In der alltäglichen Statistik der Covid-19-Fälle auf Mallorca und den anderen Balearen-Inseln hat ein neuer Wert an Bedeutung gewonnen - die Zahl der kurierten Patienten. Die balearischen Gesundheitsbehörden stellen ihn inzwischen an die erste Stelle ihrer Verlautbarungen. Nicht nur, dass sich diese Zahl im allgemeinen Drama mit täglich mehreren Toten noch am besten verkaufen lässt. Es ist auch der am schnellsten wachsende Wert, so dass die Zahl der „aktiven Patienten" auf den Inseln, wie es im neuen Covid-19-Jargon heißt, von Tag zu Tag schrumpft.

Diese Entwicklung lässt sich seit vergangenem Wochenende beobachten. Und abgesehen von Ausreißern flacht die Corona-Kurve allmählich ab, schneller und auf niedrigerem Niveau als im Rest Spaniens, wo bis Mittwoch (8.4.) 146.690 bestätigte Fälle und 14.555 Tote registriert wurden. Bezieht man die Zahl der kurierten Patienten mit ein, kann die Insel-Statistik durchaus Hoffnung machen: 43 registrierten Neuinfektionen stehen am Mittwoch 79 genesene Patienten gegenüber. Die bislang insgesamt 616 Kurierten machen bereits fast die Hälfte der insgesamt 1.412 auf den Balearen registrierten Fälle aus. Die Zahl der Patienten auf der Intensivstation sinkt leicht auf 112.

Soweit die guten Nachrichten, zwei Monate, nach dem ersten bestätigten Corona-Fall auf den Balearen. Denn die Zahl der Todesfälle (Mittwoch: 89) dürfte in Kürze dreistellig sein. Im Fokus stehen weiter die Seniorenheime, in denen bislang insgesamt 16 Todesfälle gezählt wurden, 3 weitere zudem in Behinderteneinrichtungen. Auch die nach wie vor knapp 200 krankgeschriebenen und mehr als 300 unter Quarantäne stehenden Fachkräfte in den Krankenhäusern sind keine gute Nachricht, auch wenn die Zahlen zuletzt infolge der Genesungen etwas gesunken sind und wöchentliche Lieferungen von Schutzmaterial die Lage zumindest ein Stück weit verbessert haben.

„Die Infektionsrate hat sich stabilisiert, auch wenn die Zahlen höher sind, als wir uns gewünscht hätten", so Javier Arranz, Sprecher des Corona-Komités auf den Balearen. Im Gegensatz zu anderen Regionen sei das Gesundheitssystem mit derzeit 535 Covid-19-Patienten im Krankenhaus (Stand: Mittwoch) nicht an seine Grenzen gekommen. Im Landeskrankenhaus Son Espases wird betont, dass rund 80 Prozent der Patienten die Intensivtation lebend verließen, und wie überall in Spanien häufen sich die Videos in den sozialen Netzwerken, in denen Schwestern und Ärzte jeden von der Intensivstation entlassenen Patienten mit Applaus feiern. „Uns bleiben noch intensive Wochen, in denen wir lernen müssen, wie wir die Phase der Epidemie nach dem Peak handhaben müssen", so Arranz.

Alle Aussagen stehen allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Zahl der tatsächlichen Infektionen nach wie vor eine große Unbekannte ist. „Die erste Phase der Pandemie haben wir auf den Inseln mit der Verlangsamung der Kurve erreicht", sagt Antoni Aguiló, Professor für öffentliche Gesundheit an der Balearen-Universität, gegenüber der MZ. „Jetzt kommt die zweite Phase: zu wissen, wie viele Menschen vom Virus tatsächlich infiziert wurden."

Mit bislang weniger als 15.000 Tests auf den Balearen - täglich werden auf den Inseln derzeit bis zu 900 ausgeführt - wurde bislang gerade mal etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung getestet. Die eine Million Schnelltests, die Madrid an die Regionen verteilt und von denen die Inseln Anspruch auf 18.000 haben, sollen in der Regel nur bei Verdachtspatienten in der Notaufnahme oder in Seniorenheimen zum Einsatz kommen - wie auch in den meisten anderen Regionen. Auch Hochrechnungen auf der Grundlage von internationalen Erfahrungswerten - bis zu 20 Prozent der mit dem Virus infizierten Personen müssen im Krankenhaus behandelt werden - sind letztendlich wie Lesen im Kaffeesatz.

Laut einer Studie des Imperial College London könnte es in Spanien bereits rund sieben Millionen immune Personen geben. Um das wahre Ausmaß der Pandemie auszuloten, plant das spanische Gesundheitsministerium nun eine Stichprobe von landesweit 62.400 Personen. Auf diese Weise soll geprüft werden, wie weit die Immunisierung der spanischen Bevölkerung vorangeschritten ist. Begonnen werden soll „kommende Woche, so schnell wie möglich", so Gesundheitsminister Salvador Illa am Dienstag. Die Probe ist in zwei Phasen geplant und dauert insgesamt drei Wochen. Dass die Stichprobe auch repräsentativ ist, dafür soll das spanische Statistik-Institut (INE) Sorge tragen.

Und auf den Balearen? Hier sind innerhalb der spanienweiten Stichprobe 1.400 Tests geplant, wobei die Landesregierung eine größere Zahl fordert, um die Realität der vier Inseln widerzuspiegeln, wie Gesundheitsministerin Patricia Gómez am Mittwoch argumentierte. Man werde zudem eigene Tests ausführen, um das Bild zu vervollständigen. Wissenschaftler Aguiló schätzt die Zahl der immunen Personen auf den Inseln mit ihren insgesamt knapp 1,2 Millionen Einwohnern bereits jetzt auf 50.000 bis 80.000, von denen 80 Prozent „keine oder kaum Symptome" aufwiesen. Zwar sei es positiv, dass es hier vergleichsweise wenige Fälle gebe. Für die Immuniserung sei es allerdings von Nachteil. „Eine Herdenimmunität ist erst erreicht, wenn 60 bis 70 Prozent der Inselbewohner das Virus hatten." Deshalb müsse man bei der bevorstehenden Lockerung der Ausgangsbeschränkungen auf den Balearen sehr vorsichtig vorgehen.

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