Der Rote Blitz auf Mallorca hat endlich wieder grünes Licht bekommen: Am 25. Juni tummelt sich morgens ein kleines Menschenträubchen am Bahnhof in Palma und beobachtet, wie sich die historische Touristenbummelbahn in Position bringt. Das Reinigungspersonal steht Spalier. Um 10:30 Uhr beginnt die zweite Fahrt des Tages, die erste in Richtung Sóller seit der Corona-Zwangspause.

Vor dem Einstieg steht das obligatorische Desinfektionsgel bereit. Normalerweise wird der Zug zu 99 Prozent von Urlaubern genutzt. Die wenigen offensichtlich als solche erkennbaren Touristen werden heute direkt von der Presse in Beschlag genommen.

Krönender Abschluss

Dirk und Regina Müller aus Mühlheim an der Ruhr scheint das nicht zu stören: Sie haben im hintersten Waggon Platz genommen und erzählen geduldig, dass sie vor dem schlechten Wetter geflohen sind und eine Woche im Hotel Riu Bravo an der Playa de Palma verbracht haben. Die Fahrt mit dem Roten Blitz sei nun der krönende Abschluss, bevor es wieder nach Hause geht.

„Wir haben im Internet gestöbert und so erfahren, dass heute die erste Fahrt stattfindet", sagt Dirk. Sie genössen es, dass es diesmal nicht so voll sei wie sonst. Es ist bereits das dritte Mal, dass die beiden gemeinsam in die Bummelbahn steigen. Das „nostalgische Feeling" und die Fahrt durch die schöne Landschaft macht sie zu Wiederholungstätern. „Hier fahren ja heute auch Angestellte mit, für die ist das bestimmt ein erhebendes Gefühl", so Dirk.

Für Mitarbeiter etwas Besonderes

Die Eisenbahngesellschaft Ferrocarril de Sóller hat ihren Mitarbeitern und deren Angehörigen für die Jungfernfahrt freie Plätze angeboten. Einige von ihnen haben es sich im vorletzten Wagen gemütlich gemacht: Juan, der sonst an der Kasse sitzt, Xisco, der in der Werkstatt arbeitet und für Wartungsarbeiten zuständig ist, und der Fahrkartenkontrolleur Toni sitzen hintereinander auf jeweils einer eigenen Bank.

Alle drei leben in Sóller. Sie plaudern, scheinen die ganze Fahrt über blendend gelaunt zu sein und freuen sich sichtlich, dass der Zug nun wieder fährt - ebenso wie ein Mann, der begeistert lächelt und winkt, als die Bahn gemütlich durch Bunyola tuckert. Auf die Frage, wann sie selbst das letzte Mal Fahrgäste im Roten Blitz waren, macht Juan eine wegwerfende Geste und sagt: „Als ich noch jung war." Toni erwidert: „Also so vor 60, 80 Jahren?" Alle lachen und Juan korrigiert sich, natürlich sei er immer noch jung. Aber den Zug würden sie normalerweise nur nehmen, wenn das mit der Arbeit verbunden sei.

Ein kurzes Erinnerungsfoto ohne Maske

Stammgäste sind dagegen Vanesa, deren Mann als Elektriker für das Unternehmen arbeitet, und ihre Tochter Uxía, die während der Fahrt mit ihrem Handy die Landschaft filmt. „Das ist viel cooler als ein normaler Zug", sagt Uxía. Das letzte Mal waren sie vergangenen September an Bord. Ihre Mutter findet es heute ganz besonders schön, weil so wenig los ist. Im selben Abteil traut sich eine spanische Touristin, für ein Erinnerungsfoto kurz ihre Maske unters Kinn zu schieben und zwei Sekunden zu lächeln.

Mindestens 40 Fahrgäste verteilen sich über den ganzen Zug, schauen verträumt aus dem Fenster, erfreuen sich dem Luxus des vorhandenen Platzes und an der Brise beim erfrischenden Intermezzo der Tunneldurchquerung. Rund dreißig von ihnen sind laut der Eisenbahngesellschaft Mitarbeiter, der Rest normale Klientel.

Ausstieg nur in eine Richtung

Beim Panorama-Stopp mit Blick auf Sóller steigen alle gemäß der neuen Vorschrift in einer Richtung aus. Fahrkartenkontrolleur Emili überwacht das Geschehen. Für ihn fühlt sich der Tag etwas seltsam an: „Ich habe den Zug noch nie so leer erlebt, höchstens an einigen Wintertagen im Januar", sagt er. Es sei ihm noch ein bisschen zu entspannt.

Kurz vor der Einfahrt auf dem Bahnhof in Sóller heißen Zitronenbäume die Fahrgäste willkommen. Eine elegant gekleidete Dame mit einem Blumenstrauß im Einkaufsroller hat immer noch nicht begriffen, wo sie aussteigen muss, aber Emili ist bereits zur Stelle. Als alle Gäste den Zug verlassen haben, greift er sofort nach dem Desinfektionsspray und beginnt, die Metallgeländer damit zu säubern. Die Fahrt diente zusätzlich als Test für die Einhaltung der neuen Hygiene- und Sicherheitsprotokolle.

Gemischte Bilanz von der Eisenbahngesellschaft

Óscar Mayol, Präsident der Eisenbahngesellschaft, ist heute auch mitgefahren und zieht eine gemischte Bilanz: „Ich bin zufrieden, weil wir unsere Aktivität wieder aufgenommen haben, und weil die Probefahrt perfekt und ohne Probleme verlaufen ist", sagt er. „Aber die Kapazität war nur zu zehn Prozent ausgelastet."

Er blickt mit Sorge auf den Sommer, insbesondere auf die Werktage, und hofft, dass zunehmend mehr Touristen in den Roten Blitz steigen werden. Dann könne man auch den ausgedünnten Fahrplan wieder aufstocken, denn das Angebot richte sich natürlich nach der Nachfrage. Zunächst verkehrt der Zug zwei Mal täglich hin und zurück: Palma - Sóller um 10.30 Uhr und um 18.45 Uhr, Sóller - Palma um 9 Uhr und um 17:30 Uhr. Fahrkarten gibt es direkt beim Schaffner.

In Sóller beobachten die drei Kellnerinnen Consuela, Antonia und María, wie die Pionier-Gäste den Bahnhof verlassen und in die Stadt strömen. „Es ist sehr gut, wenn jetzt wieder Leute kommen", sind sie sich einig. Trotzdem bleibt auch eine gewisse Sorge, erklärt Consuela: „Wir brauchen Touristen, aber sichere Touristen."