Wer schon einmal die Küste von Es Canonge auf Mallorca mit ihren kristallklaren Buchten und der atemberaubenden Landschaft bewundert hat, der mag es kaum glauben: Nirgendwo im westlichen Mittelmeer - sprich: von Griechenland über Italien und Frankreich bis Spanien - haben Forscher so viele Mikroplastikartikel in den Küstengewässern gemessen wie nahe der Idylle südlich von Port de Valldemossa. „Über 5 Millionen Partikel pro Quadratkilometer, das ist etwa doppelt so viel wie die durchschnittliche Konzentration von Mikroplastik-Partikeln im Mittelmeer", so Luis Ruiz-Orejón.

Der 32-jährige Meereswissenschaftler hat seine Doktorarbeit am Centro de Estudios Avanzados in Blanes über das Thema geschrieben und war selbst überrascht. „Eigentlich hatten wir anlässlich des 100. Todestags des Erzherzogs Ludwig Salvator nur herausfinden wollen, wie sich die einst von ihm beschriebene mallorquinische Landschaft im Vergleich zu damals verändert hat", berichtet er. Plastik im Meer gab es zu Zeiten des großen Mittelmeer-Reisenden noch nicht - Kunststoff kam erst ab Ende der 50er-Jahre als gängiges Verpackungsmaterial auf den Markt. „Dass wir gerade an der Tramuntana-Küste so eine hohe Konzentration entdecken, hätten wir nicht gedacht, immerhin ist die Gegend im Vergleich zu anderen Küstenabschnitten im Mittelmeer wenig besiedelt", so Ruiz-Orejón. Auch andere Abschnitte rund um Mallorca wiesen mehrere Millionen Plastikpartikel pro Quadratmeter auf, so etwa Buchten etwas nördlich von Es Canonge und die Zone rund um den nordöstlichsten Zipfel Mallorcas bei Cala Ratjada.

Weitere Proben notwendig

Gemeinsam mit seinen Forschungskollegen Rafael Sardá und Juan Ramis-Pujol (beide Professoren an der Ramon-Llull-Universität in Barcelona) hat Ruiz-Orejón die Hypothese aufgestellt, dass Unterwasserströmungen im Meer und die Winde dafür verantwortlich sein könnten, dass sich das Mikroplastik gerade an der Tramuntana-Küste ballt. „Vieles spricht dafür, dass Kunststoff aus den dicht besiedelten Küstenstreifen Italiens, Südfrankreichs und Kataloniens ins Meer getrieben wird, sich immer weiter zersetzt und schließlich fürs Auge unsichtbar an Mallorcas Nordwestküste gelangt." Sicher sein könne man sich aber erst nach weiteren Beobachtungen der Strömungen und vor allem neuen Wasserproben. „Die Proben, die uns bisher als Forschungsgrundlage dienen, stammen aus dem Jahr 2014. Um generelle Aussagen treffen zu können, werden wir bald noch weitere entnehmen."

Fast wie in Israel

Höhere Konzentrationen an Mikroplastik als bei Es Canonge wurden nur im östlichen Mittelmeer nahe der israelischen Küste gemessen. „Das erklärt sich auch dadurch, dass diese Gegend am weitesten von der Meerenge von Gibraltar entfernt ist, durch die das Wasser zu- und abfließen kann." Ruiz-Orejón, der ursprünglich aus Ciudad Real in der Extremadura kommt, ist mehrmals im Monat für seine Forschungen auf Mallorca. Für das kommende Jahr plant er gezielte Boots-Expeditionen. „Mit speziellen Instrumenten werden mehrere Liter von Oberflächenwasser abgeschöpft. Später filtern wir die Plastikpartikel heraus, lassen sie trocknen, wiegen, zählen sie und untersuchen sie unter dem Mikroskop."

Die mühselige und zähe Arbeit sei wichtig. „Forschungsgrundlagen wie unsere helfen Meeresbiologen dabei, die Auswirkungen des Kunststoffs auf Flora und Fauna zu analysieren", so der Meeresforscher. Und letztlich dienten sie auch als Diskussionsgrundlage für politische Entscheidungen. „Wenn unsere Publikationen dazu beitragen können, dass Umweltschutzregelungen verschärft werden, dann lohnt sich unser Job allemal."