auch in den Aufnahmezahlen Mallorcas wider. In der eigens zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebauten ehemaligen Jugendherberge an der Playa de Palma hätten seit April 2016 gerade einmal 208 Flüchtlinge Unterschlupf gefunden, berichtet Omar Lamin vom Roten Kreuz, der das Programm in Arenal koordiniert. 50 Plätze für Neuankömmlinge gibt es dort, sie können rund sechs Monate bleiben und müssen dann Platz machen für Nachrücker. Gut 300 Menschen könnten mittelfristig gleichzeitig aufgenommen werden, auch gemessen an der Bevölkerungsdichte, hatte die balearische Sozialministerin Fina Santiago (Més) im Herbst 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise vorgerechnet.

Unterstützung aus Madrid

Dass es nicht so viele geworden sind, dafür hat die balearische Linksregierung bislang immer Madrid verantwortlich gemacht. „Wir müssen uns den Vorgaben der Zentralregierung unterordnen", sagte Santiago noch im vergangenen Oktober. „Hätte sie uns mehr Flüchtlinge geschickt, dann hätten wir noch andere Orte gefunden, um sie aufzunehmen." Das ist nun eingetreten. Am 14. Juni bat Sánchez die Regionalregierungen um Mithilfe in der Aufnahme der „Aquarius"-Flüchtlinge, sechs Tage später verkündete die Balea­ren-Regierung, dass dazu das Kloster angemietet würde. In dem 930 Quadratmeter großen ehemaligen Gebäude gibt es 18 Zimmern, Speise­saal, Küche und Gemeinschaftsräumen. Für 25 Leute.

Würdige Unterkünfte

„Auch das mag wenig klingen, aber man muss den Flüchtenden würdige Unterkünfte und stabile Bedingungen schaffen, wenn man ihnen zusagt, dass sie kommen können", sagt Santiago der MZ. Sprich: baulich intakte Gebäude mit adäquater Infrastruktur und ein dichtes Netz aus Fachkräften, die den oft traumatisierten Menschen in ihren ersten Monaten nach der Einreise beistehen. „Andere Standorte, bei denen das gewährleistet ist, haben wir gerade nicht zur Verfügung", so Fina Santiago. Privatwohnungen seien in der Anfangsphase keine Option - zu schwer sei es, die Hilfsangebote und die anfallende Bürokratie in den ersten sechs Monaten zu koordinieren. „Das heißt aber nicht, dass wir in Zukunft nicht über weitere Flüchtlingsunterkünfte nachdenken können." Im Vergleich zu anderen spanischen Regionen seien die Balea­ren in der Flüchtlingsfrage ohnehin vorbildlich. „Wir haben nicht einen Platz abgelehnt, um den man uns in Madrid gebeten hat."

Doch was wäre, wenn ­Madrid bald tatsächlich Hunderte Plätze auf den Balearen beantragen würde? Palmas Bürgermeister Antoni Noguera gibt sich positiv, hängte mit Vertretern anderer Parteien ein symbolisches Banner am Rathaus auf und versicherte, man sei gewillt, Unterkünfte und Gelder aufzubringen.

„Das Wichtigste ist, dass die Wahrung der Menschenrechte gewährleistet und die Bedingungen für die Flüchtlinge würdevoll sind", so ein Sprecher der Bürgerplattform „Les Balears acollim" (Die Balearen nehmen auf). Sammelunterkünfte wie die Herberge in Arenal oder das Kloster seien dafür ideal. Mittlerweile 27 regionale Nichtregierungsorganisationen haben sich seit der Gründung in der Plattform formiert. Deren Freiwillige unterstützen die 23 hauptamtlichen Mitarbeiter vom Roten Kreuz, sammeln Mittel für Flüchtlinge in Lagern im Ausland und helfen bei der Wohnungssuche auf der Insel, wenn die Flüchtlinge nach sechs Monaten aus der Herberge ausziehen müssen.

Zudem sitzen Vertreter der Plattform in der behördenübergreifenden Flüchtlingskommission der Landesregierung. Genau wie die Sozialministerin Fina Santia­go sehen auch die Aktivisten den Machtwechsel in Madrid als positive Wendung. „Die 'Aquarius'-Entscheidung ist ein gutes Zeichen und lässt uns hoffen, dass es in diese Richtung weitergeht."

An einen radikalen Umschwung mag dennoch niemand so wirklich glauben - unabhängig davon, ob Mallorca diesem gewachsen wäre oder nicht. Nicht zuletzt deshalb, weil Spanien am Montag (25.6.) dem Rettungsschiff „Lifeline" mit 203 Passagieren die Einkehr verweigerte. Begründung: Das Land wolle zwar ein humanitäres Gesicht zeigen. Doch es sei eine andere Sache, jetzt zur „maritimen Rettungsorganisation für ganz Europa" zu werden, so Wirtschaftsminister José Luis Ábalo. Nach der „Aquarius" waren an der andalusischen Küste in den vergangenen zehn Tagen mehr als 3.000 Menschen angekommen - mehr als je zuvor. Viele von ihnen müssen zurück in ihre Heimatländer.

Kippt die Stimmung?

Im konservativen PP-Lager bewertet man Sánchez' „Aquarius"-Entscheidung als Eintagsfliege und Effekthascherei. Derweil werden auch auf dem spanischen Festland rechtspopulistische Stimmen lauter, die Ängste vor dem Flüchtlingsandrang schüren. „Natürlich versucht die europäische Rechte auch in Spanien, Menschen in Not zu kriminalisieren und unter den Tisch zu kehren, dass es darum geht, Menschenleben zu retten", sagt Fina Santiago. Auf Mallorca handele es sich dabei bislang aber nur um einzelne Stimmen, nicht um ganze Kollektive.