Dass es sich um ein Tempo-30-Schild handelt, lässt sich nur noch erahnen. Das Verkehrszeichen an der Durchfahrtstraße der Playa de Palma ist vollständig mit Stickern beklebt. „Das muss eine Mode sein", meint Patricia Lliteras, Geschäftsführerin der örtlichen Hoteliersvereinigung. Anders könne sie es sich nicht er­klären, dass allein die Fotos von verunzierten Verkehrszeichen an der Playa de Palma inzwischen drei dicke Ordner füllen. Auf dem Tisch in ihrem Büro stapeln sich sogar 13 Ordner mit je 300 Seiten, schwer wie frühere Versandhauskataloge: In ihnen sind insgesamt 3.252 Defizite der öffentlichen Infrastruktur an der Playa de Palma in Wort und Bild dokumentiert.

Kaputter Asphalt, umgeknickte Schilder, ab­gestorbene Bäume - so verheerend wie dieses Jahr fiel die Bestandsaufnahme, die Hoteliers, Anwohner und Einzelhändler seit inzwischen 16 Jahren nach der Hauptsaison von Mallorca zusammentragen, noch nie aus. Zum Vergleich: Letztes Jahr füllten die 1.935 Defizite „nur" sieben ­dicke Ordner. In den meisten Fällen sei seitdem nichts passiert, so Lliteras, viele Fotos seien ­denen vom Vorjahr zum Verwechseln ähnlich. ­Instand gesetzt worden sei eigentlich nur der Belag der Durchgangsstraße, wo die kaputten Pflastersteine durch Teer ersetzt wurden.

Kein schönes Bild für Mallorca-Urlauber

Die Geschäftsführerin hat den MZ-Reporter kurzerhand in ihr Auto gepackt, um Beispiele vor Ort zu zeigen. Im Stop-and-go-Rhythmus geht es durch die Straßen der Playa de Palma. Lliteras hält an umgekippten Bordsteinkanten, von Baumwurzeln gesprengtem Asphalt, kaputten Bodenplatten, Schlaglöchern, bis zur Unkenntlichkeit verblassten Zebrastreifen, von Rissen durchzogenem Zement. Und immer wieder Aussparungen für Bäume, in denen aber keine Bäume mehr wachsen. „Das sind Straßen, in denen Vier- und Fünf-Sterne-Häuser stehen!", kritisiert die Hotellobbyistin. Luxusurlauber, aber auch gerade deutsche Senioren kritisierten die Zustände immer deutlicher. Der Tenor auf den Buchungsportalen: drinnen Luxus, draußen Entwicklungsland.

Nächste Station Strandpromenade. Hier wurden vor einiger Zeit Betonschutzwände aufgestellt, die vor möglichen Terroranschlägen schützen sollen. Einige dieser sogenannten New-Jersey-Barrieren sind inzwischen umgestürzt, beschädigt oder mit Graffiti verunziert. „Warum bekommen wir keine Blumenkästen, wie sie in der Innenstadt stehen?", fragt Lliteras. Und: „Sieht das denn die Ortspolizei nicht, wenn sie patrouilliert?"

Sicherheitsprobleme für Mallorca-Urlauber

Manche der Mängel sind nicht nur ein ­ästhetisches, sondern auch ein Sicherheits­problem: zerbrochene Kanaldeckel, die nicht ­ersetzt ­werden, lose Begrenzungssteine, die zu Stolperfallen werden, offen stehende Strom­kästen, aus denen Kabel heraushängen. In einer ­Gegend, in der das mittlerweile aufgelöste ­Konsortium für die Playa de Palma einst Millionen-Investitionen versprach, scheint es nicht einmal mit grund­legenden Wartungsarbeiten zu klappen. Auch für die Erneuerung der ­Beleuchtung an der Promenade - ein von der Touristensteuer finanziertes Projekt - gibt es noch kein Datum. Dabei sind die 2017 montierten provisorischen Halogenstrahler nach Ansicht der Hoteliers ebenfalls ein Sicherheitsproblem.

Woran liegt's? Am Geld jedenfalls nicht, ist sich Lliteras sicher. Sie kritisiert, dass ein Bautrupp, der früher allein für die Playa de Palma zuständig war, vor Jahren aufgelöst wurde. ­Ohnehin müsse das Urlaubsgebiet, das zum großen Teil zu Palma, zum kleinen Teil aber zur Gemeinde Llucmajor gehört, beständig um Aufmerksamkeit kämpfen. Offenbar stehe sich die Verwaltung selbst im Weg: „Für die ­Sticker auf den Laternen ist die Infrastruktur-Abteilung zuständig, für die Sticker auf den Schildern dagegen die Verkehrsabteilung."

Und was sagt das Rathaus von Palma de Mallorca?

Auch wenn die Dossiers für sich sprechen, will man in Palmas Rathaus den Vorwurf der Untätigkeit nicht auf sich sitzen lassen. Neben der Investition von 546.000 Euro für die Durchgangsstraße verweist eine Sprecherin gegenüber der MZ auf 467 Ausbesserungsarbeiten ­aller Art seit Jahresbeginn. Weitere Zahlen: 126.000 Euro für die Erneuerung von Gehwegen, 54.000 Euro für die Reparatur von Gehwegen, 202.000 Euro für weitere Asphaltierungsarbeiten. Infrastruktur-Stadträtin Angélica ­Pastor kündigte zudem auf einer Pressekonferenz an, bis Saisonbeginn umfangreiche Reparatur­arbeiten auszuführen und den Wunsch nach einer eigenen Bautruppe für die Playa zu prüfen. „Wir werden eine Prioritätenliste erstellen, es wird aber nicht Geld für alles da sein."

Kommentar: Das hat die Playa de Palma nicht verdient