In seinen rund 50 Jahren als Autohändler im Import und Export hat Wilfried Kipka schon viel gesehen. „Aber so eine Abzocke, so sauber durchgezogen, das habe ich noch nie erlebt", sagt der 74-Jährige aus Hamm (Westfalen). Noch immer sorgen einige der zehn Fiat 500, die er im Juli 2017 von der mallorquinischen Firma Autoclick erworben und an Autohäuser weiterverkauft hatte, für Ärger. Die Fahrzeuge - sowie viele weitere Pkw, die Händler unter anderem in Deutschland importierten - sind in der Internationalen Sachfahndung SIS ausgeschrieben und können zumindest theoretisch bei Kontrollen sichergestellt werden. Heikel: Die meisten Pkw sind längst an Endkunden verkauft, von denen die meisten nichts über den Fall Autoclick wissen dürften.

Der Fall Autoclick, das ist ein mutmaßlicher Millionenbetrug der drei Teilhaber einer gleichnamigen Mietwagenfirma, nach denen international gefahndet wird. Die Geschwister sollen mehr als 3.000 Autos verkauft haben, die sich die Firma mit Sitz in Llucmajor nur einige Jahre geleast hatte. Nach Informationen des „Diario de Mallorca" treten in dem Verfahren inzwischen mehr als 50 Geschädigte auf, darunter sowohl die eigentlichen Besitzer der weiterverkauften Wagen wie auch die Händler, die die Fahrzeuge ohne die nötigen Papiere erhielten. Die Autoclick-Gruppe war mit Büros in sieben Ländern vertreten und hat zwischenzeitlich Insolvenz angemeldet, der Gesamtschaden soll sich auf mehr als 50 Millionen Euro belaufen.

Kipka erhielt im Juni 2017 über eine Online-Handelsplattform ein Angebot für Pkw - attraktiv, aber nicht auffällig günstig. Er schlug zu und bekam die Fiats einen Monat später geliefert. Sie gingen in den Verkauf. Das Problem: „Die Papiere über die endgültige Abmeldung in Spanien, die man uns zugesagt hatte, sind nie gekommen." Eine Anfrage bei den spanischen Behörden habe schließlich ergeben, dass die Fahrzeuge auf eine ganz andere Firma zugelassen waren. „Da wurde uns erst bewusst, dass etwas nicht in Ordnung ist."

Bis sich die Maschinerie der Ermittlungsbehörden in Gang setzte, hatten viele Pkw längst deutsche Papiere und waren zum Teil verkauft. Kipka berichtet, dass die Händler erst Anfang 2018 einen Brief von der Zulassungsstelle bekamen, wonach die Fahrzeuge umgehend abzumelden seien. Schließlich wurde die Polizei bei Autohäusern vorstellig, stellte Pkw sicher und nahm Personen fest, wenn auch nur kurzzeitig. „Ein Lehrmädchen bekam den Schreck ihres Lebens", so Kipka.

Missliche Situation

Unter anderem die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth eröffnete in dem Fall ein Vorermittlungsverfahren. Sie gab ein sichergestelltes Fahrzeug aber schließlich wieder an den Händler zurück, nachdem kein Rechtshilfeersuchen der spanischen Behörden eingegangen sei, wie es zur Begründung im Oktober 2018 hieß. Die Rückgabe sei aber nicht mit einer Klärung der Rechtslage zu verwechseln, bekam der betroffene Händler zu hören: „Unter Umständen werden seitens des (ursprünglichen) Fahrzeugeigentümers Ansprüche gegen Sie geltend gemacht werden."

Eine solche Rückgabe sei ein durchaus übliches Verfahren, erklärt Oberstaatsanwältin und Pressesprecherin Antje Gabriels-Gorsolke gegenüber der MZ. Solange das Fahrzeug weiter in der Fahndungsliste aufgeführt werde, könne es theoretisch erneut sichergestellt werden. Schwierigkeiten könne es insbesondere bei der Fahrt ins Ausland geben, wo vorhandene deutsche Unterlagen nicht anerkannt oder gelesen werden können. Eine „missliche Situation" für die Besitzer der Pkw, so Gabriels-Gorsolke: „Sie hängen in der Luft."

Auch das Bundeskriminalamt kann da nicht weiterhelfen. Man sei „in dem beschriebenen Sachverhalt im Rahmen der Zentralstellenfunktion eingebunden", erklärt eine Sprecherin auf MZ-Anfrage. Anders gesagt: Die Einträge werden quasi nur weitergeleitet, um in das zentrale Verkehrs-Informationssystem eingespielt zu werden. Da eine spanische Behörde den Suchvermerk einstellte, muss diese auch wieder die Löschung beantragen.

Die Lage sei sehr intransparent, kritisiert Kipka, man erhalte nur schwer Auskunft, die Behörden schöben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Und schließlich bekam auch er Ärger mit der Justiz: Das Landgericht Dortmund entschied im Juni dieses Jahres, dass er drei Fahrzeuge von einem Autohaus zurücknehmen müsse - wegen „Mangels", wie es offiziell hieß. Aber was solle er mit den Fahrzeugen, so der Händler. Angesichts der Situation könne er sie schlecht erneut verkaufen. „Soll ich daraus etwa ein automobiles Kunstwerk machen oder Blumen daraufstellen?"