Nicht selten kann es nach einem Essen in einem Restaurant auf Mallorca zu ahnungslosen Gesichtern oder gar Streit kommen. Muss ich jetzt Trinkgeld geben? Und wenn ja, wie viel? Das sind beliebte Fragen von Urlaubern und noch nicht so langjährigen Mallorca-Residenten. Machen Sie sich mal den Spaß, und gehen Sie mit einem Spanier essen. Der wird verdutzt gucken, wenn Sie die in Deutschland üblichen zehn Prozent auf dem kleinen Teller mit der Rechnung liegen lassen. „Spanier geben meist um die zwei Prozent", sagt Alfonso Robledo vom mallorquinischen Gastronomieverband. „Eine Regel ist das auf Mallorca aber nicht. Wenn man mit dem Essen und dem Kellner zufrieden ist, darf man gerne mehr dalassen."

Thorben Müller (Name von der Redaktion geändert) ist erzürnt. Der Oberkellner aus einem Restaurant im Südosten wendet sich an die MZ. „Es gab Zeiten, da wurde gute Qualität für Service und Küche auch belohnt. Aber nun sieht es schon seit Jahren sehr dürftig aus." Die schlechte Trinkgeldsituation sei auf der ganzen Insel gleich. Unabhängig von den Nationalitäten würden nun auch die Urlauber weniger geben. „Wenn überhaupt, sind es noch fünf Prozent", so Müller. Das wirke sich auf die Motivation der Kellner aus. „In unserer Branche müssen wir individuell auf die Wünsche der Kunden eingehen. Warum kann man für ein Ausgeherlebnis den Service dann nicht mit einem ordentlichen Trinkgeld belohnen? Zumal ein Urlauber doch gut drauf sein müsste und der Geldbeutel etwas lockerer sitzt."

Franzosen, Spanier und Briten knauserig

Thorben Müller hat fast schon soziologische Studien angestellt. „Franzosen, Spanier und Briten geben so gut wie kein Trinkgeld. Auch bei den Deutschen gibt es Unterschiede. Finca-Urlauber geben mehr als Pauschaltouristen, Leute, die schon immer Geld hatten, geben mehr als Neureiche. Erstaunlich ist auch, dass selbst Kellner, wenn sie ausgehen, nur ein schlechtes Trinkgeld geben", sagt er. Die Höhe des Trinkgeldes hänge zudem von der Art des Etablissements ab. „Ich bin froh, wenn ich im Monat zwischen 200 und 400 Euro bekomme", sagt Thorben Müller. Das Zubrot sei auch deswegen notwendig, weil viele Arbeitgeber ihren Angestellten damit die niedrigen Gehälter erklären.

„Die Trinkgeldkultur in Spanien ist trist", pflichtet ihm Helmut Clemens von der Restaurantkette Es Rebost bei. Dass sich allerdings etwas in den vergangenen Jahren verändert hat, kann er nicht bestätigen. „Bei uns ist das Gehalt außerdem unabhängig vom Trinkgeld geregelt. Schließlich gibt es einen Mindestlohn." So sieht es auch Alfonso Robledo. „1.300 Euro ist das Minimum. Mit diesem Tarif haben wir den höchsten spanienweit." Zudem gehe es nicht allen Kellnern schlecht. „In einigen Restaurants an der Küste haben die Kellner einen eigenen Tresor für das Trinkgeld. Das ist manchmal höher als das Gehalt." Im Gegensatz zu Deutschland muss das Trinkgeld übrigens von den Kellnern in Spanien in der Steuererklärung angegeben werden.

Deutsche fühlen sich moralisch verpflichtet

Die Deutschen fühlen sich oft moralisch verpflichtet, ein Trinkgeld zu geben. Selbst wenn sie nicht gänzlich zufrieden mit dem Essen waren. „Diese moralische Verpflichtung fühlen die Spanier nicht", sagt Robledo. So gibt man in Spanien dem Kellner auch nicht das Trinkgeld direkt. „Das stimmt so" ist hier unbekannt. Wer etwas geben möchte, lässt das Geld beim Gehen auf dem Tisch zurück.

Auch Taxifahrer und Lieferdienstkuriere freuen sich über ein Trinkgeld. Die Erwartungen sind auf Mallorca aber eher gering. „Es stellt jetzt keinen Teil unseres Gehalts dar", sagt Taxifahrer Pau Arias. Wie im Restaurant geben die Spanier wenig, die Deutschen mehr. „Im Durchschnitt sind es 2 Euro. Es ist oft abhängig vom Service, den man ihnen bietet." Viele Taxifahrer nutzen das Trinkgeld als Bonus. „Manche sparen es, um sich etwas Schönes zu kaufen. Ich gehe einmal im Monat mit der Familie essen. Je nach den Einnahmen ist das Essen manchmal besser, manchmal schlechter", sagt Pau Arias.

So ist das bei den Lieferdiensten

Fast schon abhängig von den Trinkgeldern sind die Boten der Lieferdienste. Lediglich 2 Euro verdient ein Fahrer von Glovo pro Lieferung. Hinzu kommen 35 Cent pro gefahrenen Kilometer. Das Fahrzeug und die gelbe Lieferbox muss der Fahrer selbst bezahlen. Ohne Trinkgeld bleibt da nicht viel übrig. „Wie Sie möchten", heißt es auf der Website des Unternehmens auf die Frage, ob man dem Lieferanten ein Trinkgeld geben muss. „Den Fahrern steht es frei, das Geld anzunehmen. Sie werden aber nie welches fordern."