So viel Solidarität mit dem traditionellen Einzelhandel war selten: Fast alle Parteien haben am 1. April im Plenum des Inselrats einen Masterplan (Pecma) verabschiedet, der übergroßen Projekten für Einkaufszentren einen Riegel vorschiebt. Der Beschluss fiel einstimmig, nur die liberalen Ciudadanos enthielten sich. Konkret dürfen Einkaufszentren im Stadtgebiet von Palma und in Teilen des Gemeindegebiets Marratxí maximal 40.000 Quadratmeter groß sein. In Inca und Manacor liegt das Limit bei 13.000 Quadratmetern. In den wichtigsten Tourismuszonen sind es maximal 4.000 Quadratmeter, in den weiteren Gemeinden je nach Einwohnerzahl 1.500 oder 700 Quadratmeter. Darüber hinaus werden die Investoren verpflichtet, die Kosten für die Lösung entstehender Verkehrsprobleme selbst zu tragen.

Höchste Zeit sei es gewesen für ein solches Regelwerk, meint auch Toni Gayà, neuer Präsident des Einzelhandelsverbands Afedeco. Unlautere Konkurrenz durch Big Player, die Bedrohung durch den Online-Handel, durchwachsene Schlussverkäufe - die Inhaber traditioneller Geschäfte haben eine lange Sorgenliste. Dennoch spricht Gayà im MZ-Gespräch lieber über seine Vorhaben, als sein Leid zu klagen. Vor allem drei zentrale Projekte sollen den kleinen Geschäften helfen, die strukturellen Umbrüche zu meistern, die auch den Einzelhandel der Insel erfasst haben.

Gayà macht sich weniger über Konzerne Sorgen, die mit den überall gleichen Filialen die Einkaufsmeilen erobern, sondern über die drohende Verödung der Innenstädte. „Wir verteidigen die Geschäfte in Fußnähe gegen Einkaufszentren auf der grünen Wiese." So ein Fall ist das vor anderthalb Jahren eröffnete FAN in Coll d'en Rabassa. Und so ein Fall wäre auch das Projekt Palma Springs in Ses Fontanelles, dem die Justiz im jahrelangen Rechtsstreit vor Kurzem wieder einen Etappensieg verschafft hat, das aber letztendlich durch den neuen Masterplan des Inselrats verhindert werden soll. „Stirbt der Einzelhandel, stirbt auch das Zentrum", warnt der Branchensprecher. Als positives Beispiel nennt er dagegen die Müller-Filiale an der Plaça d'Espanya, für die ein zuvor leer stehendes Gebäude saniert wurde. Solche Unternehmen wirkten sich sogar positiv auf umliegende Traditionsläden aus.

Den Projekten auf der grünen Wiese will Afedeco nun „Open-Air-Einkaufszentren" entgegensetzen. Das Konzept: Die Einzelhändler der Innenstadt tun sich zusammen, vermarkten sich gemeinsam und bauen einen für alle Läden offenen Vertriebskanal auf, der etwa Kunden zu Hause beliefert. „Wir müssen Palmas Innenstadt zum größten Einkaufszentrum Mallorcas machen", fordert Gayà. Mit einem wettbewerbsfähigen Online-Portal könnte man dann endlich auch das Internet vom Konkurrenten zum Komplizen machen. Denn was ein Einzelhändler allein nicht schaffe, wäre als Gemeinschaftsprojekt möglich - die Unterstützung der Politik ­vorausgesetzt.

Auf Platz zwei der Prioritätenliste von Afedeco steht die Frage, wie es wirklich um die Branche bestellt ist. Die Zahlen, die das spanische Statistik-Institut (INE) über den Einzelhandel liefere, seien wenig aussagekräftig. Kleine Geschäfte, Shoppingcenter oder auch Autohäuser würden statistisch gesehen in einen Topf geschmissen. Deswegen müsse endlich eine eigene Stelle Klarheit schaffen: Es gibt auch schon einen Namen für sie: Observatorio Balear de Comercio.

Für Gayà steht zudem fest, dass die Branche dringend einiges dazu lernen muss - nicht nur die Ladeninhaber bei Kalkulation und Vermarktung, auch das Personal im Umgang mit den Kunden. Wie in der Gastronomie gehe es schließlich nicht nur darum, einen Laden zu eröffnen, wie die starke Fluktuation in der Branche zeige. Gerade Einzelhändler in zweiter Generation könnten mit etwas mehr Wissen viel mehr aus ihren Läden machen. Gayà fordert deswegen die Gründung einer offiziellen Handelsschule auf den Balearen, ähnlich wie in der Tourismusbranche.

Bei aller Eigeninitiativen brauche der Einzelhandel aber auch Schutz durch die Politik. Auch wenn klar sei, dass sich das Rad nicht ­zurückdrehen lasse, müsse den Inseln mit ihren höheren Transportkosten trotz liberaler EU-Vorgaben ein eigener Weg zugestanden werden, um beispielsweise den Schluss­verkauf wieder zu regulieren und dem Einzelhandel „würdige" rebajas zu ermöglichen, ­fordert Gayà. Im Fall der Vorgaben für neue Einkaufszentren geht Mallorca ja schließlich auch seinen eigenen Weg.