Nach der Insolvenz von Thomas Cook steht schon die nächste Umwälzung in der Reisebranche an: Die International Airlines Group (IAG) kauft für eine Milliarde Euro die Fluggesellschaft Air Europa, deren Geschäftssitz sich auf Mallorca befindet. Während einflussreiche Hoteliers auf der Insel die Zusammenlegung begrüßen, melden Unternehmerverbände und Gewerkschaften Bedenken an. Sie fürchten, dass der verloren gegangene Konkurrenzkampf zwischen den beiden größten spanischen Airlines die Preise der für die Inseln lebenswichtigen Flugverbindungen zum Festland in die Höhe schießen lässt. Auch um die Arbeitsplätze, unter anderem im Firmensitz auf Mallorca, macht man sich Sorgen.

IAG, die Muttergesellschaft von Iberia und British Airways, zu der auch Vueling und Aer Lingus gehören, hatte am Montagmorgen (4.11.) bekannt gegeben, Air Europa für eine Milliarde Euro kaufen zu wollen. Mit dem Deal soll Madrid als Drehkreuz gegenüber den anderen großen Hubs in Europa gestärkt werden, heißt es in einer Mitteilung. Die vier großen Verkehrsknotenpunkte sind Frankfurt, London-Heathrow, Paris-Charles de Gaulle und Amsterdam. Zudem ist geplant, die Position im Flugverkehr mit Südamerika zu stärken. Air Europa gehört bislang zu Globalia, einem inzwischen viele touristische Geschäftsfelder umfassenden Konzern und Lebenswerk des Selfmade-Unternehmers Juan José Hidalgo. Die Zentrale befindet sich in Llucmajor.

Während das Tourismus-Portal „Preferente" von einem meisterhaften Schachzug für die Air-Europa-Besitzer spricht, befürchten Branchenkenner, dass dieser Schachzug für den Luftverkehr von und nach Mallorca negative Folgen haben könnte. Der Präsident der Vereinigung der Reisebüros auf den Balearen Aviba, Francisco Mulet, zeigte sich besorgt darüber, dass große Teile der Verbindungen zwischen den Balearen und dem Festland in den Händen einer Gruppe landen. Nach einer Kalkulation des „Diario de Mallorca" stellt die neue Gruppe am Flughafen von Son Sant Joan rund 78 Prozent der Flugverbindungen auf das spanische Festland. Mit Ryanair, das etwa 20 Prozent des Marktes bedient, ist dann nur noch ein ernst zu nehmender Konkurrent vorhanden, der nicht auf allen Strecken fliegt.

Kritik an der Verschmelzung der zwei größten spanischen Fluggesellschaften kam auch vom mallorquinischen Einzelhandelsverband Pimem. Präsident Jordi Mora sprach von einer „schlechten Nachricht für die Balearen". Es gebe ohnehin schon wenig Wettbewerb im Luftverkehr, die angekündigte Fusion werde sich auf die Preise und die Frequenzen negativ auswirken.

Der Verkauf muss erst einmal von der ­europäischen Wettbewerbskommission in Brüssel genehmigt werden. Prinzipiell wäre ­zunächst die spanische Wettbewerbsbehörde für die Prüfung zuständig, doch angesichts der Tragweite des Geschäfts werden beide Institutionen bei der Prüfung wohl zusammenarbeiten. Beobachter gehen davon aus, dass Brüssel dem Kauf unter Auflagen zustimmt. So schreibt am Mittwoch (6.11.) der Experte für europäisches Wettbewerbsrecht, Pedro Callol, in der Finanzzeitung „Cinco Días", dass sich IAG zur Beibehaltung bestimmter Flugverbindungen verpflichten oder auch Slots an andere Airlines abgeben werden müsse. Zu dieser Einschätzung kommen auch andere Fachleute. Aufgrund der sich abzeichnenden langwierigen Prüfung geht man bei IAG nicht davon aus, dass die Trans­aktion vor dem zweiten Halbjahr 2020 über die Bühne gehen kann.

Noch unklar ist, welche Folgen die Zusammenlegung von Air Europa und IAG für die rund 3.600 Mitarbeiter von Air Europa hat, von denen mehr als 950 im Firmensitz auf Mallorca sowie an den drei Balearen-Flughäfen ­beschäftigt sind. Laut der balearischen Ministerpräsidentin Francina Armengol (Sozialisten) haben die Verantwortlichen beider Seiten unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Deals betont, dass sie die Arbeitsplätze erhalten wollen. Air Europa solle als eigenständiger Bereich bestehen bleiben. IAG könnte mit Air Europa ähnlich verfahren wie mit der Billigfluglinie Vueling, die sich die Holding 2013 einverleibte. Vueling behielt seinen Sitz in Barcelona, funktioniert unabhängig und trifft ihre eigenen Entscheidungen.

Der geschäftsführende Gesellschafter der Air-Europa-Besitzerin Globalia, Javier Hidalgo, versprach in einem Brief an die Belegschaft, die Arbeitsbedingungen und die Tarifverträge beizubehalten sowie auch die Verträge mit den Handling-Firmen. Trotzdem sind die ­Gewerkschaften besorgt über die Zukunft der Mitarbeiter von Air Europa. „99,9 Prozent der Belegschaft erwartet einen Stellenabbau, wenn die Transaktion gelingt", heißt es aus ­Gewerkschaftskreisen.

Air Europa ist womöglich nicht der einzige Bestandteil der Globalia-Gruppe, die Javier ­Hidalgo verkaufen will. Nach Informationen des „Diario de Mallorca" könnte in naher Zukunft auch eine Fusion von Halcón Viajes, dem Reisebüro von Globalia, und Travelplan, dem Reiseveranstalter von Globalia, mit Avoris ­anstehen. Avoris ist die Reisesparte der ­mallorquinischen Hotelkette Barceló. Vor ­Kurzem habe man die Gespräche darüber wieder aufgenommen, schreibt die Zeitung. „Air Europa sowie das Reisegeschäft machen mehr als 80 Prozent von Globalia aus, man kann also davon ausgehen, dass die Familie Hidalgo ihr aus einem bescheidenen Bus-Unternehmen hervorgegangenes Imperium gänzlich verkauft", so „Diario"-Kolumnist Matías Vallés.