Die 20 Seenotretter der Nichtregierungsorganisation (NGO) Sea-Eye sitzen am Samstag (13.7.) im Schatten des Kreuzfahrtschiffs „Aida Perla" auf einem Bordstein im Hafen von Palma und gönnen sich ein Eis am Stiel. Ein Tankwagen pumpt Schiffsdiesel in den Bauch der „Alan Kurdi", die vor wenigen Stunden angelegt hat. Drei Wochen lang war die Mannschaft auf See. Vor der Küste Libyens hat sie 65 Menschen von einem Schlauchboot gerettet - die meisten davon Minderjährige aus Somalia - und nach Malta gebracht, wo ein Marineboot sie in Empfang nahm. Zwei Tage später stieß die „Alan Kurdi" auf 44 Menschen in Seenot, die sie ebenfalls nach Malta brachte. Sea-Eye-Vorstand Gorden Isler war als Einsatzleiter an Bord.

Wo hat Ihre Mission begonnen?

Gestartet sind wir nördlich von Valencia. Wir haben in Palma kurz Proviant an Bord geholt und sind dann Richtung libysche Küste. Wir sind zu der Zeit angekommen, als Carola Rackete mit 40 Flüchtlingen an Bord der „Sea-Watch 3" vor Lampedusa lag und sich überlegte, fahre ich da jetzt rein oder nicht ...

Sie ist bekanntlich reingefahren. War es die richtige Entscheidung?

Sie hatte keine andere Wahl. Die italienische Regierung lässt es zurzeit so weit kommen, dass Seenotretter so verzweifelt sind, dass sie den Hafen trotz Verbot anlaufen müssen. Anschließend heißt es dann, dass sich die NGOs nicht an Verbote halten.

Durch den Fall ist die Aufmerksamkeit in Deutschland enorm gestiegen.

Für mich ist Carola Rackete vergleichbar mit Greta Thunberg. Greta hat den Klimawandel in das Bewusstsein der Leute geholt, und Carola Rackete hat mit ihrem Mut ganz viele Leute in Deutschland aufgeweckt. Sie haben gesehen, dass eine junge Frau vom italienischen Innenminister Matteo Salvini aufs Übelste persönlich attackiert wird. Und wofür? Dass sie das einzig Richtige tut.

Malta hat die von der „Alan Kurdi" Geretteten diesmal überraschend bereitwillig aufgenommen.

Zu unserem Erstaunen und zu unserer großen Freude waren die deutsche Bundesregierung und die Europäische Kommission bei den Verhandlungen mit Malta schon ziemlich weit vorangekommen. Wir sind da angekommen, und die Leute wurden gleich abgeholt. Da war ich verblüfft, obwohl das ja eigentlich normal sein sollte.

In welchem Zustand waren die Geretteten?

Sie hatten heftige Sonnenbrände, rochen nach Urin. Es gab aber keine Schwerverletzten. An Bord des einen Bootes war auch eine Familie aus Syrien mit einem Baby und einem dreijährigen Jungen. Das war für uns ein besonderer Moment. Schließlich ist die „Alan Kurdi" nach einem dreijährigen Jungen aus Syrien benannt, der die Flucht nicht überlebt hat.

Wird Deutschland eine aktivere Rolle bei der Flüchtlingsverteilung übernehmen?

Das könnte sein, Außenminister Heiko Maas und sogar Horst Seehofer haben den Eindruck erweckt, dass sie zusammenstehen und dass Deutschland eine Führungsrolle in Europa übernehmen wird. Es geht darum, eine Achse der Willigen aufzustellen. Selbst wenn nicht alle in der EU bei der Suche nach einem Verteilungsschlüssel mitziehen, brauchen wir dringend eine Einigung.

Der Satiriker Jan Böhmermann und der Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf haben eine Million Euro gesammelt, die auf die NGOs aufgeteilt werden sollen. Freuen Sie sich?

Ich habe davon gehört. Erst einmal sollen davon die drohenden Prozesskosten von Carola Rackete bezahlt werden. Spenden sind sehr wichtig für uns, ohne sie können wir nicht helfen. Eine Rettungsmission mit der „Alan Kurdi" kostet 60.000 Euro, wenn wir vier Wochen unterwegs sind.

Wie lange bleibt die „Alan Kurdi" in Palma?

Am 23. oder 24.7. geht es zurück zur libyschen Küste. Dort werden wir gebraucht.

Spenden für Sea-EyeVolksbank Regensburg, IBAN: DE60 7509 0000 0000 0798 98 BIC: GENODEF1R01