Am liebsten würde sich Francesca López ganz auf den Schutz des Meeres und die Erforschung der Unterwasserwelt konzentrieren. Stattdessen befasst sich die Direktorin des Nationalparks Cabrera auch mit Problemen beim Handy-Empfang, der Müllentsorgung oder kaputten Abwasserrohren. „Auch das gehört dazu, um einen Naturpark in Schuss zu halten", meint die Biologin. Denn das Archipel südöstlich von Mallorca ist eine eigene Welt, in der die Parkverwalter in Sachen Infrastruktur auf sich alleine gestellt sind. Dabei braucht jetzt ein ehrgeiziges Projekt die ganze Aufmerksamkeit der Biologin: Der Nationalpark soll 2019 auf das neunfache seiner jetzigen Fläche wachsen.

Das bereits 2015 zu Beginn der Legislaturperiode initiierte Projekt ist wieder konkret geworden, nachdem vor Kurzem die Regierung in Madrid gewechselt hat. Cabrera - offiziell Gemeindeteil von Palma - wird zwar von der Landesregierung verwaltet. Über die Erweiterung muss aber das spanische Parlament entscheiden. Waren die Gespräche zuletzt von der konservativen Rajoy-Regierung auf Eis gelegt, kommen sie unter den Sozialisten wieder in Gang. Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera stellte sich durch einen Besuch auf Cabrera auch symbolisch hinter das Projekt, noch vor Jahresende soll es den Ministerrat passieren.

Die Vergrößerung ist nicht nur ein quantitativer, sondern auch ein qualitativer Sprung. Umfasst der Nationalpark schon jetzt eine große Meeresfläche, wird mit den zusätzlichen 80.000 Hektar Fläche die Unterwasserwelt bis zu einer Tiefe von rund 2.000 Metern geschützt. Argumentiert wird vor allem mit zwei Schutzfiguren, die im spanischen Nationalparkgesetz vorgesehen, in der Praxis aber noch nirgendwo umgesetzt sind - zum einen Tiefseekorallenriffe, zum anderen die Lebens-, Transit- und Reproduktionsgebiete von Delfinen und Walen.

Unentdeckte Schätze

„Wir wissen noch sehr wenig über diese Lebensräume", sagt López. Zu Lande werde die Flora und Fauna seit Jahrhunderten erforscht, zu Wasser erst seit Jahrzehnten - und nicht selten aus dem Blickwinkel der Fischfangindustrie. Die Biologin verweist zudem auf den Aufwand von Studien in dieser Meerestiefe - um etwa die Korallenriffe zu erforschen, seien Tauchroboter notwendig. Neben dem Schutz der Meereswelt ist deren Erforschung für López ein ebenso wichtiges Argument für die Erweiterung.

Der Weg ist auch insofern geebnet, weil es auf Mallorca längst einen Konsens gibt, bei dem die Oppositionsparteien genauso wie die örtlichen Fischer mit an Bord sind. Zum einen wüssten diese um die positiven Auswirkungen - die Fischbestände rund um Cabrera hatten sich nach der Gründung des Nationalparks 1991 in Rekordzeit erholt. Zum anderen wurde das ursprünglich geplante Gebiet so reduziert, dass es den Fischern aus Cala Figuera nicht in die Quere kommt. So ist denn auch die dreieckige Aussparung direkt südlich von Cabrera zu verstehen.

Ansonsten verläuft das in etwa trapezförmige Schutzgebiet parallel zur Südostküste Mallorcas. Der Grund: Die Gebirgsformationen der Insel setzen sich auf dem Meeresgrund fort, die Meerestiefe sinkt mit der Entfernung zur Küste mit einem Mal von 500 auf bis zu 2.000 Meter - und gerade diese Übergangszone, eine Art Steilküste unter Wasser, erweise sich als ein besonders artenreicher und vielseitiger Lebensraum, erklärt López.

Und die Kontrolle

Mit der Erklärung zum Nationalpark könnten Flora und Fauna erst recht gedeihen: Wie auch im bisherigen Gebiet ist die Schleppnetz- und Sportfischerei verboten, jede Aktivität muss von der Parkleitung genehmigt werden - wobei sich die Frage stellt, wie das Verbot in dem riesigen Gebiet kontrolliert werden soll. Drohen ähnliche Probleme wie beim Schutz der Poseidongraswiesen, der zwar im Gebiet der Balearen seit Kurzem gesetzlich festgelegt ist, aber in der Praxis viele Fragen aufwirft? Zumindest hat die Parkdirektorin schon mal personellen und finanziellen Bedarf angemeldet. Das Jahresbudget soll auf 7,5 Millionen Euro erhöht und damit verdreifacht werden, auch die Zahl der 34 Angestellten muss ordentlich steigen. Bislang verfügt der Nationalpark neben zehn Fahrzeugen über fünf Boote zur Kontrolle in Küstennähe. Für das vergrößerte Meeresschutzgebiet wird ein schnelleres, hochseetaugliches Schiff benötigt.

Hinzu kommt ein Radargerät, das am Cap de ses Salines installiert werden soll, um illegale Fischkutter oder Sportfischer aufzuspüren. Zwar gibt es auch jetzt schon ein Radar auf Cabrera - doch dies ist dazu ausgelegt, afrikanische Flüchtlingsboote aufzuspüren, die immer mal wieder an Mallorcas Südküste anlanden. Mit der Zeit gebe es immer neue Möglichkeiten der Kontrolle, meint López, und erzählt, wie auch zur Gründung des Parks die Inspektionen noch eine Herausforderung gewesen seien. Sie muss es wissen: Die Biologin hat über Cabrera ihre Abschlussarbeit geschrieben und alle Tätigkeiten des Parks vom Touristenführer bis zum Ranger durchlaufen, bevor sie vor einem Jahr Direktorin wurde.

Ohnehin werde die Bedeutung der künftigen Schutzzone als Fangplatz überschätzt. López hat per GPS-Daten nachgerechnet: Von hundert spanischen Trawlern im Mittelmeer seien zuletzt nur 16 in das betroffene Gebiet gefahren - und davon keiner häufiger als vier Mal im Jahr. „Wo ist also das wirtschaftliche Problem?" Hinzu komme, dass sich die Fischbestände im Umfeld des vergrößerten Nationalparks ebenfalls erholen dürften. Dafür, dass die Gespräche unter der konservativen Vorgängerregierung in Madrid auf Eis gelegt waren, gab es keine offizielle Begründung. Es darf spekuliert werden: Offenbar gab es neben der Fischfang­industrie auch Druck von Hochseesport­anglern - die zwar bislang keine große wirtschaftliche Rolle spielen, aber in Zukunft spielen könnten.

Deutsches Interesse an Cabrera

Für die Besucher des Parks dürfte sich wenig ändern: Wenn sie nicht nach vorheriger Anmeldung mit dem Boot nach Cabrera kommen, um an den limitierten Bojen festzumachen, setzen sie mit Ausflugsbooten von Colònia de Sant Jordi über. Die Zahl von zuletzt gut 100.000 im Jahr kann zwar gesteigert werden, aber nur in der Nebensaison: Maximal dürfen sich 300 Besucher gleichzeitig auf dem Archipel aufhalten, und dieses Limit wird in der Hochsaison erreicht. Dass die Besucherzahl zuletzt vor allem im Frühjahr und Herbst stieg, sei in erster Linie den Deutschen zu verdanken, so López.

Service: Ausflug in den Nationalpark Cabrera

Allzu genau dürfen sie nicht hinter die Kulissen schauen - bei den Umweltschützern gibt es Nachholbedarf in Sachen Nachhaltigkeit: Neben der Fotovoltaik kommt die Hälfte der auf Cabrera benötigten Energie noch aus dem Dieselgenerator, auch der Fuhrpark funktioniert bis auf ein vor Kurzem angeschafftes Elektrofahrrad mit Benzin. Ganz zu schweigen von den Abwasserrohren aus asbesthaltigem Faserzement. „Und das im Nationalpark!", sagt López. Für die Sanierung und Umstellung hat sie deswegen ein Projekt in Höhe von einer Million Euro eingereicht, um Gelder aus der Touristensteuer zu erhalten. Die Biologin wird sich also noch eine Weile mit Wartungs- und Renovierungsarbeiten beschäftigen müssen.