Internationaler Besuch beim Roten Blitz: Eine Delegation der Europäischen Föderation der Museums- und Touristikbahnen (Fedecrail) hat sich Ende vergangener Woche den zwischen Palma und Sóller verkehrenden Bummelzug angeschaut. Die gastgebende Eisenbahngesellschaft Tren de Sóller, die gerade ein Übernahmeangebot von Investoren erfolgreich abwehrte, hat bei dieser Gelegenheit gleich einen Mitgliedsantrag gestellt. Unter den Gästen war auch der Deutsche Heimo Echensperger. Der 58-jährige Ingenieur, der bei der Telekom in der Produktentwicklung arbeitet, ist ehrenamtlicher Vizepräsident bei Fedecrail.

Wie lief der Erstkontakt ab?

Hervorragend. Die Kollegen beim Tren de Sóller gaben sich viel Mühe, ihre Eisenbahn und ihren Beitrag für den Tourismus vorzustellen.

Ihrer Vereinigung gehören inzwischen 650 Züge in 27 Ländern an. Sie dürften nicht so leicht zu beeindrucken sein, oder?

Jein. Es ist beeindruckend, eine Bahn zu sehen, die rundherum funktioniert. Es gibt nicht viele Bahnen in Europa, die auf eine Million Fahrgäste im Jahr kommen, wenn man mal die Gebirgsbahnen außen vor lässt. Beeindruckend finde ich auch, wie diese Bahn gerade in Sóller in die Ortschaften integriert ist - indem man die alten Bahnhofsgebäude und das Äußere des Zugs bewahrt hat. Das ergibt ein stimmiges Bild, ganz ohne Disneyland-Effekt, also ohne die Historie erst erfinden zu müssen.

Wobei beim näheren Blick auf den Roten Blitz durchaus moderne Dinge auffallen, etwa LED-Leuchten in den Scheinwerfern?...

Es kommt darauf an, was man sein will. Wir sind ein Verband der Museums- und Touristikbahnen. Die Abgrenzung ist immer schwierig. Ein Museum, das nicht touristisch ist, hat keine Besucher und verfehlt damit den Zweck der Vermittlung. Ich sehe den Sóller-Zug als touristische Bahn in historischem Umfeld und mit historischen Fahrzeugen. Im Fall der Straßenbahn nach Port de Sóller hat man auch Waggons aus Lissabon gekauft und umgebaut - was soll man auch machen, wenn es nur zwei Original-Trams gab und man nun viel mehr Fahrgäste hat, als diese befördern können? Die Lösung finde ich stimmiger als den Einsatz von Neubaufahrzeugen.

Man darf also auf moderne Technik setzen, solange die Optik stimmt?

Die LED in dem großen, alten Scheinwerfer erzeugt ja auch nur Licht. Und streng genommen hatten die Fahrzeuge anfangs Gasbeleuchtung. So etwas muss man dann auch warten können, und es fällt nur wenigen auf. Ich kenne keine museale Bahn im strengen Sinn, die eine Million Fahrzeuge transportiert.

Wenn man nun die Authentizität nicht so streng auslegt - was spricht dann dagegen, die Bahn barrierefrei zu machen, wie es die Landesregierung fordert?

Das würde massive Eingriffe bedeuten. Die EU steht zwar einerseits für die Gleichstellungsrichtlinie. Andererseits sind historische und touristische Angebote wie Museumsbahnen ausgenommen. Würde das auf Mallorca so angewendet, würde sich das Problem auch nicht stellen. Die Landesregierung fasst das aber offenbar im Rahmen ihrer Zuständigkeit enger.

Die Landesregierung vergibt nun einmal die Konzession für den privaten Betrieb.

Aber wie soll diese Barrierefreiheit möglich sein? Wenn Fahrgäste im Rollstuhl ebenerdig in die Waggons wie in eine U-Bahn hineinrollen können, hätte man Bahnsteighöhen, die infolge ihrer fehlenden Breite für die anderen Fahrgäste gefährlich wären. Man könnte natürlich die ganze Bahnanlage umbauen. Aber das wäre nicht nur sehr teuer, sondern auch ein schwerer Eingriff in das Erscheinungsbild und kaum mit dem Denkmalschutz vereinbar. Es baut ja auch keiner den Prado in Madrid vollständig behindertengerecht um.

Was also tun?

Die Kollegen haben mir erklärt, dass bislang kein Fahrgast mit Behinderung zurückgelassen worden sei. Auch in den ICE in Deutschland können Rollstuhlfahrer nicht ohne fremde Hilfe einsteigen. Es gibt dort Hubbühnen nach Voranmeldung. Dieser Weg wäre auch für den Tren de Sóller angemessen. Eine ideale Lösung wären die ehemaligen Halbgepäck­wagen - hier könnte man historisch unauffällig den Einstieg ermöglichen und den Wagen so modifizieren, dass der Behinderte anschließend im Fahrgastraum mitfährt. Aber so etwas geht man natürlich nur an, wenn man auch weiß, dass der Gesetzgeber anschließend eine solche Lösung akzeptiert.

Manche Fahrgäste beschweren sich über die Preise - speziell der Tarif von 7 Euro für die Straßenbahn wird als zu teuer kritisiert.

Die Preise sind nicht im unterem Segment von solchen Bahnen zu verorten. Das ist nicht billig, aber durchaus ein typischer Preis für touristische Bahnen. Es ist auch eine Frage der Abwägung. Wenn ich mir anschaue, wie voll die Züge nach Sóller und Port de Sóller jetzt im Oktober noch waren, frage ich mich, wie es im Sommer aussieht. Die eleganteste Methode der Regulierung ist letztendlich der Preis.

Das Treffen stand im Zeichen des Erfahrungsaustauschs. Welche Erkenntnisse haben Sie von Mallorca mitgenommen?

Diese Bahn sollte man gesehen haben, wenn man sich mit der Branche beschäftigt. Mich beeindruckt nicht zuletzt der finanzielle Erfolg. Viele Bahnen in Deutschland - etwa die Harzer Schmalspurbahn oder die Bäderbahn Molli - sind nicht kostendeckend. Auch wenn der Betrieb mit Dampf natürlich noch mal teurer ausfällt. Die Sóller-Bahn dagegen wirft offenbar einen Betrag ab, der dann ja auch wieder investiert wird. Und wenn man sich etwa die Ausstellungen im Bahnhof ansieht, ist der Horizont der Bahn größer, als die Spurbreite vermuten lässt. Die Bahn ist auf diese Weise attraktiv für Anwohner und Touristen.

Wie geht es jetzt weiter in Sachen Zusammenarbeit?

Die Kollegen vom Tren de Sóller haben uns beim Besuch schon den Aufnahmeantrag gegeben. Die Zustimmung durch den Vorstand und die Mitgliederversammlung im April kommenden Jahres ist nur noch Formsache. Bei der Frage, inwieweit der Zug behindertengerecht ausgestaltet werden muss, werden wir in Verbindung bleiben. Derzeit sind beim Tren de Sóller juristische und technische Gutachten in Arbeit, da werden wir sehen, an welcher Stelle wir von unserer Seite weiter unterstützen können.