Jorge Campos ist gut drauf. Dabei lässt ihm sein Mobiltelefon keine Ruhe. „In den vergangenen zwei Tagen habe ich 14 Interviews mit Journalisten geführt", erzählt er am Mittwoch (5.12.) in Palma de Mallorca. Anders als die MZ, die schon vergangene Woche anfragte, meldeten sich die meisten Medien erst nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der Regionalwahlen in Andalusien bei dem Mallorquiner. Elf Prozent holte die rechte Partei Vox in der südspanischen Region - „und hier auf den Balearen werden wir bei den Wahlen im Mai 2019 noch erfolgreicher sein", sagt Campos optimistisch.

Es war im Februar 2018, als unter seiner Führung die einst auf den katalanischen Sprachenstreit fokussierte, konservative Vereinigung Círculo Balear unter dem Namen Actúa Baleares in Palma de Mallorca als politische Partei eingetragen wurde. Im Juni schloss sich Actúa mit dem balearischen Vox-Ableger zusammen. „In 90 Prozent der Ansichten stimmen wir überein", so Campos, auch wenn Vox España deutlicher formuliere, was von der Gleichberechtigung Homosexueller zu halten sei. Doch durch die jahrelange Arbeit im Círculo Balear sei Actúa auf den Inseln besser organisiert gewesen als Vox. „Und es ist dringend, sich gemeinsam auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren. Sonst verlieren wir unser Land."

„Wesentliche Punkte", die auf den Balearen laut Campos sogar „noch dringlicher" seien als in Andalusien: der zunehmende Separatismus („Wenn wir so weiter machen, haben wir auf den Inseln in fünf Jahren die gleiche Situation wie jetzt in Katalonien"), die „überproportionalen Kosten" für den autonomen Politapparat („Wofür braucht es die gleichen Ministerien auf nationaler, Provinz- und Inselebene?"), die „Indoktrinierung" im balearischen Bildungssystem mit separatistischen Inhalten und nicht zuletzt die illegale Einwanderung („In einigen Vierteln und Gemeinden auf den Inseln ist die Situation unerträglich").

Ultraderecha oder extrema derecha ist in den spanischen Medien über Vox zu lesen. Campos hört diese Bezeichnung nicht gerne, da sie mögliche Wähler vergrault. „Wir sind weder ultra-rechts noch rechtsextrem." Abstreiten, dass Vox im politischen Spektrum rechts von der PP (die sich auch selbst als mitte-rechts bezeichnet) steht, will er dann aber doch nicht. Die PP sei in seinen Augen gar nicht rechts. „Die sind absolutes Zentrum." Als Anhänger des Franco-Regimes will sich Campos nicht bezeichnen lassen - gleichzeitig lobt er aber die Proteste seiner Parteikollegen auf dem Festland gegen die Entscheidung, die sterblichen Überreste von Diktator Franco aus seinem Prunk-Mausoleum bei Madrid zu verbannen. „Man sollte nicht nach 40 Jahren in der Vergangenheit graben." Und überhaupt: In Deutschland könne man schließlich auch Konzentrationslager besuchen, lautet der etwas ratlos zurücklassende Vergleich von Campos.

So oder so: Die Ähnlichkeiten zwischen Vox und der rechtspopulistischen AfD in Deutschland sind nicht zu übersehen. Das reicht von der jungen Parteigeschichte über den raschen Aufstieg von der Randpartei zu einer Kraft, die Wähler aller gesellschaftlicher Schichten mit Stammtischparolen anzieht, bis hin zum Zuspruch in den sozialen Netzwerken. Kein Wunder, dass nach der Andalusien-Wahl nicht nur von der rechten französischen „Rassemblement National" Glückwünsche bei Vox eingingen, sondern auch von der AfD.

„Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Vox und der AfD. In der Einwanderungspolitik stehen wir uns sehr nah, auch wenn es soweit ich weiß keine Kooperationen gibt", sagt Campos. „Reduzierung der Einwanderung", „Schutz der Grenzen" - es sind Phrasen, die Campos gerne in den Mund nimmt. Doch anders als die AfD, die in Deutschland von den großen Parteien bei Koalitionsverhandlungen außen vor bleibt, kann Vox sowohl auf nationaler, als auch auf regionaler Ebene auf die Offenheit etablierter Parteien zählen: Wie der Sprecher der PP auf den Balearen, Juan Manuel Lafuente, am Montag (3.12.) mitteilte, sei man offen für Koalitionssondierungen mit Actúa-Vox - schließlich koaliere die sozialistische PSOE „mit Linken wie Podemos oder Separatisten wie Més".

In der aktuellen Balearen-Regierung nimmt man das gute Abschneiden von Vox in Andalusien mit Sorge zur Kenntnis. „Wir hoffen, dass die PP den Rechtspopulisten nicht die Türen öffnet", so die Balearen-Sprecherin der PSOE, María José Camps. „Im Parteiprogramm von Vox ist von der Abschaffung der Autonomen Regionen, der Außerkraftsetzung der LGTBI-Rechte und dem Ende der Aufarbeitung der spanischen Geschichte die Rede. All das dürfen wir nicht zulassen." Dass Vox den Erfolg von Andalusien auch auf den Balearen wiederholen oder gar ausbauen könnte, davon will man in der sozialistischen Regierungspartei aber nichts wissen. „Wir haben hier eine glaubwürdige Regierung", so Camps.

Das sieht Jorge Campos anders. Seiner Meinung nach greife der aktuelle Linkspakt im Govern viel zu sehr in die Rechte von Bürgen und Unternehmen ein. „Es gibt nur Verbote statt echter Regulierungen", sagt er über das Regelwerk zur privaten Ferienvermietung. Er setze dagegen auf die Mechanismen der freien Marktwirtschaft. Auch von einer touristischen Übersättigung der Insel will er nichts hören. Schuld am Verkehrschaos sei die mangelhafte Infrastruktur. Und das Gesundheits- und Bildungssystem auf den Balearen habe „durchweg versagt".

Offenbar stoßen die Ansichten von Actúa-Vox bei einigen Inselbewohnern auf offene Ohren. „Seit dem Erfolg in Andalusien trudeln bei uns in der Zentrale täglich rund 25 neue Mitgliedsanträge ein", so Campos. Man käme auf etwa 400 zahlende Mitglieder und rund 2.300 Anhänger. „Die Rückeroberung von Spanien hat in Andalusien begonnen, und sie wird nicht mehr zu stoppen sein."

AfDler Frank Hansel aus dem Berliner Abgeordnetenhaus scheint das ähnlich zu sehen. Bei Twitter schreibt er: „Auch Spanien hat jetzt seine Alternative, die gekommen ist, um zu bleiben. Staatsversagen der Linken und der Altparteien auch dort. Wie bei uns. Die Europawahl wird spannend."