Fahrt von Sóller in Richtung Palma. Die Blätter der Olivenbäume hinter dem Tunnel schimmern silbern, die knorrigen Stämme wirken gesund, Furchen am Erdboden verraten, dass hier gepflügt worden ist. Beim Anblick der Felder ist es schwer vorstellbar, dass viele Bäume, Sträucher und Stauden auf den Balearen von dem Feuerbakterium Xylella fastidiosa bedroht oder befallen sind. Etwas weiter in Richtung Palma stehen dann Mandelbäume mit neuen frischen Blättern. Darunter zeigen Halme und Ähren, dass hier Futtergras ausgesät worden ist.

Dass sich die Inselbauern von dieser traditionellen Art des Anbaus verabschieden müssen, erfahren wir später in Palmas Umweltministerium. Denn das Weidegras bietet den Überträgern des Erregers, der auch Oliven-Ebola genannt wird, ein Habitat.

Auf die Frage, wie viele Bäume derzeit vom Feuerbakterium befallen sind, sagt Andreu Juan, Leiter der Abteilung Landwirtschaft im Ministerium, dass es darauf keine einfache Antwort gebe, denn „von 737 Proben, die wir bei Mandelbäumen entnommen haben, zeigten sich 198 positiv." Auf den Balearen wären weitere 21 Pflanzenarten von der Krankheit ­betroffen, über 500 Spezies sind es weltweit.

Die Überträger

Erwiesen ist, dass die Wiesenschaumzikade (Philaenus spumarius) den Erreger verbreitet. Sie legt ihre Eier im Januar und Februar auf Gräsern - beispielsweise unter Mandelbäumen - ab, im Frühjahr schlüpfen sie dann aus. Wird um diese Zeit gepflügt oder Schafe fressen die Halme ab, flüchten sich die frisch geschlüpften Insekten auf die Bäume. Das passiert auch, wenn man die Plantagen sich selbst überlässt und die Eier auf Unkraut schlüpfen.

Von Mai bis September ernährt sich das Insekt von den Pflanzensäften der Bäume und beißt sich dabei auch in harte Materie. Mit dem Speichel gelangt das Feuerbakterium in die Leitungsbahnen der Pflanze. Dass eine Pflanze befallen ist, erkennt man daran, dass sich nach und nach ein Blatt nach dem anderen gelb verfärbt. Nach ein paar Monaten sind mehrere Triebe oder ein ganzer Ast von vertrockneten Blättern besetzt. Die Früchte fallen von Jahr zu Jahr kleiner aus, der Baum stirbt ab.

Weil es den Zikaden in der Serra de Tramuntana zu kalt ist, bleiben die Olivenbäume dort meistens verschont. In niedrigen Lagen bietet die Macchia unter den Wildoliven den Insekten ganzjährig Unterschlupf. Auch Olivenbäume können dann befallen werden.

Für die Bekämpfung der Zikaden - ihr Gesang ist für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar - hat die EU jetzt chemische Mittel genehmigt. Bei Olivenbäumen und Rebstöcken sind Wirkstoffe erlaubt, die im Öko-Anbau zugelassen sind. Für Mandelbäume steht ein Produkt bereit, das nur in der konventionellen Landwirtschaft erlaubt ist.

Regelmäßige Vergabe von Nährstoffen sowie der jährliche Schnitt beugen Krankheiten und Schädlingsbefall zusätzlich vor.

Der Stressfaktor

Im Sommer 2018 zeigte sich das Laub vieler Mandelbäume auf den Plantagen welk. Die Bäume litten schwer unter der Trockenheit. „Befallen werden in erster Linie gestresste Pflanzen", sagt Juan. Weil 95 Prozent der Mandelbäume noch im konventionellen Anbau en secano wachsen, sind diese am meisten betroffen, es fehlen ihnen die Widerstandskräfte. Wenn die almendros dann noch über 20 Jahre alt sind, so der Mallorquiner, sind die Überlebenschancen gleich null.

Auch denen fehlt es oft an Widerstandskraft, obwohl sie bewässert, gedüngt und jedes Jahr beschnitten werden. Sie sind gestresst, weil im Vergleich zum Blattwerk die Fruchtproduk­tion enorm hoch ist.

Dies zeigte sich auf einer Reise nach Kalifornien. Anfang April war Andreu Juan mit einer 45-köpfigen Delegation aus Landwirten und Politikern auf Plantagen an der Westküste der USA unterwegs. „Dort ist man inzwischen deutlich weiter, was die Erprobung resistenter Sorten angeht", sagt Jordi Sabaté, Biologe am Instituto de Investigación y Tecnología Agroalimentaria in Barcelona und Berater der Balearen-Regierung. Wenn man sich irgendwo abschauen könne, wie man mit dem Erreger umzugehen hat, dann in Kalifornien.

Die Mandelbäume sind dort weitgehend unbeschadet, weil nur Sorten gepflanzt werden, die gegen die Oliven-Ebola resistent sind. Trotz des im Westen der USA herrschenden Wassermangels werden die Plantagen allesamt bewässert. Mandelbäume unter zehn Jahren fällt man dort nach einem Xylella-Befall, ältere Bäume belässt man, weil die Bakterie sich unwesentlich auf die Fruchtbildung und somit auf die Ernte auswirkt.

Neue Sorten

Auf der Fahrt von Palma nach Consell sind die Inselplantagen der Zukunft zu sehen. Von weißen Hüllen geschützt und von Bewässerungsrohren begleitet, wachsen hier vom Ministerium empfohlene Mandelsetzlinge neuer Sorten, wie Ferragnes und Cristomorto, um nur zwei Beispiele zu nennen. Von den alten Sorten wie Vivot oder Menut hat man sich verabschiedet. Auch für Rebstöcke sowie deren Veredelung und Impfungen empfiehlt das Ministerium den Landwirten neue Sorten.

Noch mehr Forschung

Insgesamt sind auf den Balearen bisher Proben von 3.850 Pflanzen analysiert worden, davon waren 950 Exemplare erkrankt. Damit die Zahl der Analysen erhöht werden kann, stellte die Landesregierung jetzt - zusätzlich zu den bereits bewilligten EU-Mitteln - etwas mehr als eine Million Euro aus den Einnahmen der Tourismussteuer bereit.

Damit ist ein Rundumschlag gegen die Xylella fastidiosa geplant. Gemeinsam mit der Balearen- Universität will man die DNA des Erregers sowie dessen Unterarten erforschen. Unter die Lupe kommen sollen auch die übertragenden Insekten. Mit den Geldern werden zudem weitere Drohnenflüge über die Inseln finanziert, die eine Früherkennung, auch bei Wildpflanzen, ermöglichen sollen. Bei neuen Sorten soll die Resistenz gegen die Krankheit überprüft werden.

„Mit dem Feuerbakterium werden wir leben müssen", sagt Andreu Juan. Der Erreger wäre ursprünglich aus Amerika eingeschleppt worden, wahrscheinlich breitete er sich schon seit 30 Jahren auf den Inseln und im Mittelmeerraum aus.

Analysen von befallenen Blättern oder Trieben sind mit einem Antrag (Sol·licitud de ­Diagnòstic) bei Sanidad Vegetal, Carrer ­Eusebi Estada, 14, 07009 Palma abzugeben. Der Befall mehrerer Bäume muss in ­getrennten Zip-Tüten abgeliefert werden.