Wenn es im Hochsommer stellenweise eng wird zwischen den Badetüchern am Es Trenc, liegt das nicht nur an der hohen Zahl der Badegäste, sondern auch am Strand selbst. Seit den 50er-Jahren ist er jedes Jahr um durchschnittlich zehn Zentimeter geschrumpft. Im Schnitt gingen so an Mallorcas bekanntestem Naturstrand an der Südküste fast sechs Meter verloren - ein menschengemachter Erosionsprozess, der in seiner Tendenz die gesamte 3,8 Kilometer lange Küstenlinie betrifft, so das Ergebnis einer jetzt veröffentlichten Geologie-Studie der Balearen-Universität (UIB).

Es ist kein Geheimnis, dass am Strand und in den Dünen von Es Trenc ökologisch ziemlich viel schiefgegangen ist - die offizielle Erklärung zum Naturschutzgebiet durch das Balearen-Parlament 2017 gilt bei Umweltschützern als reichlich verspätete Maßnahme. Dass der Strand allmählich schmäler wurde, zeigte schon allein die Position der Bunker aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939), die über die Jahrzehnte immer näher ans Meer zu rücken schienen. „Wir wollten diese Beobachtungen wissenschaftlich belegen und eine Datengrundlage für die politische Debatte liefern", erklärt José Ángel Martín Prieto, Koordinator der Studie, im Gespräch mit der MZ.

Dank der Studie lässt sich das Drama von Es Trenc nun auf den Zentimeter genau nachlesen. Auf Basis historischer Luftaufnahmen und mithilfe eines Computerprogramms zur Berechnung von Küstenveränderungen hat das Team den Leidensweg dieses „komplexen, fragilen und dynamischen" Gebiets über Jahrzehnte aufgezeichnet. Die lange Dauer des Zeitraums ist auch deswegen wichtig, weil kurzfristige Veränderungen etwa von Jahreszeit zu Jahreszeit in die Irre führen. „Es Trenc gibt im Winter ein ganz anderes Bild ab als im Sommer", so Martín Prieto. Auch die Folgen eines Sturms dürften nicht überbewertet werden.

Der Schwund von exakt 5,72 Metern ist ein Durchschnittswert für den gesamten Zeitraum 1956 bis 2015. Die Erosionsprozesse gingen je nach zeitlicher Phase des Touristenhotspots und an den verschiedenen Abschnitten sehr unterschiedlich vonstatten. Es ist ein Drama in vier Akten: In einer „prätouristischen Phase" bis 1973 - als praktisch noch keine Urlauber an den Strand kamen und nur vereinzelt Bauern angeschwemmtes Poseidongras für die Äcker abtransportierten ­- wuchs der Strand noch durchschnittlich 40 Zentimeter pro Jahr. In einer zweiten Phase wurden die vier Strandbuden aufgebaut, ein Parkplatz sowie Wege durch die Dünen angelegt. Bis 1989 schrumpfte der Strand jährlich im Schnitt um 63 Zentimeter. Dieser Prozess wird in einer dritten Phase bis 2008 zunächst gestoppt, der Strand wächst sogar wieder leicht um einen Zentimeter pro Jahr - obwohl jetzt der 17.000 Quadratmeter große Parkplatz im Zentral­bereich entsteht. Das Jahr 2008 ist eine Zäsur für Es Trenc, erstmals werden Seile gespannt, um die Dünen zu schützen, und Windschutzbarrieren aufgestellt. Bis 2015 gewinnt der Strand wieder 23 Zentimeter pro Jahr - ein Wert, der nach Einschätzung von Martín Prieto deutlich höher hätte sein können, wenn die Schutzmaßnahmen besser konzipiert und stärker kontrolliert worden wären. Umgefallene Pfosten oder Barrieren seien einfach liegen geblieben.

Auch von Abschnitt zu Abschnitt zeigen sich große Unterschiede. Am stärksten war die Erosion im zentralen Bereich auf Höhe des Parkplatzes Es Cremat, hier gingen im Schnitt fast zwölf Meter Strand verloren, an einigen Stellen sogar knapp 19 Meter. Ähnlich sieht es im nördlich anschließenden Abschnitt mit einem Minus von knapp 15 Metern aus, hier empfing ein großer Chiringuito Gäste. Als Durchgangsstation beschreibt die Studie das nordwestliche Strandende bei Ses Covetes mit seinem ehemals 1.200 Pkw fassenden Parkplatz. Nicht nur Strandgäste passierten hier, auch Fahrzeuge zur Belieferung der Chiringuitos oder zur Strandsäuberung kamen zum Einsatz. Es schwanden zwölf Meter. Und immerhin knapp zehn Meter beträgt das Minus am Abschnitt bei Colònia de Sant Jordi am südöstlichen Ende. Nur an zwei kleinen Abschnitten wurde der Strand über die Jahrzehnte etwas breiter ­- es sind die Bereiche, die am weitesten von den Parkplätzen entfernt sind.

Die Massen der Strandbesucher, die frühere Studien mit zuletzt 4.800 wochentags und mehr als 10.400 am Wochenende in der Hochsaison beziffern, sind denn auch ein wichtiger Grund für die Entwicklung - zumal die Besucherströme lange Zeit nicht gelenkt wurden und Badegäste unbehelligt durch die Dünen trampeln konnten. Eine Grafik, in der Es Trenc in 100 Meter lange Abschnitte aufgeteilt ist, zeigt diesen statistischen Zusammenhang sehr deutlich. Gegenüberliegende Balken zeigen in jedem dieser Abschnitte den Strandschwund und den Anteil der Besucher gemessen an der Gesamtzahl am Strand. Die Balken wachsen aufeinander zu - wo sie verschmelzen, hat der Strand besonders gelitten.

Als weiterer wichtiger Grund gilt für die Geologen die Entfernung des Poseidongrases, das im flachen Wasser von Es Trenc besonders gut gedeiht. Die abgeworfenen Blätter, die sich am Strand häufen und von vielen mit Algen verwechselt werden, wurden über Jahrzehnte vor Saisonbeginn maschinell entfernt. Und mit ihnen große Mengen Sand, „der nie wieder an den Strand zurückgekehrt ist", wie Martín Prieto feststellt. Ganz abgesehen davon, dass die Maschinen auch Vegetation ausrissen und die Form der Dünen veränderten.

Auch wenn Es Trenc nun offiziell Naturschutzgebiet ist, müssen die angekündigten Maßnahmen erst noch umgesetzt werden. Martín Prieto schlägt etwa vor, die Besucherzahl durch ein begrenztes Angebot von Parkplätzen zu limitieren, wie bereits an Stränden auf Menorca geschehen. Bei anderen Bedrohungen jedoch lässt sich wenig tun. Der Klimawandel mit seinem prognostizierten Meeresspiegelanstieg und häufigeren Stürmen macht Es Trenc erst recht zum bedrohten Paradies.