Jaume Sureda ist eine Art mallorquinischer Asterix. Gegen alle äußeren Umstände hat der letzte verbliebene Hühnerbauer der Insel seinen Beruf nicht aufgegeben - und nahm dafür in den vergangenen Jahren auch Mehrkosten von 27.000 Euro in Kauf. Denn da es auf der Insel seit vier Jahren keinen Schlachthof für Geflügel mehr gibt, musste er die Tiere immer nach Ibiza bringen. „10 Euro pro Tier hat mich das gekostet." so Sureda. „Um die 60 Kollegen von mir haben wegen der Widrigkeiten das Handtuch geworfen und sich andere Tiere oder einen anderen Beruf gesucht." Das Durchhaltevermögen zahlt sich nun aus. Denn ab Ende April sollen auf dem Schlachthof in Inca wieder Hühner gerupft werden.

Geflügelbauern hatten schon länger mit Schwierigkeiten zu kämpfen. „Wie kann es sein, dass es seit 25 Jahren keinen öffentlichen Geflügelschlachthof auf Mallorca gibt?", fragt sich Sureda. Im März 2015 schließlich verschlimmerte sich die Lage dramatisch, als mit dem privaten Anbieter Matisa der letzte Schlachthof seine Maschinen abstellte.

Während Sureda von da ab im Zwei-Wochen-Rhythmus seine Hühner nach Ibiza schaffte, mahlten die Mühlen der Bürokratie langsam. Zwar gab es seit 2015 Pläne für einen neuen Schlachthof, wie es in einer Pressemitteilung des balearischen Landwirtschaftsministeriums heißt. Doch erst drei Jahre später wurden die Pläne konkreter. „Die Politiker haben bei mir angefragt", sagt Jaume Estrany, der seit 20 Jahren den Schlachthof in Inca leitet, wo bislang zwar Schweine, Rinder und Schafe, aber keine Hühner geschlachtet werden. Im Juli 2018 begannen dann die Arbeiten an einer neuen, 213 Quadratmeter großen Halle. Das Projekt kostet mehr als 400.000 Euro, wobei das balearische Umwelt- und Landwirtschaftsministerium über sein Subventionsprogramm Fogaiba 200.000 Euro beisteuert.

Know-how aus Lyon

Beim MZ-Besuch in Inca deutet noch wenig darauf hin, dass hier bald Hühner am Fließband geschlachtet werden. Die Arbeiten an der Halle sind noch in vollem Gange. Die Maschine, die letztlich den blutigen Akt vollziehen wird, liegt in Einzelteilen zerlegt auf dem Boden. „Die stammen aus Lyon", sagt Estrany. „In zwei Wochen kommen die Franzosen und erklären mir die genaue Funktionsweise." Der Ablauf der künftigen Schlachtung am Fließband hingegen ist klar, wie der 75-Jährige erklärt: Die Tiere werden an einer Kette befestigt, die im Kreis verkehrt. Als Erstes werden die Hühner betäubt, wahrscheinlich mit Gas. Anschließend werden die Tiere getötet, die Details müssen noch geklärt werden. „Ich stelle mir vor, dass das ein Mitarbeiter mit einem Messer erledigen muss."

Es folgt ein Wasserbad, in dem die Hühnerkörper auf 52 Grad erhitzt werden. „Die ­Temperatur ist wichtig. Ist sie zu niedrig, lassen sich die Federn schlecht rupfen. Ist sie zu hoch, löst sich die Haut ab." Das Rupfen werden Maschinen mit drehenden Gummifingern übernehmen. Zuletzt werden den Vögeln die ­Eingeweide entnommen, die Hühner werden dann gereinigt und im Kühlhaus gelagert.

Fünf Mitarbeiter sind an dem Prozess beteiligt, bis zu 120 Hühner können sie pro Stunde schlachten. Wobei das von der Größe der Tiere abhängt, wie Estrany erklärt. „Die Maschine ist sowohl für kleine Wachteln als auch für zehn Kilo schwere Truthähne geeignet." Die Kosten für die Schlachtung eines Huhns schätzt der Mallorquiner auf 2 bis 2,50 Euro - eine Kalkulation, die nicht zuletzt von der Stromrechnung abhänge.

Im Supermarkt dürfte es die Hühner aus mallorquinischer Schlachtung wohl nicht geben. Statt die Tiere für Preise von nur 3 bis 4 Euro an Mercadona, Eroski und Co. zu verkaufen, gehen sie für 12 bis 18 Euro an Restaurants oder kleinere Händler auf den Märkten. Besonders in den mallorquinischen Dörfern sei die Nachfrage groß. Es handle sich nicht um Hühner aus der Massentierhaltung, betont Estrany. „Wir haben hier eine hohe Qualität."

Probelauf mit 1.500 Hühnern

Jaume Sureda etwa will um die 70 Hühner pro Woche liefern. Einige Bauern dürften zudem wieder mit der Haltung anfangen, glaubt Schlächter Estrany, der bereits jetzt schon bei Bauernhöfen nachfragt, um auch genügend Hühner zu bekommen. „Die Franzosen haben mir gesagt, dass sie für den ersten Probelauf bereits 1.500 Hühner haben wollen. Ich hatte vielleicht mit einem Dutzend gerechnet."

Vorerst kein Thema auf Mallorca ist der Umgang mit männlichen Küken von Lege­hennen, worüber in Deutschland derzeit hitzig debattiert wird. Das Problem: Die Küken sind industriell gesehen wertlos, da sie keine Eier legen und auch für die Mast ungeeignet sind. So landen sie - nicht nur in Deutschland - im Schredder oder werden vergast.

Derzeit wird geforscht, um das Geschlecht bereits im Ei bestimmen zu können und so das Massaker zu verhindern. Auf der Insel stelle sich die Frage gar nicht. „Hier werden keine Küken geschreddert, weil es keine männlichen Küken gibt", sagt Jaume Estrany. Den Bauern würde die spezielle Zuchtlizenz fehlen. „Daher kaufen sie die passenden Jungtiere stattdessen auf dem Festland und ziehen sie dann lediglich groß."