Wie nah man auch auf Mallorca auf dem Höhepunkt der Pandemie an der sogenannten Triage war - der ärztlichen Auswahl derjenigen, die wegen höherer Überlebenschancen bevorzugt behandelt werden - , zeigen dieser Tage veröffentlichte Recherchen der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca". So ordnete das balearische Gesundheitsministerium am 11. April eine auf den Farben Rot-Gelb-Grün basierende Klassifizierung aller rund 5.000 Insassen von Senioren- und Pflegeheimen an.

"Rot" stand für einen "signifikanten kognitiven Verfall und keine oder nur geringe Mobilität und Autonomie". Diese Menschen benötigten "Komfort und Symptomkontrolle mit Palliativbehandlung" und sollten deswegen bei Ansteckung mit dem Coronavirus nicht auf reguläre Krankenstationen, sondern in die Palliativpflege überwiesen werden, so die Klassifizierung.

Bei mit "Orange" klassifizierten Senioren, sollte im Einzelfall über das weitere Vorgehen entschieden werden. Bei diesen Menschen lägen "komplizierte Krankheiten, Einschränkungen der Autonomie und ein moderater kognitiver Verfall vor", so das Ampel-Schema.

"Grün" stand hingegen für eine "gute Lebensqualität" und einen "hohen Grad an Autonomie". Bei Ansteckung konnten sie in die Krankenhäuser eingeliefert und dort auf die Intensivstation eingewiesen werden.

So wurde getestet

Zur Feststellung des Gesundheitszustandes griff man auf vier Testverfahren zurück: Der sogenannte Barthel-Index misst die Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags, der sogenannte Mini-Mental-Status-Test die Demenz, die Geriatrische Depressions-Skala den emotionalen Zustand und das sogenannte Functional Assessment Staging eine Alzheimer-Erkrankung.

Die Einstufung von Senioren je nach Geistes- und Gesundheitszustand ist in Pflege und Medizin weit verbreitet. In diesem Fall fand die von den einzelnen Einrichtungen vorgenommene Klassifizierung jedoch in großer Eile und unter hohem Druck statt. Bei Einführung des Ampel-Schemas schoss die Zahl der Infizierten in den Seniorenresidenzen gerade in die Höhe. Das Gesundheitsministerium hatte in drei privaten Seniorenresidenzen - Domus Vi und Oasis in Palma sowie Domus Vi in Costa d'en Blanes - interveniert.

Zugleich war die Sorge groß, dass die Betten auf den Intensivstationen nicht für alle schwer an Covid-19 Erkrankten reichen würden, womit dort eine Triage hätte durchgeführt werden müssen.

"Technische Entscheidung"

So aber übernahmen die Seniorenresidenzen diese Auswahl. "Das war eine schnelle Art und Weise, um den Gesundheitszustand der Senioren festzustellen und ihnen die für sie am besten geeignete sanitäre Maßnahme zukommen zu lassen", sagt Angélica Miguélez, stellvertretende Leiterin der balearischen Gesundheitsbehörde Ib-Salut, die das Ampel-Schema in Auftrag gab. Der Bioethik-Ausschuss des Gesundheitsministeriums wurde nicht informiert, es habe sich um eine "technische Entscheidung" gehandelt.

Auch die Angehörigen wurden nicht oder nur unzureichend über die Vorauswahl informiert. Im Gesundheitsministerium gingen deswegen etliche Beschwerden ein.

Die Pandemie ist derzeit auf Mallorca weitgehend unter Kontrolle. Wie viele an Covid-19 erkrankte Senioren letztlich auf einer Intensivstation, im Krankenhaus oder auf der Palliativstationen landeten, darüber informiert das balearische Gesundheitsministerium nicht. Es habe in keinem Moment an Intensivbetten gefehlt, heißt es dort.

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