Am Strand von S'Illot im Osten von Mallorca ist am Donnerstagvormittag (20.6.) schon einiges los. Viele Liegen sind belegt, auch im Sand haben sich Urlauber breitgemacht. Es sind vor allem Familien und Rentnerpaare, die sich hier die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Der Wellengang ist heute ruhig, die grüne Flagge am Turm der Rettungsschwimmer hängt an dem windstillen Morgen lahm herunter. Trotzdem ist Rettungsschwimmer Matías auf der Hut. „Auch wenn man es auf den ersten Blick kaum glauben mag, aber es ist nicht ungefährlich, hier baden zu gehen", sagt er. Der Grund: Die Badebucht ist voll von Unrat, der bei der Überschwemmungskatastrophe am 9. Oktober von Sant Llorenç aus über Son Carrió bis ins Meer bei S'Illot gespült wurde. Denn hier mündet der Sturzbach Torrent de Ca n'Amer in die See, der vor gut acht Monaten zur reißenden Todesfalle wurde.

„Ich kann mich noch gut erinnern", berichtet Rettungsschwimmer Matías. Er selbst wohne in einer Wohnung direkt neben dem Torrent. Heute liegt der Zufluss still und friedlich da, ein paar Enten schwimmen darauf herum, freuen sich, wenn Familien ihnen Brotkrumen zuwerfen. „Die Wohnungen im Erdgeschoss meines Wohngebäudes waren damals komplett vollgelaufen mit braunem Schlammwasser", erzählt Matías. Seine eigene, höher gelegene sei unberührt geblieben. „Ich bin erst rausgelaufen, um ein paar Sonnenliegen vor den Wassermassen zu retten, aber habe es dann schnell gelassen und mich selbst in Sicherheit gebracht", so der Argentinier. Autos, Fahrräder, Möbel, Bäume - er habe so einiges vorbeischwimmen sehen an jenem 9. Oktober. „Und vieles davon liegt noch immer im Meer." Zwar seien kurz nach der Katastrophe die meisten Autowracks durch Profis aus der Bucht gehoben worden. „Aber wir wissen sicher von einem weiteren, das etwa 600 Meter meereinwärts auf dem Grund liegt." Ganz zu schweigen von kleineren Teilen. Jenen, die sich in Kinderfüße bohren und böse Verletzungen hervorrufen können.

„Es ist höchst gefährlich, derzeit in S'Illot baden zu gehen", sagt auch José Antonio Montoya. Der Physiotherapeut hat ein Haus ganz in der Nähe des Strands und rief vor ein paar Wochen eine Nachbarschaftsinitiative ins Leben. „Ich konnte es nicht mehr mit ansehen, wie immer mehr Urlauber zum Baden kommen, und keine öffentliche Stelle etwas für die Reinigung des Meeresgrunds in der Bucht unternimmt", berichtet er. Stets an den Wochenenden packt er deshalb selbst an und hat über die sozialen Medien zur Mithilfe aufgerufen. Rund 25 weitere Anwohner haben sich ihm angeschlossen. Bäume, Fahrräder, zahlreiche kaputte Fliesen, Eisenteile, Glasscherben, Autoreifen, Kleidung, Decken und sogar ein Metallbett haben sie bereits an Land gezogen. „An einigen Stellen konnten wir schon ganz gut etwas wegschaffen, andere Stellen sind aber schwer zugänglich und gefährlich für uns Freiwillige", berichtet er. Ganz zu schweigen von den tieferen Stellen. „Da geht es nicht ohne professionelle Taucher."

Eine Tauchschule im Ort habe sich bereiterklärt, zu helfen. „Allerdings müssen wir die Kosten für die Aufwandsentschädigung von rund 400 Euro stemmen", so Montoya. Immerhin stimme der Gemeinschaftsgeist im ­kleinen Küstenort: Das Restaurant Es Mollet habe bereits mehrere solidarische Paella-Essen ver­anstaltet, um Geld zu sammeln. „Und sogar ein paar Urlauber packen stets mit an, wenn sie sehen, wie wir aufräumen. Aber das ist doch traurig, schließlich zahlen sie Touristensteuer und sollten eigentlich darauf zählen können, dass die Badezonen auch sicher sind", findet Montoya.

Mehrmals habe er bereits mit dem zuständigen Rathaus von Manacor Kontakt aufgenommen. „Dort heißt es nur, dass wegen der Wahlen noch kein zuständiger Dezernent bestimmt worden ist, der sich verantwortlich fühlt", so Montoya. Und auch von der von Madrid geführten Küstenbehörde ist er enttäuscht. „Bekannte von mir sind Freizeitfischer und haben versucht, eigenständig mit ihren Booten Unrat aus dem Meer zu fischen. Dann kamen die Ordnungshüter und haben es ihnen untersagt. Wie kann so etwas sein?" Wenigstens stehe die Firma den Anwohnern bei, die für den Liegenverleih, die Badeaufsicht und die Sauberkeit am Strand die Verantwortung trägt. „Wenn wir den Unrat aus dem Wasser ziehen und auf dem Sand aufhäufen, entsorgen sie ihn mit ihrem Traktor."

„Das Problem ist, dass mit jedem Sturm oder Gewitter alles wieder neu durchmischt wird", berichtet Rettungsschwimmer Matías. Einige Schrottteile würden durch besonders unruhigen Seegang am Grund von Sand bedeckt, andere erst an die Oberfläche und dann wieder in Strandnähe gespült. „Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns", bestätigt Montoya.

Dass noch niemand der Badegäste ernsthaft verletzt wurde, grenzt für ihn an ein Wunder. „Die Leute merken schnell, dass man hier aufpassen muss", so Rettungsschwimmer Matías. In vielen Hotels würden die Gäste vorgewarnt, einige kämen bereits mit speziellen Wasserschuhen zum Strand, andere bevorzugten dann aber ab dem zweiten Tag doch den nahe gelegenen Strand von Sa Coma, wo der feine Sand frei ist von spitzen Gegenständen.

„Wir haben gleich beim ersten Badegang festgestellt, dass man hier barfuß besser nicht einfach so ins Meer rennen sollte", so Rentnerin Gudrun Schulte. Mit ihrem Mann Heinz fährt sie seit Jahrzehnten jedes Jahr im Juni nach S'Illot - und will sich das auch durch den Unrat nicht vermiesen lassen. „Wir passen halt besonders auf", sagt sie. „Und ein paar fiese Scherben haben wir auch schon aufgesammelt."

Anwohner säubern bei ruhigem Wellengang immer samstags und sonntags von 9 bis 12 Uhr. Infos: https://www.facebook.com/groups/239600106240259/