Rauchen ist dieser Tage nicht verboten. Im Gegenteil: Die Tabakläden gehören zu den wenigen Geschäften, die trotz des Ausnahmezustands geöffnet bleiben dürfen. Das macht sie aber nicht automatisch zu Gewinnern der Krise.

Bei den estancos in Palma ist vielmehr ein kurioses Ungleichgewicht entstanden: Während die Mehrheit der Tabakläden in den Außenbezirken mehr Zigaretten verkauft als je zuvor und einige ihre Tageseinnahmen sogar verdreifachen, bleiben die Geschäfte im Zentrum auf der Strecke. Sie kämpfen um ihre Existenz und müssen Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent verkraften.

Im Stadtkern Palmas bricht die Klientel weg

Das Phänomen erklärt sich so: In Palmas Stadtkern sind die estancos einerseits auf Laufkundschaft angewiesen und andererseits auf Büroarbeiter und Verkäufer der ansässigen Geschäfte. In Zeiten der Ausgangssperre und ausgestorbener Straßen bricht diese wichtige Klientel weg. In den Stadtteilen außerhalb des Innenstadtrings hingegen profitieren die Tabakläden davon, dass ihre direkte Konkurrenz durch die Bars wegfällt, die ebenfalls Tabak verkaufen und die nun allesamt geschlossen sind.

Vor allem aber profitieren sie davon, dass viele Raucher, die in diesen Vierteln wohnen, jetzt offenbar Zigarettenpakete hamstern, damit ihnen der Stoff zu Hause bloß nicht ausgeht. „Man merkt den Leuten an, dass sie viel nervöser sind, wegen allem, was gerade passiert, und dass sie momentan mehr rauchen denn je", sagt Patricia Valens, die als Verkäuferin in einem Tabakladen im Carrer Manacor arbeitet. „Die Kunden erzählen mir, dass sie sich Sorgen machen, und während sie den ganzen Tag damit verbringen, über die Situation nachzudenken, zünden sie sich eine Zigarette nach der anderen an."

Das Resultat: Die Raucher stehen vor dem Geschäft in gebührendem Abstand Schlange, kaufen laut Valens im Schnitt drei Zigarettenpackungen statt einer und verlassen ihr eigenes Haus ausschließlich zu dem Zweck,

Tabaknachschub zu organisieren. Versorgungsengpässe haben die estancos von Palma trotz der hohen Nachfrage nicht.

Wenn der Supermarkt zu hat, wird im Tabakladen eingekauft

Auch Victoria Berna, die einen strategisch gut gelegenen Tabakladen im Viertel La Soledat betreibt, berichtet, dass permanent Kundschaft vor ihrem Geschäft wartet. Zwar kämen insgesamt deutlich weniger Menschen als früher, doch dieser Verlust gleiche sich aus. Denn Bernas Laden hat 24 Stunden geöffnet und führt auch Lebensmittel und Hygieneartikel im Sortiment, was sich gerade jetzt als zusätzlicher Vorteil erweist: „Wenn die Supermärkte schließen, kommen viele Leute und kaufen neben Tabak noch andere Produkte", sagt sie. Auch Zeitungen gibt es in den meisten estancos.

Ob Zigaretten nun wirklich zum Grundbedarf zählen, darüber lässt sich streiten. Für viele Raucher auf der Insel scheinen sie einen ähnlich hohen Stellenwert wie Lebensmittel zu haben. Einige Kunden der Tabakläden geben im Gespräch zu, dass sie momentan doppelt so viel rauchen wie gewöhnlich - oder besonders viel Zeit auf

dem Balkon verbringen, wo der Griff zur Zigarettenschachtel naheliegt. Die Ausgangssperre wird so zur permanenten

Raucherpause.