Ein Großteil der Geldbußverfahren, die in diesen Wochen wegen Verstößen gegen die Ausgangssperre auf Mallorca eingeleitet werden, könnte nach Einschätzung von Juristen im Sand verlaufen. Da die Kriterien mitunter nicht einheitlich angewandt würden und klare Vorgaben fehlten, herrsche eine große Rechtsunsicherheit, die zahlreiche erfolgreiche Eingaben zur Folge haben dürfte, berichtet die MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" mit Verweis auf befragte Juristen am Sonntag (26.4.).

Seit Beginn des Alarmzustands vor inzwischen sechs Wochen, mit dem gegen die Pandemie des Coronavirus angegangen werden soll, wurden auf den Balearen mehr als 13.500 Strafen ausgesprochen. Theoretisch drohen Geldbußen zwischen 600 und 30.000 Euro. Knapp 300 Personen wurden vorläufig festgenommen, rund 20 von ihnen ins Gefängnis eingewiesen. Ausnahmen der Ausgangssperre gelten unter anderem für den Weg zur Arbeit, den Einkauf von Lebensmitteln oder den Weg zum Arzt.

Erfahrungen von Bürgern

Ein Arbeiter berichtet dem "Diario de Mallorca", dass er zunächst eine Polizeikontrolle ohne Probleme passieren konnte, als er ein im Hafen von Palma de Mallorca liegendes Boot überprüfen musste. Auf dem Rückweg dagegen habe ihm ein anderer Beamter eine Strafe ausgestellt. Ein Bauarbeiter wurde laut seinen Aussagen von der Polizei angehalten, als er von der Arbeit zurückkam und zum Auftanken eine Parallelstraße zur Autobahn bei Arenal benutzte. Diese Erklärung hätten die Beamten nicht akzeptiert und ihm unterstellt, dass er vom Strand komme. Zudem seien die Polizisten auch untereinander uneins gewesen.

Eine andere Betroffene berichtet von Problemen, als sie zusammen mit ihrem Mann zur Arbeit fuhr. "Wir saßen diagonal voneinander getrennt und trugen Schutzmasken, so wie es in den Empfehlungen der Regierung beschrieben ist." Die Ortspolizei habe sie bei Calanova angehalten. Nachdem ein Beamter sie zunächst passieren ließ, habe ein anderer eine Geldbuße ausgesprochen. Einer der beiden Fahrzeuginsassen müsse den öffentlichen Nahverkehr benutzen, so die Begründung. "Ich wollte ihm das Dokument der Regierung zeigen, aber er wollte es nicht sehen und meinte nur, dass ich Einspruch gegen die Strafe erheben könne."

Auch beim Einkauf im Supermarkt kommt es zu Problemen. So berichtet eine Mutter aus Cala Blava, dass sie von der Guardia Civil bei der Rückfahrt vom Supermarkt von der Guardia Civil angehalten worden und um den Kassenbon gebeten worden sei. "Ich hatte Yoghurt, Linsen, Chorizo und Brot gekauft. Ein Beamter sagte mir, dass das keine Produkte des täglichen Bedarfs seien, ich solle größere Einkäufe machen und Brot einfrieren."

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Zweifel von Juristen

Juristen ziehen gegenüber dem "Diario de Mallorca" in Zweifel, ob die Erklärung des Alarmzustands in Spanien ausreichend sei für den weitgehenden und anhaltenden Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Bürger. Dafür hätte der Ausnahmezustand ausgerufen werden müssen, so der Jurist Jaime Campaner. Er kritisiert zudem, dass die Vorgaben für die Beamten zu allgemein und vage seien. Viele Bürger seien sich nicht im Klaren, was erlaubt sei, kritisiert auch der Jurist Eduardo Luna, die Rechtsunsicherheit sei enorm. Insbesondere die Festnahmen seien unverhältnismäßig, argumentiert ein weiterer Jurist, Bartolomé Salas. /ff

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