Vier Monate nach der Pleite des britischen Reisekonzerns Thomas Cook zeichnet sich ab, dass sich die türkische Unternehmensgruppe Anex Tour einen Teil des Geschäfts speziell mit Deutschland sichern wird. Zunächst kaufte der Konzern die beiden zu Thomas Cook gehörenden Marken Öger Tours und Bucher Reisen. Anfang Januar wurde bekannt, dass Anex Tour auch die Markenrechte von Neckermann erwerben will. Die Transaktion muss noch vom Bundeskartellamt genehmigt werden, was aber reine Formsache sein dürfte. Anex Tour war bereits einer der größten Anteilseigner von Thomas Cook Großbritannien mit zuletzt 6,71 Prozent der Aktien.

Hinter Anex Tour steht die Unternehmerfamilie Kockar, die ihre Aktivitäten im Tourismus 1996 mit einer Incoming-Agentur startete und die Marke Neckermann offenbar zunächst vor allem aufgrund des bekannten Namens gekauft hat. So sagte Anex-Tour-Europe-Chef ­Murat Kizilsaç dem Portal „Reise vor 9": „Wir haben noch kein fertiges Konzept in der Schublade."

Der Konzern ist vor allem im Geschäft mit russischen Türkei-Urlaubern stark, das sich nach dem Einbruch der Touristenzahlen aus der Region durch den Ukraine-Konflikt seit zwei Jahren wieder erholt. Nun will Unternehmensgründer Neset Kockar in andere Märkte vorstoßen, allen voran in das Geschäft mit deutschen Urlaubern. Dabei ist der deutsche Anex-Ableger massiv verschuldet. Laut ­„Handelsblatt" rettet die deutsche Tochtergesellschaft derzeit nur eine niederländische Mutterfirma vor der Insolvenz. Das Geschäftsjahr 2017/18 etwa endete mit einem Verlust von 34 Millionen Euro bei einem Jahresumsatz von 98 Millionen Euro. Anex Tour hat nach eigenen Angaben weltweit bislang jährlich vier Millionen Kunden und 6.500 Mitarbeiter.

In Palma unterhält Anex Tour die Zentrale für Spanien. Es werde ein bisschen dauern, die angestammte Position von Neckermann auf dem Mallorca-Markt einzunehmen, sagt Stanislav Lazarov, der stellvertretende Generaldirektor für Spanien und Andorra, der MZ. „Wir haben noch nicht das Verhältnis zu den Hoteliers auf der Insel, das Neckermann sich über Jahrzehnte aufgebaut hatte." 2020 sehe er als Jahr der Konsolidierung. „Wir wollen die Verluste so gering wie möglich halten."

Sobald klar sei, in welcher Form Neckermann flottgemacht werde, werde man sich ­darum kümmern, neue Hotels ins Portfolio aufzunehmen. „Viele haben wir bereits durch unsere Tochter Anex Tour Deutschland unter Vertrag. Die können wir dann unter den Marken aufteilen." Vorlieben bei den Hotels habe Anex Tour derzeit keine. „Wir nehmen alles, was wir bekommen können", sagt Lazarov. Anex Tour dürfte die Ausrichtung von Necker­mann als Anbieter von Strandurlaub beibehalten.

Wie die Urlauber von Anex Tour auf die Insel kommen werden, ist noch unklar. Der Konzern besitzt mit Azur Air eine eigene Airline, deren Deutschland-Ableger allerdings 2018 nach nur zwei Jahren den Geschäftsbetrieb einstellte und sich aus dem deutschen Markt zurückzog. Prinzipiell kommen laut Lazarov alle zwischen Deutschland und Mallorca verkehrenden Fluggesellschaften infrage.

Darunter befindet sich noch ein weiteres türkisches Unternehmen. Die Fluglinie Corendon Airlines mit Sitz in Antalya will ebenfalls ab diesem Jahr am Mallorca-Geschäft mitverdienen und fliegt ab Mai von drei deutschen Städten aus nach Palma. Corendon Airlines hat in den vergangenen Jahren laut ihrem Pressesprecher Thomas Brand ein rasantes Wachstum hinter sich. Die Fluglinie stieß an den meisten deutschen Flughäfen in die ­Lücke, die die Germania-Pleite im vergangenen März schlug.

Die größte Basis ist Nürnberg, von wo aus ab Mai täglich mindestens eine Maschine nach Palma startet. Auch in Hannover und Köln/Bonn verfügt Corendon über Basen. ­Geplant ist zunächst, nur von Mai bis Oktober nach Palma zu fliegen. „Wir fliegen Mallorca derzeit als reines Sommerziel an, wissen aber natürlich, dass es das ganze Jahr über Nach­frage gibt, auch wegen der ­vielen Residenten aus Deutschland", sagt Brand. Deshalb sei es nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft auch in der Nebensaison Corendon-Flieger zwischen Deutschland und Mallorca unterwegs sind. Die Preise für einen One-Way-Flug ab Nürnberg bewegen sich bei Corendon Airlines grob zwischen 90 und 160 Euro, einzelne Ausreißer nach oben mal ausgenommen. „Wir ­sehen uns nicht als Billigflieger", versichert ­Thomas Brand.

Das Geschäft soll sich nach Möglichkeit nicht auf die Flüge beschränken. Laut Brand ist es denkbar, dass Corendon, die auch als ­Reiseveranstalter auftritt, in Zukunft eigene Hotels auf Mallorca betreibt. Auf Ibiza gibt es mit dem All-inclusive-Haus Stella Maris nahe Sant Antoni bereits ein Corendon-Hotel.