Auf Anweisung der Justiz hat die spanische Nationalpolizei am Dienstag (11.12.) Mobiltelefone und Computer von Journalisten auf Mallorca beschlagnahmt und damit der Pressefreiheit einen schweren Schlag versetzt. Anscheinend hatten die Ermittler über längere Zeit Metadaten der Mobilkommunikation von Journalisten erfasst, um herauszufinden, von welchen Informanten die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" und die Agentur „Europa Press" Informationen aus laufenden Ermittlungsverfahren im Korruptionsfall Cursach erhalten hatten. Der Vorfall sorgte spanienweit für Empörung. Der „Diario" will eine Anzeige wegen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Quellenschutz für Journalisten erstatten.

Ohne Rechtsberatung

Nach eigenen Aussagen erhielt Diario-Gerichtsreporter Kiko Mestre am Dienstagmorgen (11.12.) eine Aufforderung, die Polizei aufzusuchen. Bei dem Treffen wurde er in einen Raum gebeten und nach Vorlage einer richterlichen Anweisung aufgefordert, sein privat und geschäftlich genutztes Mobiltelefon abzugeben. Dabei wurde ihm keinerlei Gelegenheit gegeben, sich mit dem Anwalt der Zeitung kurzzuschließen. „Ich sah mich gezwungen, mein Handy abzugeben", erklärte Mestre.

Wenige Stunden später, gegen 15.30 Uhr, beschlagnahmten Zivilpolizisten in der Balearen-Redaktion von „Europa Press" auch das Mobiltelefon und zwei Computer der Journalistin Blanca Pou. Zuvor hatte sie sich auf ihr Recht berufen, ihre Quellen im Fall Cursach zu schützen und keine Namen ihrer Informanten zu nennen zu müssen.

Auch im gemeinsamen Verlagshaus vom „Diario" und der MZ erschienen kurz darauf zwei Zivilpolizisten und forderten die Herausgabe der vom Gerichtsreporter Mestre genutzten Computer. Chefredakteurin Maria Ferrer, sowie Vertreter des Verlages und ein Anwalt stellten sich den Polizisten in den Weg und beriefen sich auf den verfassungsrechtlich garantierten Quellenschutz. Die Ermittler verließen daraufhin unverrichteter Dinge den Verlag.

Der Vorfall löste nicht nur die Empörung der Inselmedien aus, sondern sorgte auch für einem spanienweiten Aufschrei der Medienvertreter. Der spanische Journalisten-Dachverband FAPE verurteilte das Vorgehen der Justiz „aufs Schärfste" und erinnerte daran, dass Journalisten aufgrund des Berufsgeheimnisses ihre Quellen nicht preisgeben müssen. 200 Journalisten verschiedener Medien überreichten der spanischen Oberstaatsanwältin María José Segarra ein Protestschreiben, in dem sie sich mit den mallorquinischen Medien solidarisierten. Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol erinnerte daran, dass „die freie Berichterstattung die Gesellschaft stärkt".

Der Verlag des „Diario de Mallorca" kündigte an, Strafanzeige wegen eines illegalen Eingriffs in das journalistische Berufsgeheimnisses erstatten. Die Staatsanwaltschaft kündigte ihrerseits an, auf der Herausgabe der Rechner zu beharren.

Der Fall Cursach

Dass der sich nun anbahnende Rechtsstreit zwischen Medien und Staatsanwaltschaft mit Sicherheit hohe Wellen schlagen wird, liegt auch an der Brisanz des untersuchten Falls Cursach. Der Magnat des Nachtlebens an der Playa de Palma, Bartolomé Cursach, ist angeklagt, weil er im großen Stil und möglicherweise über Jahrezehnte hochrangige Polizisten, Politiker und Beamte bestochen haben soll. Der Besitzer von Großdiscotheken wie Megapark, Tito's, Pachá oder BCM soll sich auf diese Weise eine Art Monopolstellung im Vergnügungsgewerbe der Insel ergaunert haben.

Hintergrund: alle Artikel zum Fall Cursach

Als Cursach schließlich im Frühjahr 2017 in Untersuchungshaft landete, spielte die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" eine entscheidende Rolle bei der Berichterstattung über die Details des Korruptionsskandals. Immer wieder veröffentlichte die Zeitung Informationen aus den Monate lang unter Verschluss gehaltenen Ermittlungsakten. Damit trug die Zeitung auch dazu bei, dass der Fall in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und trotz des Drucks der mächtigen Verteidiger des Magnaten nicht eingestellt wurde.

Im Juli veröffentlichte der „Diario" Details aus einem Bericht der Nationalpolizei über mutmaßliche Steuerhinterziehung des Discotheken-Konzerns. Polizei-Informationen zufolge sei ein großer Teil der Einnahmen aus dem Megapark und anderen Discotheken dem Fiskus verheimlicht worden.

Das Gericht forderte aufgrund des Berichts ein Gutachten bei der Steuerbehörde an. Diese kam allerdings zu dem Schluss, dass es keine Hinweise für eine strafrechtlich relevante Steuerhinterziehung gebe. Stattdessen sucht die Staatsanwaltschaft nun anscheinend nach den Personen, die regelmäßig geheime Informationen an die Presse geben.