15 Jahre lang hatten die Einwohner von Galilea, Puigpunyent, Establiments und anderen nordöstlichen Stadtteilen von Palma ihre Ruhe vor Detonationen aus dem nahe gelegenen Steinbruch Garrigueta Rassa. Jetzt fürchten die Anwohner, dass es demnächst wieder losgehen könnte mit den Sprengungen. Grund ist ein Projekt, das die Firma Terral Holding beim balearischen Ministerium für die Energiewende eingereicht hat. Nach den Plänen des Unternehmens mit Sitz in Palma soll der 2004 nach heftigen Anwohnerprotesten stillgelegte Steinbruch wieder in Betrieb ­genommen werden, wobei es Unklarheiten da­rüber gibt, wie weit diese Inbetriebnahme ­reichen wird. Während die Balearen-Regierung darauf beharrt, dass Terral Holding nur den ­Zuschlag für eine Renaturierung des Areals bekommen soll, sind Anwohner und Umweltschützer davon überzeugt, dass es in Wahrheit darum geht, den Steinbruch wieder zu bewirtschaften und die Steine zu verkaufen - und die Renaturierung nur ein Nebenaspekt ist.

Die Einwohner von Establiments, die mit am stärksten von einer Wiederaufnahme der Arbeiten am Steinbruch betroffen wären, schreien derzeit am lautesten auf. Zu einer Demonstration am letzten Oktoberwochenende kamen rund 400 Menschen. „Lasst den Berg in Ruhe", war auf großen Bannern zu lesen, die die Demonstranten vor sich hertrugen. „Wir sind weder Greenpeace noch andere radikale Umweltschützer, aber wir befinden uns im 21. Jahrhundert und können einen solchen Raubbau an unserer Landschaft nicht akzeptieren", sagt Llorenç Bauzá, der Präsident der Nachbarschaftsvereinigung Establiments, der den Protest federführend organisiert.

Die Anwohner wissen, wovon sie reden. Bauzá, der seit 25 Jahren in Establiments lebt, hat jahrelang selbst erlebt, was ein Steinbruch in der unmittelbaren Nachbarschaft bedeutet. „Jeden Freitag gab es zunächst einen Sirenenton, worauf die Detonationen folgten." Und es geht nicht nur um den Lärm: „Wenn wir an einem solchen Tag im Sommer im Schwimmbad waren, kamen wir staubverschmiert aus dem Wasser." Nicht zuletzt hätten die Erschütterungen dazu geführt, dass Hausfassaden oder Brunnen tiefe Risse bekommen hätten. Llorenç Bauzá erzählt von einem Fall eines Bekannten, dessen Brunnen so große Risse aufweist, dass er nicht mehr zu reparieren ist. „Und wir sind in Establiments auf die Brunnen angewiesen, 40 Prozent der Häuser haben kein fließendes Wasser", sagt Bauzá.

Derzeit laufen die letzten Stunden der Einspruchsfrist gegen das Projekt. Sie endet am Freitag (8.11.), nachdem das von Juan Pedro Yllanes (Podemos) geleitete Ministerium sie um zwei Wochen verlängert hat. Man verstehe die Sorgen der Anwohner rund um den Steinbruch, sagt eine Sprecherin der MZ. Die Steine, die während der Arbeiten aus dem Berg geholt würden, dürften aber nicht verkauft werden.

Die Anwohner haben sich unterdessen professionelle Hilfe unter anderem von Architekten und Umweltschützern geholt, um ihre Einwände fundiert zu formulieren. Es sind mehrere Aspekte, die den Präsidenten der Nachbarschaftsvereinigungen von Palma, Joan Forteza, zweifeln lassen an den angeblich harmlosen Absichten von Terral Holding, die zum Zementriesen Cemex gehört. Das Unternehmen habe vor zwei Jahren seine Geschäftsbeschreibung geändert. Nun heißt es, Terral Holding widme sich der Bewirtschaftung von Steinbrüchen, was zuvor laut Forteza nicht explizit gemacht worden war. „Terral Holding ist ja keine NGO, die müssen Geld verdienen. Warum sollte sich die Firma auf ein Projekt einlassen, mit dem sie nur einen Steinbruch renaturiert, ohne ihn wirtschaftlich nutzen zu können?", fragt Forteza.

Ein weiterer Punkt, der die Anwohner stutzen lässt, ist die Kalkulation eines Landschaftsingenieurs, der zu dem Schluss kommt, dass sich die Natur in etwa zehn Jahren einen Großteil des Steinbruchs wieder zurückgeholt haben wird. „Man müsste lediglich die Zäune um das Gelände etwas verstärken, damit die Ziegen nicht die jungen Triebe abfressen", sagt Forteza. Es gebe bereits heute, nach 15 Jahren Ruhe im Steinbruch, vier Meter hohe Kiefern.

Und noch ein Aspekt kommt den Anwohnern verdächtig vor: Das Projekt zur Renaturierung hat eine Laufzeit von 30 Jahren. „Das stinkt doch zum Himmel. Wofür brauchen die 30 Jahre? Zehn bis 15 Jahre wären für diesen Zweck mehr als ausreichend", sagt Llorenç Bauzá. Noch dazu liege ein Teil des Steinbruchs inzwischen in einem besonders geschützten ANEI-Gebiet. Inzwischen hat sich die Firma Terral Holding in Form von Geschäftsführerin Raquel Soriano zu Wort gemeldet. Soriano erklärte dem "Diario de Mallorca", dass die Detonationen am Steinbruch nur zwei Jahre dauern sollen und zwei Kilometer vom nächsten Haus entfernt stattfinden werden. Es werde keine spürbaren Erschütterungen geben, sagte Soriano. Außerdem würden keine Steine aus dem Steinbruch entnommen, sondern man wolle dem Berg wieder eine natürlichere Form geben. Deshalb werde es nur so genannte Mikrosprengungen geben.

Wer mit offenen Augen über die Insel fährt, sieht noch an vielen Stellen Wunden in der Landschaft, die von Steinbrüchen herrühren. Nach Statistiken des Energiewende-Minis­teriums werden aktuell auf Mallorca noch 57 Steinbrüche bewirtschaftet, bei weiteren zwölf ist die Lizenz abgelaufen. In den ins­gesamt 73 canteras der Balearen arbeiten 350 Beschäftigte, zwischen 2.800 und 3.000 Arbeitsplätze auf den Inseln sind indirekt mit den Steinbrüchen verbunden.

Garrigueta Rassa in Establiments ist nicht der einzige Steinbruch, der derzeit für Unmut sorgt. Auch in Porreres wird am Kloster Monti-Sion wieder Fels gesprengt. „Die massiven Bauvorhaben auf der Insel sind schuld an der Wiederaufnahme der Sprengungen", so Jaume Adrover, Sprecher der Naturschutzorganisa­tion Terraferida. „Der zweite Autobahnring um Palma und der Ausbau der Straße von Llucmajor nach Campos werden mit Steinen aus Porreres und Felanitx gestemmt", sagt er. Auch die Anwohner von Porreres sind aufgeschreckt durch die neuerlichen Arbeiten. Im Oktober tauchten Flugblätter mit einer fiktiven Todesanzeige für den Berg von Monti-Sion im Ort auf. Bisher war das Thema Steinbruch in Porreres zumeist ein Tabu gewesen, weil zahlreiche Einwohner des Ortes dort ihr Geld verdienen. „Jetzt aber sollen 36 Hektar Berg gesprengt werden, und das sieht man dann auch vom Dorf aus. Und plötzlich ist der Widerstand da", sagt Adrover.