Cala Millor braucht nach dem Sturmtief Gloria vom Januar dringend Sand. Aber woher nehmen? Das werde sich schon zeigen, sagt José Marcial Rodríguez, Vorsitzender der Hoteliersvereinigung. Wichtiger sei erst einmal, dass die Reparatur des Strands nicht nur genehmigt, sondern auch von jemandem bezahlt wird, so Marcial gegenüber der MZ. Doch die zuständige Küstenbehörde lässt sich mit einer Antwort Zeit. Und die spanische Zentralregierung will nur für einen Bruchteil der Kosten aufkommen. Den Sand aufzutreiben, werde dann Aufgabe der beauftragten Firma sein, wahrscheinlich könne sie auf Lager nahe der Küste zurückgreifen, so der Hotelierssprecher.

Auf Mallorca gibt es eine lange Tradition, Strände aufzuschütten - in den meisten Urlaubsorten muss immer wieder nachgeholfen werden. Infrage kommen vier Varianten, um an den nötigen Sand zu kommen: der Meeresgrund vor dem Strand selbst, ein anderer Küstenabschnitt Mallorcas, ein Ort jenseits der Insel sowie Sand aus Steinbrüchen. In allen diesen Fällen spricht Lluís Gómez-Pujol, Geomorphologe an der Balearen-Universität, von sogenannten sanften Eingriffen in die Landschaft - sie beinhalten keine baulichen Veränderungen wie Dämme oder Wellenbrecher. Gemeinsam ist den Eingriffen zudem, dass sie teuer und wenig nachhaltig sind: „Man muss sehr viel Geld in die Hand nehmen, das dann oft buchstäblich im Meer verschwindet", so der Wissenschaftler.

Um das zu verstehen, muss man zunächst erklären, wie sich ein Naturstrand auf Mallorca im Idealfall selbst regeneriert. Die playa, das ist nicht nur der Streifen, auf dem die Badegäste ihre Handtücher ausbreiten, sondern auch das Dünensystem dahinter sowie der Meeresgrund mit seinen Seegraswiesen davor. „Der Strand ist kein Garten, sondern ein äußerst

dynamisches System", so Gómez-Pujol. In ­Jahren mit intensiverem Wellengang und stärkeren Unwettern ist die „Handtuch-Zone" kleiner, in anderen Jahren größer. Mal liegt mehr Sand unter Wasser, mal mehr in den Dünen - natürliche Lager, die den Sandschwund nach einem Unwetter wieder ausgleichen. Sind also Dünensystem und Poseidongras intakt, reichen minimale Eingriffe wie Schutzbarrieren.

So sieht man das nach dem Sturmtief Gloria etwa im Rathaus von Santanyí. Die örtlichen Strände haben zwar Schaden genommen. Vor allem die kleinen Buchten sollen sich aber von selbst regenerieren.

Da aber viele touristische Strände Mallorcas nicht mehr so aussehen wie Es Trenc oder Playa de Muro, muss künstlich aufgeschüttet werden. Das kann durchaus funktionieren, wie die Playa de Palma zeigt. Hier liegt der letzte große Eingriff lange zurück: Im Januar 1989 saugte eine belgische Spezialfirma rund 400.000 Kubikmeter Sand vor der Steilküste von Cala Blava östlich der Playa de Palma ab: eine Operation, die nicht nur umstritten, sondern mit 175 Millionen Peseten - mehr als eine Million Euro - auch nicht billig war.

Die Investition hat sich aber offenbar gelohnt: In der Hoteliersvereinigung kann man sich an keine Sandaufschüttung der jüngeren Jahre ­erinnern. „Die Playa de Palma ist nach Süd­westen ausgerichtet, die heftigsten Unwetter ziehen aber aus Osten und Nordosten an", erklärt Gómez-Pujol den Erfolg. Im nördlichsten Teil der Playa sei der Strand denn auch wieder so schmal wie vor der Aufschüttung.

Auch wenn laut dem Wissenschaftler niemals Sand aus der Sahara zum Einsatz kam - eine verdächtige Schiffsladung 2017 war für einen Golfplatz bestimmt -, diente immerhin Albacete an der valencianischen Küste als Lieferant für Port de Sóller. Drei Schiffsladungen mit insgesamt 16.000 Tonnen waren im März 2012 nötig. Bereits einen Monat später trieb ein Teil des Sandes davon, die Bucht war von den Sedimenten gelblich verfärbt. „Ein Fehlschlag auf ganzer Linie", so Gómez-Pujol. Schon Mitte der 90er-Jahre waren 6.400 Tonnen Sand vom Cap Ferrutx (Artà) nach Sóller an die Playa Can Repic gebracht worden.

Vor allem an der Küste von Banyalbufar ist immer wieder Sand vom Grund gebaggert worden, er landete größtenteils an den Stränden von Can Picafort und Port de Pollença. Auch die Cala Agulla bei Cala Ratjada sollte eigentlich mit Material von dort ausgebessert werden. Ende 2011 kam jedoch nach jahrelangem Betteln der Hoteliers stattdessen Sand aus einem Steinbruch zum Einsatz. Wegen seiner Farbe und Konsistenz wirkte er zunächst wie ein Fremdkörper am Strand. Auch ökologisch war dieser Sand keine wirkliche Alternative. Er ist laut Gómez-Pujol feiner gekörnt, trübt das Wasser, kann so die Seegraswiesen schädigen und hält auch dem Wellengang weniger Stand.

Was also tun im Fall von Cala Millor? Der Wissenschaftler empfiehlt, nur kleine Mengen von Sandbänken in vier bis sechs Metern Tiefe vor Cala Millor zu entnehmen, „also den natürlichen Regenerierungsprozess zu beschleunigen, ohne das Seegras zu beeinträchtigen". ­Ansonsten müsse der Touristenort seine Hausaufgaben machen, die infolge der jahrelangen wissenschaftlichen Erforschung des Strands klar formuliert seien. Erstens: die Ableitung des Regenwassers ändern, damit es nicht den Sand ins Meer spült. Zweitens: den Verlauf der Uferpromenade ändern, damit diese nicht den Wellengang noch unnötig verstärkt. Drittens: dem langjährigen Strandkonzessionär beibringen, wie man die Playa fachgemäß reinigt, ohne der Erosion Vorschub zu leisten.

Und man könnte noch einen weiteren Punkt hinzufügen: den Besuchern keine Strände à la Miami versprechen. „Die sind künstlich und teuer, das ist in unseren Breitengraden nicht möglich", sagt Gómez-Pujol.