Auch zu Zeiten der Corona-Krise hält Álvaro Middelmann die Füße nicht still. Der Airline-Berater hat vor wenigen Tagen einen deutschen Investor für die insolvente Thomas Cook Airlines Balearics an Land gezogen, deren Gründung 2017 Middelmann begleitet hatte. Die Panaf Holding übernimmt - 90 der 120 Arbeitsplätze sollen erhalten werden. Die Fluglinie mit zwei Airbus 320 bezeichnet Middelmann als eine Art „Taxiunternehmen", das für andere Firmen fliegt. „Wir vermieten das Flugzeug samt Besatzung", sagt der 71-Jährige. Der Österreicher und langjährige Air-Berlin-Chef für Spanien und Portugal analysiert mit der MZ die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Insel-Luftverkehr.

Mit welchen Preisen rechnen Sie für die Zeit nach der Pandemie zwischen Deutschland und Mallorca?

Ich glaube, dass die Preise langfristig auf dem bisherigen Niveau bleiben werden. In nächster Zeit könnte Fliegen aber günstiger werden, weil die Airlines ihre Maschinen nicht so lange parken und damit Geld verbrennen können. Das könnte zu einer bereits vor der Covid-19-Pandemie existierenden Überkapazität führen. Und dann werden die Preise fallen. Die große Unbekannte ist der Endverbraucher. Wir können momentan nur spekulieren, ob er Flüge bucht. Man darf nicht vergessen: Die Verbraucher sind sehr verunsichert, in vielen Fällen haben sie Zukunftsängste. Sehr viele können aus dieser Covid-19-Pandemie direkt in die Arbeitslosigkeit übergehen. Und das führt zu einer natürlichen Marktschrumpfung. Besonders in Deutschland. Denn der Deutsche ist eher vorsichtig und tendiert dazu, in solchen Zeiten lieber zu sparen.

In Deutschland haben sich das Bundesverkehrsministerium und die Verbände der Verkehrswirtschaft darauf geeinigt, dass der Mittelsitz im Flieger weiter besetzt werden darf. Auch Brüssel hält es nicht für nötig, sie frei zu lassen. Wo bleibt da das Social Distancing?

Das ist nicht nötig. Von Anfang an wurde gesagt: Das Problem besteht an Bord nicht. In der Kabine wird die komplette Luft alle zwei bis drei Minuten ausgetauscht, es gibt Filter. Da braucht es keine geringere Auslastung des Flugzeugs. Für die Airlines wäre ein freier Mittelsitz dagegen wirtschaftlich untragbar.

Es ist aber auch eine Frage der Psychologie. Die Menschen haben Bedenken. Wie kommunizieren die Fluggesellschaften jetzt, dass es nicht tragbar ist, ein Drittel der Sitze leer zu lassen?

Ich habe den Eindruck, das macht jede Fluggesellschaft für sich. Aber es ist ganz einfach: Man muss sich ja nur überlegen, was wäreder normale Preis für einen Flug Düsseldorf-Palma? Da liegt der Durchschnittspreis irgendwo bei 150 Euro, was mindestens auch nötig ist, um wirtschaftlich zu fliegen. Die Frage ist, ob der Passagier bereit ist, dreimal so viel zu zahlen.

Dreimal so viel scheint ein bisschen hochgegriffen. Üblicherweise ist von einem Aufschlag von etwa 50 Prozent die Rede, wenn man den Mittelsitz frei lassen würde.

Ich glaube, man würde wahrscheinlich zwischen Deutschland und Mallorca kein One-Way-Ticket für unter 500 Euro bekommen.

Wenn die Leute überhaupt fliegen wollen nach Corona. Die Beraterfirma Simpliflying hat eine Studie zum künftigen Fliegen vorgestellt: mindestens vier Stunden vor Abflug am Flughafen, Desinfektionstunnel, Körpertemperaturscanner, Immunitätspass hochladen. Hat sich Mallorca damit als Ziel für einen Wochenendausflug erledigt?

Da muss man ja nur ein bisschen zurückschauen. Nach dem 11. September 2001 dachten wir auch an so etwas. Am Ende haben die Leute den Sicherheitscheck akzeptiert. Und ich glaube, dass die Situation anders sein wird, sobald es eine Impfung gibt - wahrscheinlich vor der nächsten Sommersaison 2021. Dann wird sich das normalisieren. Sicher ist es unangenehm, dass man nun früher an den Flughafen muss. Und es ist damit zu rechnen, dass das manche abschreckt. Die vier Stunden allerdings sind für mich pure Spekulation. Was Mallorca angeht, gibt es zudem mittlerweile auch einen nicht unerheblichen Pendelverkehr von Menschen, die hier leben und in Deutschland arbeiten. Denen bleibt kaum eine Wahl.

Wenn man jetzt für Sommer einen Flug buchen will: Wie sehr kann man den Flugplänen und den Buchungsmöglichkeiten inzwischen wieder trauen?

Ich glaube, die Pläne sind ab Juli wieder realistisch. Die spanische Regierung will ja die Quarantäne zum 1. Juli aufheben.

Viele haben sich gewundert, warum es während des Lockdowns zwischen Deutschland und Mallorca überhaupt noch Flüge gab.

Das müssen Sie die entsprechenden Airlines fragen. Ich habe das auch nicht verstanden. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Eurowings auf den Strecken eine Auslastung von unter 30 Prozent hatte. Für mich ist das nicht nachvollziehbar, die Fluggesellschaften haben hier Geld verbraten. Was mich daran am meisten ärgert: Das ist ja die Lufthansa-Gruppe, die gleichzeitig dabei ist, vom Staat eine Unterstützung zu bekommen (am Montag wurde bekannt, dass der Bund bei der Lufthansa mit neun Milliarden Euro einsteigen will, Anm. d. Red.). Das heißt, hier haben mit Steuergeldern leichtsinnige Aktionen stattgefunden. Wenn ich deutscher Staatsbürger wäre, würde ich da richtig auf die Barrikaden gehen.

Kann man beziffern, wie viel Geld verbrannt wird, wenn ein Flug zwischen Deutschland und Mallorca mit zehn Prozent Auslastung unterwegs ist?

Das kommt darauf an, welchen Preis man zugrunde legt. Aber in jedem Fall sind es Zigtausende Euro.

Nachdem der Lockdown schon einige Tage alt war, konnte man noch Flüge buchen, die dann nicht stattfanden, was im Vorhinein klar war. Was war da los?

Da hat wahrscheinlich jedes Unternehmen ein bisschen spekuliert. Die Aussagen der verschiedenen Regierungen, was die Zukunft anging, waren ja auch ziemlich schleierhaft.

Von Ryanair sind uns Fälle bekannt, wo Leute für Juli Mallorca-Flüge gebucht haben, die dann storniert wurden. Später wurden dieselben Verbindungen wieder mit deutlich höheren Tarifen angeboten. Geht das mit rechten Dingen zu?

Ich finde das eine Schweinerei und kann nur raten, solche Airlines in Zukunft nicht mehr zu nutzen. Ich weiß nicht, ob man dagegen gerichtlich vorgehen kann. Aber ein Konsument kann hier konsequent sein. Leider sind es die wenigsten.

Ein weiteres Ärgernis sind die Erstattungen von stornierten Flügen. Die Airlines speisen die Leute mit Gutscheinen ab, statt das Geld zurückzuzahlen. Hier wird gegen europäisches Recht verstoßen. Wie ist das möglich?

Da bin ich überfragt. Es ist in jedem Fall Geld, das der Kunde der Airline vorausbezahlt hat. Die Leistung ist nicht erbracht. Und das Geld gehört der Airline nicht. Ich kann nur hoffen, dass die Europäische Gemeinschaft ein Machtwort spricht und reagiert.