Die Briten James (52) und Peter (25) sind in diesen Tagen gefragte Männer in Magaluf. In einer Bar am Strand, wo sich die MZ am Freitag (22.6.) um 12 Uhr mit ihnen verabredet hat, tauchen die Macher der Facebook-Seite „Cleaning Up Magaluf" nicht auf. Ein Kellner gibt Auskunft. „Ich erwarte die beiden nicht vor 13 Uhr zurück. Versuchen Sie es vier Restaurants weiter. Dort wollten sie frühstücken", sagt er und zeigt in die Richtung. Tatsächlich. Ein paar hundert Meter weiter sitzen die beiden vertieft in einem Gespräch mit zwei honorig wirkenden, uniformierten Männern der Ortspolizei. Ein anderer Kellner fängt uns ab. „Sie wollen zum Meeting mit James und Peter? Nehmen Sie doch bitte am Tresen Platz."

Einen Kaffee später setzt sich eine für diese Party-Gegend ungewöhnlich elegant gekleidete Frau auf den Barhocker nebenan. Man kommt ins Gespräch. Auch sie ist hier, um James und Peter zu treffen. „Ich hatte vor 14 Jahren eine Bar hier am Strand", sagt sie. Doch das All-inclusive-Konzept der Hotels habe ihr so zugesetzt, dass sie verkaufen musste. „Das ist die Wurzel des Übels, dass will ich den beiden erzählen."

Die Wurzel des Übels

James und Peter wollen erklärtermaßen aufräumen in Magaluf. Beide leben auf der Insel, seitdem sie sieben Jahre alt sind. Schon ihre Eltern hätten in Magaluf gearbeitet, James habe früher mit Peters Vater Dart gespielt. Sie bezeichnen sich als hiesige Geschäftsleute, Peter managt eine Bar - wo und was genau sie machen, wollen sie lieber nicht sagen. Sie möchten auch ihre richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen, James macht das sehr deutlich, während Peter anfangs noch überlegt: „Okay, besser nicht. Noch nicht", sagt er und kaut auf seinen Fingernägeln.

Mehr als 4.000 Mitglieder hat ihre Gruppe „Cleaning Up Magaluf". Anfangs, also vor gut einem Monat, hieß die Seite noch „March Against Muggers" (Aufmarsch gegen Diebe). Die Seite wurde von Facebook geschlossen, nachdem dort Videos und Fotos von nigerianischen Straßenprostituierten hochgeladen und die Frauen als Diebe beschimpft wurden. Die über Facebook organisierten nächtlichen Nachbarschaftsaufmärsche mit Handykameras im Anschlag sorgten für Schlagzeilen in der hiesigen bis hin zur britischen Presse.

Wegen der Straßenprostituierten in den Urlauber-Hochburgen gibt es seit Jahren Ärger, auch an der Playa de Palma. Sie leben meist in den sozial schwächeren Gegenden von Palma und werden nach Magaluf oder an die Playa gefahren, damit sie anschaffen gehen. Sie bieten schnellen Sex gegen Geld, es kommt aber auch immer wieder vor, dass einige von ihnen betrunkene Urlauber ausrauben. Zuweilen gehen sie dabei auch in Gruppen vor. Im Hintergrund agieren offenbar Zuhälter, die sie zu den ­Diebstählen zwingen. Selbst die Gleichstellungsdezernentin im Inselrat, Nina Parrón, spricht von mafiosen Strukturen, ermahnt aber zugleich, die Würde der Frauen zu achten.

"That pisses me off"

Peter hatte die ursprüngliche Gruppe gegründet. „Eines Abends war ich bei der Arbeit und bemerkte, dass kaum Gäste in der Bar waren und auch niemand die Straße herunterkam. Ein paar Meter weiter sah ich zehn nigerianische Prostituierte, um die jeder einen großen Bogen machte. Also habe ich die Frauen gefragt, ob es ihnen etwas ausmachen würde, nicht hierherzukommen. Daraufhin sagten sie, das sei ihre Straße und ich solle abhauen." Das habe ihn wütend gemacht („that pisses me off"). Er fühlte sich in seiner geschäftlichen Existenz bedroht und habe beschlossen, etwas zu unternehmen. Doch nach den nächtlichen Hetzjagden in Magaluf haben auch die Frauen Anzeige erstattet, wegen Hassdelikten in 19 Fällen (MZ berichtete). Bei den Ärzten von „Médicos del Mundo" gaben sie an, mit Pfefferspray angegriffen worden zu sein.

Peter spricht von rein friedlichen Aktionen, es habe keine Übergriffe gegeben. „Das ist jetzt Sache der Richter", sagt er. Die nächtlichen Aktionen wurden gestoppt, auch würde man keine Videos oder Fotos von mutmaßlichen Dieben mehr veröffentlichen. „Wir haben gelernt, dass man das nicht machen kann", so Peter. Ein offensichtlich schwieriger Lernprozess. Diese Woche lud ein Mitglied ein Video hoch, auf dem eine Gruppe schwarzer Frauen die Straße entlangläuft. „Gerade kommen die Kakerlaken mit dem Autobus in Magaluf an", steht darüber geschrieben. Und Peter muss die Gruppe offenbar noch einmal ausdrücklich ermahnen, den Prostituierten nicht nachzustellen. Er wolle nicht den Boss raushängen lassen, habe dies aber dem Bürgermeister versprochen. Und schließlich sei er derjenige gewesen, der die Sache gestartet habe.

Die ersten Erfolge

Das Treffen mit Calviàs Bürgermeister Alfonso Rodríguez (PSOE) sei einer der Erfolge, die man erreicht habe, sagt James. Am 7.6. hatte man zu einer Demonstration vor dem Rathaus aufgerufen, an der gut 40 bis 50 Taxifahrer, Geschäftsleute und Residenten teilnahmen. In Deutschland würden sie sich wohl besorgte Bürger nennen. „Wir haben in den letzten vier Wochen mehr geschafft, als irgendjemand sonst in den vergangenen 15 Jahren", sagt James. „Letzte Woche hatten wir das Gespräch mit dem Bürgermeister, gestern ein Treffen mit dem Chef der Guardia Civil und gerade haben wir mit der Leitung der Ortspolizei zusammengesessen." Endlich würde man ihnen zuhören, zur Polizei hätten sie jetzt einen direkten Draht, der über den Notruf hinausgeht.

Auf der Straße könne man schon einige Erfolge sehen. Die Guardia Civil habe eine Aktion gegen die Strandverkäufer durchgeführt. Die schwarzen Prostituierten seien zwar noch da, aber sie würden sich mehr in den Außenbereichen aufhalten. „Es ist naiv zu denken, dass man nur die Huren loswerden muss und dann verschwinden alle Probleme", sagt James. Die Frauen würden angeleitet von den Strandverkäufern. „Das sind keine Opfer, sondern Soldaten", sagt James. „Die Strandverkäufer hier sind nicht die lustig angezogenen Looki-Looki-Männer, wie man sie von der Playa de Palma her kennt. Das sind Gangs. Wir haben es einfach satt."

Gegen das All-inclusive-Trinken

Peter hat eingesehen, dass es mit der Jagd auf die Prostituierten allein nicht getan ist. Er spricht von einem generellen Wandel, den Magaluf durchleben muss. Als Haupt­problem hat er dabei das exzessive Trinken ausgemacht, das von dem All-inclusive-Konzept der Hotels herrühre. Die Leute würden schon sturzbetrunken in die Bars gehen, wenn bereits ab neun Uhr morgens freier Alkohol in den Hotels ausgeschenkt werde. Was mit den Touristen auf der Straße passiere, sei den Hoteliers egal. „Wir wollen auch über neue Gesetze zu öffentlichen Trinkgelagen sprechen", sagt Peter. So ganz uneigennützig wirkt das nicht von einem Mann, der Gäste bewirten will. Etwas seltsam wirkt auch, dass er auf Facebook von sich selbst Fotos veröffentlicht, wo er mit gleich mehreren Flaschen am Hals zu sehen ist. Aber vielleicht gehört das ja auch zum Lernprozess.