Nach der Flutkatastrophe von Sant Llorenç auf Mallorca sucht der Bürgermeister der Gemeinde - Mateu Puigròs, seit 23 Jahren im Amt - keinen Protagonismus. Im Interview mit der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" erzählt er am fünften Tag nach der Katastrophe, wie er den Albtraum - persönlich und zusammen mit seinem Dorf - erlebte. Während des Treffens klingelt sein Handy unentwegt. Er spricht mit allen: hohen Militärs, Nachbarn, Politikern, Rettungskräften und Freiwilligen. Zwischendurch beantwortet er die Fragen der Zeitung.

Wie viele Stunden haben Sie am Tag der Katastrophe geschlafen?

Wir alle haben wenig geschlafen. In den letzten Tagen konnten wir etwas mehr ausruhen. Aber die ersten beiden Tage, praktisch überhaupt nicht.

War das die schlimmste Woche in 23 Jahren Amtszeit als Bürgermeister?

Ja, mit Abstand. (Stille) Im ersten Jahr gab es ein Unglück in Sa Coma, fünf Ertrunkene bei einem Unwetter. Aber das lässt sich nicht mit dem vergleichen, was dieses Jahr geschehen ist. 1989 gab es eine dramatische Regenflut. Aber auch die steht in keinem Vergleich zu den vergangenen Tagen.

Wo waren Sie am Dienstagabend?

Der Wolkenbruch überraschte mich an der Tankstelle an der Orstausfahrt von Sant Llorenç in Richtung Manacor. Ich kam von Manacor ins Dorf und musste tanken. Als ich anhielt, kamen bereits die Wagen der Guardia Civil in Richtung Dorf und ich konnte die Tankstelle bis etwa 22 Uhr nicht mehr verlassen. Dann konnte ich mit einem Geländewagen der Rettungskräfte bis zum Kontrollpunkt fahren, der in Sa Cova eingerichtet wurde. An der Tankstelle war ich etwa zweieinhalb Stunden.

Wie empfanden Sie die Wartezeit?

Alle, die wir dort waren, haben dramatische Stunden voller Angst erlebt. Das Handynetz war zusammengebrochen. Jeder hatte irgendeinen Verwandten in dem Überschwemmungsgebiet.

Ist bei Ihnen auch Wasser ins Haus gelaufen?

Nein, ich wohne in Son Carrió, etwas außerhalb und etwas höher gelegen. Gott sei Dank gab es keine Schäden.

Wann und wie haben Sie vom Ausmaß des Unglücks erfahren?

Es gab Leute, die aus dem problematischen Gebiet herauskamen. Andere mussten am Kreisel in Richtung Son Carrió umdrehen. Wir haben sofort mitbekommen, dass es eine schlimme Situation war. Nach und nach kamen immer weitere Nachrichten.

Als Sie am Kontrollpunkt ankamen, konnten Sie durch die Straßen des Dorfes gehen?

Nein, man konnte nirgendwohin gehen. Erst ab 3 Uhr morgens konnten wir bis zum ersten Kreisverkehr gelangen. Weiter ging es nicht. Autos, Bäume, Äste waren aufgetürmt. Es war ein Chaos.

Wie haben Sie in diesen ersten Stunden des Unglücks die Informationen erhalten?

Über den Funk der Guardia Civil. So erfuhren wir, dass Leute in ihren Autos gefangen waren oder gerettet wurden. Die Geretteten wurden auch zum Kontrollpunkt gebracht und anschließend in die Turnhalle Miquel Àngel Nadal nach Manacor untergebracht.

Wann konnten Sie ins Dorf?

Gegen 8 Uhr morgens. Erst dann konnten wir das wahre Ausmaß der Katastrophe sehen, als die Sonne am Mittwoch aufging. Denn vorher gab es ja kein Licht außer einigen Autoscheinwerfern.

Die Bürger haben eine Nacht voller Angst erlebt ...

Es war eine Situation extremer Risiken. Die Anwohner stiegen auf die Balkone oder Dachterrassen ihrer Häuser und wussten nicht, wie weit das Wasser noch steigen würde. Es gibt Häuser im unteren Teil des Dorfes, wo das Wasser bis zum Dach gelangte.

Wie haben Sie sich im Rathaus organisiert?

Auf Gemeindeebene haben wir uns mit einigen Ratsleuten getroffen, zunächst an der Tankstelle, danach im Kontrollzentrum. Die Balearen-Regierung aktivierte das Katastrophen-Protokoll und wir haben nur unterstützt. Ich denke, alles war gut organisiert.

Wo lagen die Fehler?

Anscheinend ist es nicht möglich, so ein Phänomen früher vorherzusagen. Ich denke, diese Frage müssen die Meteorologen beantworten.

Ist das Dorf in Überschwemmungsgebiete hineingewachsen?

Die von der Überschwemmung betroffenen Gebiete des Dorfes sind nicht neu. Manche Häuser stehen seit 100 Jahren. Die überschwemmten Straßen sind auch alt.

Wie können wir helfen?

Im Moment sind Geldspenden die beste Hilfe

Das Dorf ist stark geblieben.

Wir haben uns alle untereinander mit dieser Kraft angesteckt. Wir waren alle von der Lebenskraft und dem Mut des Dorfes überrascht.

Wird Sant Llorenç Wunden davontragen?

Ja, auf jeden Fall. Nach so einer traumatischen Situation, in der viele Menschen vom Tod bedroht waren, werden - nachdem das Schlimmste vorbei ist - die emotionalen Wunden zu spüren sein.

Fotogalerie: Sant Llorenç beginnt den Wiederaufbau

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