Der Skandal um die Prostitution vieler minderjähriger Bewohner in Jugendheimen auf Mallorca schockt inzwischen nicht nur die Öffentlichkeit auf der Insel, sondern hat auch die spanische Politik in Madrid erreicht. Während Sozialarbeiter auf Mallorca kritisieren, dass sich an der Tatenlosigkeit der Behörden nichts verändert habe, fordert die balearische Ministerpräsidentin finanzielle Mittel in der spanischen Hauptstadt an, und die konservative Opposition stellt die linke Regierung an den Pranger.

Die sexuelle Ausbeutung geht weiter

Sozialarbeiter der Jugendheime kritisieren, dass die Debatte über die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung einer Heimbewohnerin an Heiligabend und das Bekanntwerden der unhaltbaren Zustände in den Heimen bislang nichts am Alltag verändert hätten. Erneut seien Heimbewohnerinnen abgehauen, und die Polizei habe wenig unternommen, um die Minderjährigen zu finden.

Die öffentliche Debatte habe in den Heimen teilweise dazu geführt, dass diejenigen Heimbewohnerinnen, die Prostitution ausüben, vor anderen mit dem verdienten Geld geprahlt hätten. Das würde nun möglicherweise andere ebenfalls dazu verleiten, erklärten Sozialarbeiter gegenüber der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca".

Die Orte, an denen sich die Jugendlichen treffen, um die Prostitution auszuüben, seien bekannt. Es gebe auch ein Online-Portal, dass diese Kontakte vermittle, erklärten die Sozialarbeiter. Nun seien die Behörden gefordert.

Sicherheitskräfte erklärten, dass es nicht möglich sei, jeden Fall eines abgehauenen Jugendlichen als "hohes Risiko" zu bewerten. Die nötigen Einsätze wären zu häufig und würden die Kapazitäten der Polizei übersteigen.

Sozialarbeiter antworten mit einer einfachen Frage: "Die Jugendheime sollten handeln, als ob sie die Eltern der Minderjährigen wären. Wenn unser minderjähriges Kind eine Nacht lang nicht nach Hause kommt - würden wir dann einfach eine Anzeige erstatten? Würden wir nicht die Freunde anrufen? Würden wir nicht rausgehen, um sie zu suchen?"

Balearen-Regierung bittet Madrid um Hilfe

Die Ministerpräsidentin der Balearen, Francina Armengol, hat die Dimension des Problems eingeräumt und erklärt, dass die Balearen mehr finanzielle Mittel bräuchten, um dem Missstand angemessen zu begegnen. Die Baleaeren-Regierung werde deshalb die Regierung in Madrid um zusätzliche Mittel bitten.

"Das Thema macht uns große Sorgen, man kann nicht tatenlos zusehen", erklärte Armengol. Der mallorqunische Inselrat, also die Behörde, die für die Jugendheime zuständig ist, will sich in einer Sondersitzung mit dem Thema auseinandersetzen.

Politische Debatte

Unterdessen hat der Skandal auch in Madrid zu politischem Streit geführt. Die konservative oppositionelle Volkspartei (PP) will den stellvertretenden Regierungschef Pablo Iglesias der Linkspartei Unidas Podemos (UP) in seiner Verantwortung als Sozialminister im Parlament zu dem Fall befragen.

"Jemand muss die politische Verantwortung übernehmen", forderten die PP-Abgeordneten der Balearen, Marga Prohens und Miquel Jerez. Auch die Gleichstellungsministerin Irene Montero (ebenfalls UP) solle vor dem Parlament erscheinen. /tg