So richtig gemütlich ist es noch nicht in der Wohnung von Familie Berger. Es zieht durch eine Lüftungsöffnung in der Wand, bei Regen verstopft der Abfluss im Innenhof. Im Wohnzimmer steht ein Teil einer Theke, im hinteren Teil der Wohnung gibt es einen großen gefliesten Lagerraum und einen Industriebackofen. Daneben verfügen die Bergers lediglich über ein kleines Schlafzimmer für den Sohn in einem ehemaligen Billardzimmer sowie einen winzigen Raum, der früher eine Küche war und heute den Eltern als Schlafzimmer dient. Die heutige Küche findet sich dagegen im Wohnzimmer. Die Toiletten wiederum sind im Innenhof zu finden. Wenn es regnet, suchen die Eltern eine weitere Toilette auf, die am Kinderzimmer anschließt.

Die Erklärung für diese eigentümliche Raumaufteilung ist einfach: Etwa 30 Jahre lang war das Parterre des Wohnhauses in einem Dorf in der Inselmitte zunächst als Bäckerei und dann als Bar von verschiedenen Pächtern genutzt worden. „Wir haben einen Großteil der Theke herausgerissen. Das Bar-Ambiente will man ja nicht im Wohnzimmer haben", sagt Sabine Berger (Name v. d. Red. geändert). Der große Raum, wo einst die Tische der Bar standen, ist jetzt endlich nach einigen Monaten recht wohnlich geworden.

Bis vor Kurzem hatten die Bergers mit ihrem Sohn in einem Haus auf dem Land gelebt. Der Vermieter wollte das Haus jedoch verkaufen und setzte die drei vor die Tür. Sie mussten eine neue Bleibe finden. Das Problem: Zu einem vergleichbaren Preis von rund 500 Euro gibt es derzeit auf Mallorca nicht mal eine Einzimmerwohnung.

Die Bergers sind kein Einzelfall auf Mallorca. Die Wohnungsnot und die hohen Preise für Mieten und Eigentumswohnungen führen dazu, dass sich immer mehr Menschen überlegen, frühere Geschäftsräume in Wohnungen umzuwandeln. Das Onlineportal Habitissimo vermeldete Mitte November, dass seit 2016 - dem Beginn der steigenden Immobilienpreise auf den Inseln - die Anträge auf die Umwidmung von bisher als Ladenlokal genutzten Immobilien um rund 50 Prozent gestiegen seien. Zurzeit werden laut der Website auf den Balearen 860 ehemalige Ladenlokale zur Miete angeboten. Zum Verkauf stehen gar 1.682 Wohnungen, die vor einiger Zeit noch Geschäftsräume gewesen waren.

Pau Gomila verdient mit solchen Umwidmungen sein Geld. Der Mallorquiner, der seit 2009 als Projektleiter in einem Architekturbüro arbeitet, bestätigt gegenüber der MZ eine deutliche Zunahme von Anfragen nach Umwandlungen. „Ich habe fast jede Woche einen Anruf zu diesem Thema. Vor drei Jahren hat das noch überhaupt niemanden interessiert." Häufig seien es Menschen, die es sich nicht leisten könnten, eine Wohnung zu kaufen. Ein Ladenlokal dagegen gebe es in manchen Stadtteilen von Palma bereits sehr günstig. „Und dann nehmen die Leute einen Kredit auf, ­stecken 40.000 Euro in die Renovierung und können dort leben", sagt Gomila.

Das lohne sich durchaus, müsse im Einzelfall aber immer genau geprüft werden - nicht immer sei die Umwidmung möglich. Geht deswegen ein Auftrag ein, fragt Gomila in einem ersten Schritt bei der Stadtverwaltung nach, ob die Umwandlung in dem fraglichen Gebäude überhaupt möglich ist. Dagegen sprechen könnte der sogenannte índice de intensidad residencial, eine Maximalgrenze für Wohneinheiten in einem Gebäude. Eine Sprecherin der Stadt bestätigt, dass jeder Antrag dahingehend geprüft werde - und gestoppt werden müsse, wenn die Obergrenze an Wohnungen in einem Block erreicht ist.

Ein weiteres Problem könne bei den anderen Parteien des Mehrfamilienhauses liegen. Sollte sich in den Statuten der Eigentümergemeinschaft die Fußnote finden, dass die Umwandlung eines Geschäftsraumes in Wohnungen nicht möglich ist, dann könne er nichts weiter tun, sagt Gomila. Doch das sei eher selten. In den meisten Fällen stehe der Umwidmung nichts im Wege, erklären die Stadtsprecherin und Gomila übereinstimmend.

Das Baudezernat von Palma genehmigt zurzeit durchschnittlich etwa drei Anträge im Monat. An die 50 seien es seit Mai 2017 im Stadtgebiet gewesen, sagt die Sprecherin der Stadt. Wie viele Anträge eingehen, die nicht genehmigt werden, kann sie allerdings nicht sagen. Es sei kein echter Boom, aber durchaus ein stetiger Strom von Anträgen.

Nicht immer aber ist es der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, der den Ausschlag gibt. Findige Investoren - seien es Privatpersonen oder auch Fonds - erwerben in Palma gezielt Ladenlokale, die schon seit langer Zeit leer stehen, und machen daraus schicke Loft-Wohnungen. „Oft fällt die Investition in Geschäftsräumen geringer aus als bei der Komplettsanierung von Wohnungen", so Gomila. „In Lokalen gibt es meist viel weniger Wände, die man herausreißen müsste." Somit seien die Baukosten überschaubar und ein möglicher Gewinn beim Verkauf oder bei der Langzeitmiete durchaus erklecklich.

Von diesen Luxusproblemen ist Familie Berger indes weit entfernt. Sie richtet sich nach und nach ein in ihrem neuen Zuhause, der ehemaligen Bar. „Wirklich glücklich bin ich damit nicht", meint Sabine Berger. Doch was sei schon die Alternative?