Es war etwa 5.30 Uhr morgens, als José Fernández den Anruf bekam. Paula, seine 15-jährige Patentochter, sei verletzt, es sei ernst. „Ich hatte gerade Nachtschicht am Flughafen von Palma de Mallorca und musste bis 8 Uhr auf meine Ablösung warten. Es war schrecklich", sagt Fernández. Er ist ein adrett gekleideter Mann, wirkt seriös und gefasst. Auch wenn er darüber berichtet, wie er zum Haus der Familie seiner Frau kam und erfuhr, dass Paula tot sei. Überfahren in der Johannisnacht, von einer betrunkenen Fahrerin, die bereits Jahre zuvor wegen Alkohols am Steuer übergangsweise ihren Führerschein verloren hatte und auch in der Unfallnacht fünf Mal mehr Promille im Blut hatte als erlaubt.

„Es kamen Psychologen zu uns. Aber in dem Moment war es kaum möglich, die Infos zu verarbeiten", erinnert sich Fernández. Paula hätte erst eine Woche zuvor die Schul­ferien eingeläutet. „Mit fünf Freunden aus Palma hatte sie sich im Haus einer anderen Tante in Sa Ràpita einquartiert. So, wie jedes Jahr im Sommer. Sie wollten die Nit de Sant Joan am Strand verbringen." Was dann in jener Nacht auf den 24. Juni passierte, ging durch die Medien: Gegen 1.55 Uhr, als Paula und ihre Freunde gerade auf dem Rückweg vom Strand waren, rauschte ein Auto von hinten heran und riss Paula, die auf dem für Radfahrer und Fußgänger gekennzeichneten Seitenstreifen lief, mit sich. „Sie schlug mit dem Kopf auf einen Bordstein. Die Ärzte sagen, sie war sofort tot."

Man merkt, dass Fernández die Geschichte schon oft erzählt hat. „Jeder geht anders mit dem Schmerz um. Ihre Eltern sind noch immer krankgeschrieben. Meine Frau hat viele Kilo abgenommen, die ganze Familie ist erschüttert." Er selbst schaffe es immerhin, sich nicht ständig von seinen Gefühlen übermannen zu lassen. „Ich weiß selbst nicht genau, warum", sagt Fernández und lächelt tapfer. „Es ist vielleicht eine Charakterfrage." Auch deshalb ist er es, der mittlerweile als Sprecher der Bürgerinitiative auftritt, die sich nach Paulas Tod gebildet hat.

Knapp 250.000 Unterschriften haben die Anhänger bereits gesammelt. Im Internet unter www.change.org/JusticiaParaPaula und bei Kundgebungen, die sie jeden Samstagvormittag im August auf Palmas Plaça d'Espanya abhalten. „Wir wollen, dass das spanische Strafgesetz geändert wird." Bisher schreibt der Artikel 142 des Código Penal vor, dass für Autofahrer, die unter Drogen- oder Alkoholeinfluss eine Person überfahren und tödlich verletzen, Haftstrafen von ein bis maximal vier Jahren drohen. „Das steht in keinem Verhältnis, wenn man bedenkt, dass jemand, der einen anderen bei einer Prügelei schwerwiegend verletzt, bis zu zwölf Jahre bekommen kann", sgbt Fernández. Das Problem sei, dass tödliche Autounfälle unter Drogeneinfluss als Fahrlässigkeit gewertet werden. „Dabei ist es schon eine Fahrlässigkeit, sich überhaupt betrunken ans Steuer zu setzen."

Es sei ein großer Schock gewesen, als die Unfallfahrerin, die Paulas Tod verursachte, bereits zwölf Tage nach dem Unglück die Untersuchungshaft unter Kaution und Auflagen wieder verlassen durfte. „Letztens hat die Freundin von Paulas Bruder die Tochter der Fahrerin auf der Straße getroffen. Sa Ràpita ist ein Dorf. Es ist für alle Beteiligten schrecklich. Die Frau hat auch ihre eigene Familie zerstört." Eine Entschuldigung gab es aber nie. Auch nicht dafür, dass die 44-Jährige nach dem Unfall floh.

Fernández hat auch im EU-Parlament eine Petition eingereicht. Dafür, dass technische Vorkehrungen in Autos künftig Pflicht werden sollen. „Es gibt Installationen, die automatisch den Atem des Fahrers auf

Alkohol filtern, und verhindern, dass der Wagen anspringt, wenn die Grenze von 0,25 Promille überschritten wurde.

Am 18. September will Fernández die Unterschriften mit der Forderung der Gesetzesänderung in der Justizkommission im Abgeordnetenhaus in Madrid vorlegen. Auch, wenn er bis dahin nicht die 500.000 -Marke knackt, die garantieren würde, dass das Anliegen tatsächlich bearbeitet wird. „Uns ist allen klar, dass wir Paula dadurch nicht zurückbekommen. Und auch, dass sich eine Gesetzesänderung nicht auf die Bestrafung der Frau auswirken wird, die Paula tötete. Das Verfahren ist noch nicht einmal richtig angelaufen", betont Fernández.

Er hat ein Video zusammengeschnitten. Von der Gedenkfeier für Paula, auf der Freunde und Verwandte weiße Ballons in den Himmel steigen ließen. Auch Paulas Vater Biel Fornés spricht im Video. „Wir kämpfen dafür, dass der Schmerz, den wir fühlen, nicht andere Eltern spüren müssen. Heute ist es meine Tochter Paula. Morgen könnte es eure sein."