Eine Woche nach der Flutkatastrophe in Sant Llorenç haben Wissenschaftler und Einsatzleiter der Rettungsaktion am Dienstag (16.10.) erste Schlüsse aus der Regenflut auf Mallorca gezogen. Aus den Messungen eines verbreiterten Bachlaufs bei Artà konnten Geologen erstmals auch die gewaltige Wassermasse beziffern, die am Dienstagabend (9.10.) - zusammen mit dem weiter südlich verlaufenden Sturzbach von Sant Llorenç und s'Illot - mindestens zwölf Menschen das Leben gekostet und Zerstörungen in mehreren Orten angerichtet hatte.

Geografen der Balearen-Universität untersuchten am Dienstag vor allem die Stelle des Flussbetts, an der ein Sturzbach dicht an Artà vorbeiläuft, bevor er bei Canyamel ins Meer fließt. Ihren Messungen zufolge erreichte der ansonsten häufig trockene Flusslauf an dieser Stelle eine Breite von 26 Metern bei einer Wassertiefe von 2,65 Metern. Mittelgroße Steinbrocken wurden mit einer Geschwindigkeit von 15 Stundenkilometern - über vier Meter pro Sekunde - mitgerissen. Rund 600 Kubikmeter Wasser schossen pro Sekunde den Sturzbach hinunter und rissen alles mit, was sich der Flut in den Weg stellte, so die Analyse der Geografen. Bäume, Büsche, riesige Steine und das Eisengerüste einer Brücke wurden in die Fluten gezogen.

Auch die Koordinatoren der von der Balearen-Regierung geleiteten Rettungsaktion zogen eine Woche nach der Katastrophe ihre Schlüsse. Einer davon: "Die Wetterwarnungen der Meteorologen bringen gar nichts." Nachdem binnen kurzer Zeit 210 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen war, entstand neben der Flut eine große Welle von etwa fünf Metern Höhe, die innerhalb kurzer Zeit - in den zehn Minuten zwischen 19.20 Uhr und 19.30 Uhr - die größten Schäden anrichtete und wahrscheinlich alle Todesopfer forderte.

Die Experten nennen dieses Phänomen einen "umgekehrten Tsunami", bei dem sich in den Bergen große Wassermengen ansammeln, die dann ins Tal schießen und alles mitreißen. Die Opfer hatten keine Warnung erhalten. Erst etwa eine halbe Stunde vorher hatten die Meteorologen die Warnstufe auf die mittlere Stufe Orange erhöht, wie es sie im Herbst häufiger gibt.Wegen des Unwetters waren nicht nur die Mobilfunknetze ausgefallen. Auch das Kommunikationssystem zur Koordination des Rettungseinsatzes fiel eine Zeit lang aus.

Schadensbilanz und Entschädigungen

Ebenfalls am Dienstag hat die balearische Landesregierung die Ausgabe der öffentlichen Gelder bewilligt, die den von der Flut betroffenen Haushalten im Notfallverfahren zukommen sollen. Jeweils 5.500 Euro werden an die Familien überwiesen, deren Hausstand komplett den Fluten zum Opfer fiel, und die "absolut alles verloren haben", so Sozialiministerin Fina Santiago. 4.000 bekommen diejenigen Haushalte, bei denen Teilschäden enstanden sind. Sozialarbeiter hatten im Auftrag der Landesregierung in den vergangenen Tagen die Anträge der Geschädigten auf die Notfallhilfen bei Hausbesuchen eingesammelt. Insgesamt 296 Haushalte haben ein Anrecht auf die Gelder 46 Prozent davon auf den Höchstsatz.

Die öffentliche finanzielle Unterstützung sei kompatibel mit jeglichen anderen Hilfsgeldern, auf die die Betroffenen aus privaten Spendenaktionen hoffen können, so Santiago weiter. Es gehe ausschließlich darum, die Grundbedingungen zu garantieren, die für ein Weiterleben in den zerstörten Gebäuden notwendig sind, wie beispielsweise die Anschaffung von elektrischen Küchengeräten wie Kühlschränken oder Backöfen, Wasserthermen, sowie Stühlen, Tischen, Fenstern und Türen. Das Geld solle "so schnell wie möglich" an die Geschädigten überwiesen werden, "wenn es geht am kommenden Montag oder Dienstag". /tg/somo

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