Carlos Saura erinnert sich gut an den Start des balearischen Ablegers der linken Protestpartei Podemos auf Mallorca. „Im Februar 2014 gab es das erste Treffen, im März bin ich dazugestoßen. Als Podemos dann im Mai bei den Europawahlen vier Sitze erlangte, waren wir außer uns vor Freude. Euphorisch. Wir dachten, wir könnten alles schaffen." Nur ein Jahr später, im Mai 2015, zog Saura als einer von zehn Podemos-Abgeordneten ins Balearen-Parlament ein.

Heute ist von der damaligen Euphorie nichts mehr übrig. „Es ist vieles anders gelaufen, als ich es erhofft hatte." Für die Regionalwahlen im Mai 2019 will sich der studierte Humanwissenschaftler, der vor seinem Amtsantritt als Kellner jobbte, nicht wieder zur Wahl stellen. „Es ist schade, ich habe mich gerade an meine Aufgaben gewöhnt. Aber es fühlt sich einfach nicht mehr richtig an." Saura vermisst innerparteiliche Demokratie und Debattenkultur. Als Beispiel nennt er den Ausbau der Landstraße von Llucmajor nach Campos. „Ich und viele andere waren dagegen, aber das hat die Parteispitze gar nicht interessiert." Und dann sei da die wachsende Institutionalisierung. „Statt über politische Inhalte zu sprechen, dreht sich mittlerweile vieles um machtpolitische und personelle Fragen."

Wie dem 30-Jährigen geht es vielen der Podemos-Leute auf den Inseln. Fünf seiner Parlaments-Kollegen wollen ebenfalls zum Ende der Legislaturperiode aussteigen, einer ist bereits zu den fraktionslosen Parlamentariern übergelaufen und zwei weitere wurden Anfang 2017 gefeuert. Allein der einstige Fraktionssprecher Alberto Jarabo will weitermachen - allerdings nicht im Balearen-Parlament, sondern in Palmas Stadtrat, wo er auf den Bürgermeisterposten hofft.

Dort scheint es um die Zufriedenheit der Podemos-Vertreter aber auch nicht besser gestellt. Hier haben vier von fünf Stadträten zur neuen Legislaturperiode ihren Abschied von der Politik angekündigt. „Den Menschen auf der Straße und ihren Bedürfnissen wird kein Gehör mehr geschenkt. Das ist traurig", sagt beispielsweise Aurora Jhardi. Die Podemos-Politikerin ist aktuell Palmas stellvertretende Bürgermeisterin, doch auch sie will im Mai nicht wieder zur Wahl stehen. „Podemos sollte dazu dienen, die Gesellschaft sozialer werden zu lassen und sich nicht in eine konventionelle Partei verwandeln, die sich von bürokratischen Hürden unterkriegen lässt", findet sie. „Genau das ist aber geschehen." Wie Carlos Saura weiß sie nicht, wie es nach ihrem Mandat für sie auf dem Arbeitsmarkt weitergehen soll. „Ich gehe in die Arbeitslosigkeit und auf die Straße", sagt die Anwältin. Um von dort auf andere Weise für die sogenannten kleinen Leute zu kämpfen, sagt sie. „Innerhalb der Podemos-Strukturen ist das nicht möglich."

Trotz der harten Worte: In der Pressestelle der Partei will man von einer Krise nichts hören. Es gehöre zu dem Verhaltenskodex von Podemos, dass sich die Abgeordneten nicht an ihren Sitzen festklammern und die Politik nicht zu ihrem dauerhaften Beruf machen, versucht man den Weggang der Abgeordneten schönzureden. „Für die Wahlen haben wir Listen mit gut vorbereiteten und motivierten Leuten zusammengestellt." Dass diese fast alle Neulinge im politischen Alltag sind, sei kein Nachteil.

„Man kann vieles behaupten, aber nicht, dass wir keine internen Debatten führen", so auch Juan Pedro Yllanes. Der aus großen Korruptionsskandalen bekannte Richter, derzeit Balearen-Abgeordneter für Podemos im spanischen Parlament, ist er einer der wenigen, der weitermachen will. Allerdings zur neuen Legislaturperiode nicht mehr in Madrid, sondern im Balearen-Parlament. Den Vorwurf, dass Podemos nicht genug auf die Bürger höre, weist er entschieden zurück. Und anders als viele seiner Parteikollegen findet er nicht, dass Podemos eine Oppositionspartei bleiben sollte. „Absolut nicht. Es gibt gute Beispiele dafür, dass Podemos auch als Regierungspartei viel bewegt hat, Palmas Stadtrat ist das beste Beispiel. Und ich bin überzeugt, dass wir auch in Zukunft viel bewegen werden."

Eine, die dazu beitragen soll, ist Sonia Vivas. Die ehemalige Beamtin der Ortspolizei von Palma und frühere Leiterin des Büros gegen Hassdelikte hat bisher keine Erfahrungen als Politikerin. Dennoch wird sie auf Platz zwei der Parteiliste für Palmas Rathaus stehen. „Es ist für mich eine Ehre, ich bin sehr motiviert", sagt sie. Dass so viele vor ihr ihre Illusionen schnell verloren haben, schreckt sie nicht ab. „Ich kämpfe seit Langem gegen Korruption und Fremdenfeindlichkeit. Bei Podemos bin ich damit richtig."