Jetzt ist er tatsächlich Realität, der Brexit. Seit Samstag (1.2.) steht die Europäische Union formal ohne Großbritannien da. Formal, weil das Königreich noch eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2020 hat, um mit der EU einen Austrittsvertrag zu unterzeichnen. Und sollte das in den elf Monaten nicht möglich sein, gibt es sogar die Option, diese Frist einmalig bis zum 31. Dezember 2022 zu verlängern. Dann ist aber endgültig Schluss. Was der Austritt der Briten aus der EU für die Balearen bedeutet und speziell für den Tourismus und die Reisebranche, war Thema einer Tagung in den Räumen der Handelskammer in Palma de Mallorca.

Gekommen war unter anderem Luis Martínez Almoyna, Leiter der Finanzberatung Fiadex in Palma. Er hatte ein ganzes Potpourri an Zahlen vorbereitet, um zu belegen, dass der Brexit aus seiner Sicht keine negativen Folgen auf die Wirtschaftskraft der Inseln haben dürfte. Allerdings machte er es sich dabei ein Stück weit einfach: Martínez rechnet mit einem geordneten Rückzug der Briten aus der EU. Dass es aber zum 31. Dezember 2020 ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien geben wird, ist nicht sicher.

Briten geben mehr aus

Blickt man auf die Urlauberzahlen auf Mallorca, fällt auf, dass die Briten der Insel trotz aller Unbilden nicht fernblieben. Eher im Gegenteil. Im vergangenen Jahr stellten die Briten mit 23 Prozent nach den Deutschen die zweitgrößte Gruppe der Reisenden dar. Das war zwar zuvor auch so, aber die Zahl der Urlauber aus dem Königreich ist sogar um 1,6 Prozent gestiegen, während der Rest der internationalen Märkte um 1,2 Prozent abnahm (S. 8). Allein die Briten gaben 2019 rund 3,8 Milliarden Euro aus und waren damit für 26 Prozent der Gesamtausgaben verantwortlich. „Trotz des Brexits haben die Briten mehr ausgegeben als in den Jahren zuvor", sagt Martínez. „Die britische Wirtschaft durchlebt gerade eine sehr gute Phase."

Und zumindest auf kurzfristige Sicht werde das auch so bleiben. So sei die Zahl der Arbeitslosen rückläufig, die Wirtschaftskraft steige in diesem Jahr weiter an. Das Pfund sei sehr stabil. „Ich sehe in den kommenden zwei Jahren keine Gefahr der Verlangsamung in der britischen Wirtschaft", erklärte Martínez. „Der deutsche Markt sollte uns viel mehr Sorgen bereiten als der Brexit."

Diese Schlussfolgerung teilen nicht alle. Wirtschaftsexperten sehen durchaus große Gefahren für die Wirtschaft in Großbritannien, sollte es zum harten Brexit kommen. Schon bis dato hat das Chaos um den Brexit dazu geführt, dass sich die Wirtschaft in Großbritannien deutlich schlechter entwickelt hat als in den anderen G7-Staaten. Der Finanzdienstleister Bloomberg beziffert den Schaden, den der Brexit in den vergangenen Jahren in der britischen Wirtschaft angerichtet hat, auf rund 150 Milliarden Euro.

Pässe statt Ausweise

Neben den wirtschaftlichen Folgen für die Balearen ging es beim Seminar auch noch um reisepraktische Fragen. Die rechtlichen Grundlagen dafür beleuchtete Anwalt Marc Ripoll, der zunächst dahingehend beruhigte, dass sich für Reisende während der Übergangszeit bis 31. Dezember 2020 nichts ändern wird. Briten und EU-Bürger können weiter unkompliziert hin- und herreisen. Für Aufenthalte unter 90 Tagen genügt der Ausweis. Personenkontrollen an der Grenze gab es ja ohnehin auch in der Vergangenheit, weil Großbritannien nie Teil des Schengen-Abkommens war.

Zwar müssten sich Spanien und Großbritannien auf ein Abkommen zur Personenfreizügigkeit verständigen, aber daran führe schon wegen der vielen in Spanien lebenden Briten kein Weg vorbei. Die Zahl derjenigen, die eine Aufenthaltsgenehmigung in Spanien beantragten, sei in den vergangenen Monaten um 64 Prozent gestiegen.

Kommt das Visum?

Was allerdings ab Januar 2021 für eine Reise zwischen der EU und Großbritannien nötig sein wird, ist noch unklar. Die Website gov.uk, die britische Staatsbürger unter anderem über Neuigkeiten beim Brexit informiert, schreibt lediglich, es werde zu Änderungen kommen. Als sicher gilt, dass der Personalausweis dann nicht mehr ausreicht, sondern der Reisepass nötig wird.

Dass Briten künftig ein Visum für EU-Länder benötigen oder andersherum, ist eher unwahrscheinlich. Auch hier kommt es wieder darauf an, ob der Austritt der Briten zum 31. Dezember per Vertrag geregelt stattfindet oder nicht.

Gesundheitsversorgung

Während der Übergangsphase wird es auch möglich sein, die europäische Krankenkassenkarte (tarjeta sanitaria) zu verwenden, so Ripoll. Wie es nach dem endgültigen Brexit weitergeht, müsse noch geklärt werden, weshalb eine private Auslandskrankenversicherung ratsam sei. Auch britische Urlauber können dann nicht mehr so einfach das spanische Gesundheitssystem nutzen, wenn ihnen auf Mallorca etwas zustößt.

Änderungen im Flugverkehr

FlugverkehrWas den Flugverkehr in Europa betrifft, sind 2019 zwei europäische Verordnungen verabschiedet worden, die einen freien Flugverkehr auch nach einem harten Brexit garantieren. Großbritannien scheidet aus der Europäischen Luftfahrtbehörde EASA aus, hat aber zugesichert, die europäischen Standards weitgehend fortführen zu wollen, weshalb sich keine Änderungen ergeben dürften.

Ab 30. März sind jedoch für britische Airlines keine Flüge innerhalb der EU mehr möglich. Iberia musste deshalb bereits seine Besitzverhältnisse umstrukturieren, um auf über 50 Prozent europäische Anteilseigner zu kommen.