Flammen lodern auf, dunkle Rauchschwaden steigen in den Himmel. Sprechchöre sind zu hören, Menschen pfeifen, die Stimmung ist angeheizt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, sich in einem Pariser Vorstadt-Brennpunktviertel zu befinden. Doch die Verursacher sind keine perspektivlosen Jugendlichen, sondern Beamte im Staatsdienst. Und in den Flammen zerstören sie nicht fremde Autos, sondern ihre eigenen Dienstuniformen. Jene, die sie normalerweise tragen, wenn sie ihre Schicht als Justizvollzugsbeamte im Gefängnis von Palma de Mallorca antreten.

„Wir dürfen streiken, solange wir den Mindestbetrieb aufrechterhalten", sagt María Jesús nach der Aktion vom 18. November im Gespräch mit der MZ. Sie ist eine der rund 400 Beamten, die täglich dafür sorgen sollen, dass es keine Probleme mit den rund 1.300 Häftlingen gibt, und gleichzeitig Vertreterin der fachspezifischen Gewerkschaft Acaip. „70 Stellen sind derzeit in Palmas Gefängnis nicht besetzt. Wir verdienen deutlich weniger als die Kollegen von Guardia Civil und Nationalpolizei. Ich habe keine psychologische oder medizinische Ausbildung, aber manchmal bin ich Psychologe und Mediziner, weil Personal fehlt." Das Schlimmste aber seien die Übergriffe, denen das Gefängnispersonal beinahe täglich ausgesetzt sei. „Unsere Sicherheit ist nicht gewährleistet. Wir werden von den Inhaftierten attackiert, teilweise geschlagen", sagt sie.

62 Angriffe auf Mitarbeiter wurden im vergangenen Jahr in Palmas Gefängnis verzeichnet - mehr als in jeder anderen Justizvollzugsanstalt Spaniens. „Das liegt an der Insellage. Auf dem Festland werden handgreifliche Häftlinge oft in andere Zentren verlegt. Das ist hier viel zu teuer. Also muss ein Beamter einen Tag, nachdem er attackiert wurde, direkt wieder in Kontakt mit dem Angreifer treten", so María Jesús. Ein weiteres Problem sei, dass es keine Zentren für psychisch kranke Straftäter gebe. „Die sitzen in den ganz normalen Gefängnissen, dabei sind wir gar nicht für den Umgang mit ihnen ausgebildet." Hinzu kämen häufig Beschimpfungen. „Wenn man das jeden Tag erlebt, macht es einen kaputt."

Die zuständige Delegation der Zentral­regierung auf den Balearen wollte sich gegenüber der MZ nicht zu dem Konflikt äußern. Dass María Jesús aber mit ihrer Meinung nicht allein dasteht, machen die Zahlen deutlich: In Palma beteiligten sich 100 Prozent der zum Streik befugten Mitarbeiter an den bisher zwei Protestaktionen. Auch auf dem Festland gingen Tausende Justizvollzugsbeamte auf die Straße. „Heute ist es nur unser Problem, aber morgen kann es zum Problem für die Gesellschaft werden", findet María Jesús. Denn wenn die Häftlinge nicht angemessen betreut würden, verkompliziere das später ihre Resozialisierung.

„Ich finde auch, dass die Beamten bessere Bedingungen verdienen. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass sie sich selbst aktiv dafür einsetzen, bei Konflikten zu deeskalieren", meint Jaume Alemany, der seit rund 20 Jahren als Gefängnispfarrer mehrmals in der Woche die Probleme mitbekommt. „Ich habe schlimme Situationen mit angesehen und in einigen Fällen das Gefühl gehabt, dass die Inhaftierten nicht mit der Würde behandelt worden sind, die jedem Menschen zusteht." Natürlich verschärften prekäre Arbeitsbedingungen die Problematik. „Und es ist ganz klar, dass an einem Ort, an dem 1.300 Erwachsene eingesperrt sind und den ganzen Tag über nichts zu tun haben, Konflikte entstehen", so Alemany. Seiner Meinung nach sollte das Personal viel stärker auch pädagogisch tätig sein und nicht nur als Sicherheitsdienst fungieren.

„Es ist sehr schwer, die Situation als Dritter zu beurteilen oder Stellung zu beziehen", sagt Gerd Kämper, der von der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde aus einmal im Monat Inhaftierte besucht. „Natürlich ist ein Gefängnis kein Ort der Freude, und Druck erzeugt immer auch Gegendruck, aber das ist etwas Menschliches." Ein bisschen Feinfühligkeit seitens des Personals wäre manchmal angebracht. „Aber ich habe nie menschenunwürdige Situationen miterlebt." In den mehr als acht Jahren, in denen er seine Freiwilligenarbeit im Gefängnis leistet, habe er stets Aufs und Abs mitbekommen. „Es kann sein, dass andere Rahmenbedingungen für das Personal die Situation erleichtern könnten, aber letztlich kommt es auf beiden Seiten auf die einzelnen Leute und ihre Konstellationen an."

„Wir wollen gehört werden und erreichen, dass das Innenministerium wieder Verhandlungen mit den Gewerkschaften aufnimmt", so Justizvollzugsbeamter David Rodríguez, der in der Arbeitervertretung UGT engagiert ist. Am 25. September hatte die spanische Regierung zunächst bekannt gegeben, die Gehälter der Justizvollzugsbeamten erhöhen zu wollen und dafür insgesamt 123 Millionen Euro bereitzustellen. Drei Tage später wurde allerdings zurückgerudert. Begründung: zu hohe Kosten. „Während Guardia Civil und Nationalpolizei 800 Millionen Euro mehr versprochen wurden, bleibt für uns kein Cent. Wir fühlen uns wie die hässlichen Entlein." Deshalb wolle man weiterkämpfen. Drei Streiks sind für die kommenden Wochen angekündigt. „Es geht hier um Sicherheit. Für uns, aber auch für die Häftlinge."