Die Schlagzeilen könnten kaum dramatischer ausfallen: „Alarm auf Mallorca", heißt es, und es ist die Rede von der „bedrohten Urlaubsinsel" sowie „leeren Stränden". „Wo sind all die Touristen?", fragt die Hamburger Morgenpost, und der „Express": „Will keiner mehr nach Malle?" Die erstarkte Türkei, die verschärften Benimmregeln in Palma, Touristensteuer, Brexit und schönes Wetter in Deutschland scheinen sich zu einem tödlichen Mix für Mallorcas Tourismusbranche zu verdichten. Vorausgegangen war ein Bericht der deutschen Presse-Agentur (dpa), in dem besorgte Hoteliers, die Zeitung „Última Hora" sowie Oppositionspolitiker zitiert werden und der praktisch in allen deutschen Zeitungen erschien - wobei der eine oder andere Redakteur den Titel noch zuspitzte.

Ist die Lage dramatisch? Die Vorsitzende von Mallorcas Hoteliersvereinigung (FEHM), Maria Frontera, war entgegen einer anfänglichen Zusage für die MZ bis Redaktionsschluss nicht ans Telefon zu bekommen. In einer schriftlichen Stellungnahme windet sie sich um konkrete Aussagen: „Man darf nicht vergessen, dass Mallorca für Briten und Deutsche das Urlaubsziel Nummer eins bleibt, außerdem sind Last-Minute-Buchungen immer wichtiger geworden." Man müsse abwarten, wie sich die Buchungszahlen entwickeln.

Es sei verständlich, dass sich die Hoteliers um ihre Geschäfte sorgen, meint eine Sprecherin des balearischen Tourismusministeriums. Aber auch sie verweist auf das veränderte Buchungsverhalten. Zum einen reservierten die Besucher ihren Sommerurlaub nicht mehr fünf Monate im Voraus, zum anderen nutzten nicht mehr alle die großen Reiseveranstalter, sondern organisierten sich ihre Ferien auf eigene Faust im Internet. Und eine große Unbekannte sei die Ferienvermietung - für die 90.000 Betten in legalen Ferienhäusern und Wohnungen gibt es nun mal keine Vorschau.

Klar ist: Nachdem die Zahlen der ausländischen Besucher auf den Balearen bis einschließlich April mit 10,3 Prozent im Plus liegen, dürften die bisherigen Rekorde diesen Hochsommer passé sein. Die offizielle Vorschau der Kapazität der Flugverbindungen, die auch das Tourismusministerium als Quelle heranzieht, geht von einem Rückgang der Passagierzahlen von 3,2 Prozent in den Monaten Juli bis September aus - wobei der deutsche Markt mit einem Minus von 6,6 Prozent mit am deutlichsten nachlässt.

„Nach Jahren der Rekordwerte bewerten wir den minimalen Rückgang der Flugkapazitäten für diesen Hochsommer eher als Normalisierung und sehen bisher keinen Grund zur Beunruhigung", erklärt die balearische Tourismusministerin auf MZ-Anfrage. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass viele der Urlauber in den vergangenen Jahren nur ,geliehen' waren und bei einem Wiedererstarken der Mitbewerber wieder nach Nordafrika oder ins östliche Mittelmeer zurückkehren würden." Dieser Fall sei nun eingetreten, und „wir freuen uns für diese Länder, dass endlich wieder Normalität herrscht". Ohnehin könne und wolle man nicht mit den dort gebotenen Preisen mithalten, sondern setze auf ein hochwertiges Angebot, das eben seinen Preis habe.

Andere Faktoren, die in den Berichten zur Lage auf Mallorca zitiert werden, lässt das Ministerium nicht gelten, etwa den Brexit - die Zahl der Briten nehme sogar zu. Die Touristensteuer habe ebenfalls keine abschreckende Wirkung, und der Ärger um Benimmregeln und Kleinkriminelle an der Playa de Palma sei ein lokales Phänomen, das sich nicht verallgemeinern lasse.

Streng genommen würde das Ziel der Landesregierung, die Urlauberzahl besser übers Jahr zu verteilen, ohnehin einen Rückgang in der Hochsaison bedeuten. Wie viel Minus wäre also in Ordnung? Da lässt man sich im Ministerium nicht festnageln: Es gebe keine quantitativen Vorgaben für den Sommer.