Abdou Lahad Niane liegt noch im Bett, als die MZ wie vereinbart um 11 Uhr an der Tür seiner Wohnung in Magaluf klingelt. Dabei hat er die Nacht nicht gearbeitet und auch nicht gefeiert. Der 30-Jährige ist der Anführer einer senegalesischen Bürgerwehr, die nachts gegen kriminelle Landsleute vorgeht. „Einige von uns sind Arschlöcher", sagt er nach der Morgentoilette. „Sie ziehen unsere Gemeinschaft in den Schmutz. Doch damit ist nun Schluss. Wir werden sie aus Magaluf vertreiben. Dafür gehen wir jede Nacht auf die Straße, bis sie weg sind." Und dabei geht es nicht immer friedlich zu.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Bürger gegen die Kriminalität in der britischen Urlauberhochburg zur Wehr setzen. Bereits in der vergangenen Saison berichtete die MZ über britische Geschäftsleute und Residenten, die mit der Gruppe „Cleaning up Magaluf" und nicht ganz lauteren Methoden im Ort aufräumen wollten. Nach einer Sperre durch Facebook ist diese Gruppe nun wieder aktiv.

Während die Briten in erster Linie gegen häufig nigerianische Straßenprostituierte vorgehen, die gerne mal betrunkene Urlauber ausrauben, geht es den Senegalesen hauptsächlich um ihren Ruf. Vergangene Woche gingen sie dafür auch auf die Straße und demonstrierten auf der Avinguda Magaluf . „Wir kämpfen gegen Diebstähle und gewalttätige Überfälle", lautete das Motto der Kundgebung des Ortsverbandes der Senegalesen von Calvià.

Abdou Lahad Niane ist ihr Sprecher. Der dreifache Familienvater zog 2003 von Las Palmas nach Mallorca. Er spricht fließend Spanisch und verdient den Unterhalt für seine Familie in einem Restaurant. Wie den 30-Jährigen gebe es etwa 100 weitere Senegalesen, die in Calvià einer geregelten Arbeit nachgehen, sagt Niane. Er arbeitet hart und will sich mit dem Geld ein Haus in seiner Heimat bauen, wohin er eines Tages zurück möchte.

Seit etwa drei Jahren hätten sich die Zustände in Magaluf verschlimmert, sagt er. „Früher gab es nur vereinzelt Taschendiebe in den Diskotheken. Die waren wie normale Gäste angezogen und niemand hat gemerkt, wenn er bestohlen wurde." Man konnte sie keinem Land zuordnen. „Heute hingegen stehen einige Senegalesen mitten auf der Straße und attackieren und bestehlen betrunkene Urlauber. Das beschmutzt unser Image", sagt Niane.

Der 30-Jährige gibt den Urlaubern keine Schuld, wenn sie beim Anblick eines Afrikaners fest ihre Taschen umschlingen. „Die Touristen können die Senegalesen nicht unterscheiden", sagt er. Oft komme es zu Verwechslungen. „Manchmal sagen die Diebe den Opfern selbst: Der da hat dich ausgeraubt. Dann zeigen sie auf uns, und die Urlauber greifen uns an. Jeden Tag werden wir dadurch in Schlägereien verwickelt, für die wir nichts können." Auch die Polizei habe bereits einen seiner Freunde in U-Haft gesteckt, weil sie ihn mit einem Dieb verwechselt haben. „Er kam gerade von der Arbeit und wollte einen Kumpel besuchen. Wir können kaum mehr auf die Straße gehen, ohne als Diebe bezeichnet zu werden."

Die Senegalesen von Calvià kennen sich untereinander. „Wir wissen, wer die Diebe sind. Das sind oft junge Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Einige tarnen sich als Straßenhändler, andere machen sich nicht mal dafür die Mühe. Die Gauner sind zu faul, um einer richtigen Arbeit nachzugehen. Aber im Klauen sind sie Profis", sagt Niane. Etwa ab 3 Uhr - „tagsüber braucht man sich keine Sorgen machen" - stünden sie an der Feiermeile Punta Ballena in Richtung der Diskothek The Office. Der Diebstahl an sich geht blitzschnell. Abdou Lahad Niane hat mehrere Videos auf seinem Handy, auf denen zu sehen ist, wie den Touristen das Smartphone oder der Geldbeutel aus den Hosentaschen gezogen wird. „Manche schlagen die Opfer vorher auch k.o."

Der 30-Jährige schätzt, dass die Diebe an die 1.000 Euro pro Nacht verdienen. „Sie klauen zehn Handys und verkaufen sie auf dem Schwarzmarkt. Der Chinese kauft alles." Nach drei Monaten hätten die Diebe für das Jahr ausgesorgt. „Dann kaufen sie sich ein Auto für 20.000 Euro und fahren damit in ihrem Heimatdorf rum. Das sorgt für Neid - im Jahr darauf kommen noch mehr Gauner auf die Insel."

Viele Senegalesen sind Muslime. Abdou ­Lahad Niane suchte bei dem für die Insel zuständigen Imam Rat. „Er sagte, wir sollen uns an die Behörden wenden." Niane und seine Mitstreiter sprachen mit dem Bürgermeister von Calvià und der Polizei. Das Ergebnis war entmutigend. „Die Polizisten können nichts unternehmen. Sie brauchen den Dieb, das Opfer und das Diebesgut, um eine Person festzunehmen. Zudem handelt es sich in den meisten Fällen um kleine Diebstähle, die kaum bestraft werden. Schnappt die Polizei mal einen Gauner, steht der kurze Zeit später wieder auf der Straße."

Also zog Niane mit 30 anderen Senegalesen in der Nacht nach der Demonstration los, um selbst für Ordnung zu sorgen. „Im Senegal warten wir auch nicht auf die Polizei. Da greifen wir mit harter Hand durch. Das ist nötig." Nicht alle Diebe ließen sich so einfach wegschicken. „In der ersten Nacht haben sich sechs Leute widersetzt. Wir wussten uns zu wehren." Eine Schlägerei brach aus, die Polizei ging dazwischen und nahm vier Männer aus dem Freundeskreis von Abdou Lahad Niane fest. „Die Kontrolle des friedlichen Zusammenlebens und der Bestrafung von Vergehen obliegt einzig den Sicherheitskräften des Staates und der Ortspolizei", stellte das Rathaus Calvià Tage später in einer Pressemitteilung fest.

Niane sieht die Playa de Palma als Vorbild. „Dort haben die Senegalesen vor ein paar Jahren schon die Diebe verscheucht. Heute trauen sich die Kriminellen nicht mehr nach Arenal." Die Straßenhändler, die im deutschen Urlaubergebiet, mit ihrem teils aufdringlichen Angeboten hin und wieder die Touristen nerven, hält Niane für friedlich. „Einige sind zu alt zum Arbeiten, andere haben keine Aufenthaltsgenehmigung. Das sind aber ruhige Leute, die nur überleben wollen. Sie verdienen gerade mal 15 bis 20 Euro am Tag."

Sollte die Selbstjustiz nicht funktionieren, hat Niane noch einen Plan B . „Wir machen Fotos und Videos der Diebe und schneiden daraus einen Film. Die Eltern der Gauner sind zwar froh über das Geld, das sie bekommen. Aber sie wissen nicht, was ihre Söhne auf Mallorca treiben. Wenn sie das sehen, werden die Diebe von der Familie verstoßen."