Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat in einer Rede an die Nation am Samstagabend (14.3.) einen weitreichenden Shutdown für das ganze Land ausgesprochen, der mit sofortiger Wirkung ab der Veröffentlichung im spanischen Gesetzblatt in Kraft trete - der Text ist inzwischen veröffentlicht (externer Link auf PDF, spanisch). Grundlage ist die Ausrufung des zunächst 15-tägigen Alarmzustands angesichts der Coronavirus-Krise, den der spanische Ministerrat zuvor beschlossen hatte. Der Shutdown schränkt die Bewegungsfreiheit ein, sieht die Schließung der Gastronomie-Betriebe und eines Großteils des Einzelhandels vor und beschränkt den Transportsektor.

Zu Hause bleiben

Die öffentlichen Verkehrswege dürfen nur noch für folgende Zwecke benutzt werden:

  • Kauf von Lebensmitteln, Arzneimitteln und Gütern des Grundbedarfs
  • Besuch von Krankenhäusern und Gesundheitszentren
  • Weg zur Arbeit und Rückweg
  • Pflege von Senioren, Kindern und Schutzbedürftigen
  • Aufsuchen von Banken
  • Fahrt zur Tankstelle
  • Aus Gründen höherer Gewalt oder infolge einer Notlage
  • Sonstige Zwecke von vergleichbarer Wichtigkeit

Auch beispielsweise das Gassi gehen mit dem Hund sei erlaubt, so Sánchez. Das spanische Innenministerium kann Verkehrswege sperren, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen nötig ist. Schulen und Universitäten setzen den Lehrbetrieb aus.

In den sozialen Netzwerken haben sich ohnehin zahlreiche Spanier der Kampagne #YoMeQuedoEnCasa (Ich bleibe zu Hause) angeschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen.

Einzelhandel, Gastronomie, Hotels

Nur noch bestimmte Geschäfte dürfen öffnen: Lebensmittelläden, Apotheken, Optikbetriebe, Orthopädiegeschäfte, Kioske, Tankstellen, Friseure, Reinigungen, Hygienebedarf, Geschäfte für Tierfutter oder Post-, Informatik- und Telekommunikationsbetriebe. Menschenansammlungen sind zu vermeiden.

Bars und Restaurants bleiben geschlossen, der Verzehr in Lokalen ist verboten, es darf aber Essen nach Hause zu Kunden geliefert werden. Die Rede ist im veröffentlichten spanischen Dekret wörtlich von "actividades de hostelería y restauración". Im Anhang des Dekretsdemnach geöffnet bleiben, müssen aber den Betrieb angeschlossener Restaurants oder Bars für externe Gäste einstellen.

Geschlossen bleiben auch öffentliche Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen. Umzüge und Prozessionen sind untersagt, für Gottesdienste gelten Auflagen.

Flüge und Fähren

Der Flughafen von Mallorca bleibt geöffnet, allerdings wird der Flugverkehr - wie auch der Fährverkehr - Schritt für Schritt um 50 Prozent zurückgeschraubt - Spanier müssen ihre Flüge genauso begründen wie die sonstige Benutzung der öffentlichen Wege. Urlauber können in ihre Heimatländer zurückkehren, genauso wie Spanier, die sich auf Reisen befanden, nach Hause zurückkehren können. Touristische Reisen dagegen deckt das Dekret nicht mit ab. In den Buchungssystemen soll ein Warnhinweis erscheinen, der an die Auflagen erinnert.

Der öffentliche Nahverkehr wird nicht unterbrochen, aber die Frequenzen von Zügen und Überlandbussen werden ebenfalls um 50 Prozent gesenkt, um die Bewegungen der Menschen zu verlangsamen. Die Transportmittel müssen täglich nach Vorgaben des spanischen Gesundheitsministeriums gereinigt werden.

Diese Maßnahmen gelten ab Montag, auch wenn die Umsetzung einige Tage mehr dauern werde. "Die Bürger können weiterhin einen kranken Familienangehörigen besuchen, aber nicht mehr für eine Feier nach Teneriffa fliegen", so Sánchez. Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol hatte zuvor mehrfach die Einschränkung des Flugverkehrs zwischen den Balearen und dem spanischen Festland gefordert - der jetzige Beschluss dürfte sie nicht zufrieden stellen. Laut "Diario de Mallorca" will Armengol eine Reduzierung der Flüge um 60 Prozent durchsetzen.

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Im Rahmen des Alarmzustands kann die Regierung alle für die Bekämpfung des Virus nötigen Maßnahmen treffen, die auch die vorübergehende Beschlagnahmung von Gütern oder den Zugriff auf den privaten Gesundheitssektor umfassen.

Alle zusammen gegen das Virus

Nicht Ideologien oder territoriale Fragen, einzig der Kampf gegen das Virus sei jetzt ausschlaggebend, so Sánchez - die Befehlsgewalt liegt bei der spanischen Zentralregierung. Grundlage für die Vorgaben seien die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse angesichts eines medizinischen Notstands - einer Situation, die im ständigen Wandel sei. Sánchez versprach des Weiteren ein umfassendes Maßnahmenpaket, um die schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen für Unternehmen oder Selbstständige abzumildern.

Als Sánchez gegen 22 Uhr mit seiner Rede zu Ende war, gab es in den Straßen überall in Spanien Applaus - nicht für die Rede, sondern für die Angestellten des Gesundheitssektors. Die Geste war zuvor in einer Kampagne in den sozialen Netzwerken angekündigt worden.

So erleben die MZ-Redakteure den Shutdown auf Mallorca

Der Entwurf mit den konkreten Bestimmungen war bereits im Laufe des Tages bekannt geworden. Der Rede zuvorgegangen war eine stundenlange Sitzung des Ministerrats, in dem es zu Spannungen zwischen den beiden Koalitionspartnern der Linksregierung - Sozialisten und Unidas Podemos - gekommen war. Hintergrund ist offenbar die Reichweite der erweiterten Kompetenzen im Rahmen des Alarmzustands, die vor allem in den Zuständigkeitsbereich der von den Sozialisten kontrollierten Ministerien fallen: Verteidigung, Inneres, Verkehr, Gesundheit.

Das Maßnahmenpaket ergänzt die Bestimmungen, die bereits die Autonomen Regionen wie die Balearen erlassen haben. Auf Mallorca wurden am Freitag die Schließung von Diskotheken und Fitnesszentren sowie Auflagen für Restaurants beschlossen.

Es ist das zweite Mal in der Geschichte der spanischen Demokratie, dass ein Präsident den Alarmzustand ausgerufen hat. Das erste Mal war im Dezember 2010, als die Fluglotsen im ganzen Land streikten. Während 43 Tagen übernahmen Experten der Streitkräfte die Aufgaben. /ff/jk

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