Es bewegt sich etwas, im Urlaubsort Cala Ratjada im Nordosten von Mallorca. Das ist am Dienstagvormittag (30.6.) zu spüren. Der durch Corona verlängerte Winterschlaf scheint nun, bei brütender Sommerhitze, endlich zu Ende zu gehen. Zahlreiche Transporter und Lastwagen sind auf den Straßen unterwegs. „Hotelmobiliar" steht auf einem zu lesen. „Getränkelieferungen" prangt auf einem anderen. Und tatsächlich: Aus den Pools des Hotels Lago Playa Park am Stadtstrand Son Moll ist schon fröhliches Planschen bis auf den Parkplatz zu hören. „Wir haben am Wochenende aufgemacht, und die Reservierungszahlen sind durchaus zufriedenstellend", erzählt die Rezeptionistin. Von Angst vor dem Virus sei unter den Gästen nichts zu spüren. „Klar muss man sich etwas einschränken, aber wenn alle an einem Strang ziehen, geht es schon", sagt der deutsche Urlauber Anton Paulsen, der mit Maske in der Lobby steht. „Nur schade, dass man am Strand keine Liegen und Sonnenschirme ausleihen kann", findet er.

Tatsächlich ist außerhalb des Hotels kaum ein Tourist zu entdecken, am Strand von Son Moll sind nur wenige Besucher unterwegs, auch der Strandkiosk hat geschlossen. „Es kann sein, dass wir dieses Jahr gar keinen Ausleih-Service an den Stränden in der Gemeinde anbieten, das hängt aber letztlich vom Rathaus ab", sagt ein Mitarbeiter der beauftragten Konzessionsfirma zur MZ. „Erst mal wollen die wohl schauen, wie alles so anläuft."

Diese Haltung macht sich im ganzen Ort bemerkbar. Aufbruchsstimmung? Ja, aber verhalten. „Rund 25 Hotels werden in den kommenden Tagen und Wochen eröffnen, es wird rund ein Drittel der insgesamt gut 50.000 Hotelbetten belegt sein. Je nach Buchungslage könnten aber noch mehr dazukommen", heißt es beim örtlichen Hoteliersverband „First Sun Mallorca". Irgendwie scheint sich niemand so richtig zu trauen, auf einen regelrechten Touristenansturm zu hoffen.

Dennoch laufen die Vorbereitungen an der Meerespromenade auf Hochtouren, Wirte bereiten ihre Lokale für die Wiedereröffnung vor. So wie die Crew des Restaurants Mama Pizza. Tische werden geschleppt, Scheiben poliert, Dekoration aufgestellt - wenn auch aus Hygienegründen weniger als sonst. „Wir eröffnen morgen", so Inhaber Andreas Schweighofer. Eigentlich macht das Restaurant jedes Jahr im März auf. Wie fast überall im Ort ist nun der 1. Juli der Stichtag. „Wir haben schon sehr viele Reservierungen, da können wir uns nicht beklagen", so Schweighofer. Und vielleicht genießen die Touristen, die kommen, ja gerade, dass es in diesem Jahr mal nicht so rappelvoll ist, überlegt er. Doch auch der Gastronom scheut sich, zu optimistisch auf die nächsten Monate zu blicken. „So gut wie sonst wird es sicherlich nicht laufen, aber mit etwas Glück können wir bald alle Mitarbeiter wieder beschäftigen."

Nebenan lässt es Sergio Bergamasco ruhig angehen, seine Eisdiele Dolce Vita hatte als einer der wenigen Betriebe schon am 11. Mai eröffnet. „Ich habe derzeit nur etwa 20 Prozent der sonst üblichen Einnahmen. Jetzt dürfte es besser werden, aber wahrscheinlich muss ich zufrieden sein, wenn ich 50 Prozent des normalen Umsatzes mache."

So sehr der Neustart an der Promenade und auf den Hauptstraßen zu spüren ist - hier stehen auch viele kleine Supermärkte und Bekleidungsgeschäfte vor der Eröffnung -, so verlassen liegen die drei Diskotheken des Ortes da. Wo sonst um diese Jahreszeit Tausende feierwillige Deutsche die Nächte durchzechen, sind nun die Türen verrammelt wie im tiefsten Winter. „Wir bleiben voraussichtlich geschlossen, auch wenn es noch nicht ganz sicher ist", heißt es seitens der Kult-Disco Bolero. Auch das Physical plant derzeit keine Eröffnung. „Nicht bei der Gesetzeslage", so Inhaberin Mar Ribot. Ebenso der Bierbrunnen, das kleinere Pendant zum Bierkönig an der Playa de Palma. Hier versperren Bauzäune das Terrain. „Wir warten ab, wie sich alles entwickelt", so die Ansage. Feiern kann man derzeit nur an den Wochenenden, dann haben die Clubs La Santa und Chevy geöffnet - aber ohne Tanzflächen.

„Wir werden dieses Jahr einen anderen Tourismus haben", prophezeit Xesca Pasqual. Sie sitzt seit Mitte Juni täglich in der Touristen-Info an der zentralen Plaça dels Pins und dreht Däumchen. „Bisher ist noch kein Urlauber zu mir gekommen", sagt sie. Es sei unmöglich, in diesem Jahr langfristig zu planen. „Die Wirte und Einzelhändler hoffen auf Hoteleröffnungen, die Hoteliers haben mit Absagen und Hygienemaßnahmen zu kämpfen." Wenn es nun tatsächlich voll werde, würden die Disco-Betreiber sich vielleicht doch noch anders entscheiden. „Einige Unternehmer wollen alles daran setzen, zumindest ab jetzt Gewinn zu machen. Andere haben von vornherein gesagt, dass sie in diesem Jahr zu lassen."

Und wieder andere hat die Krise bereits ruiniert. So wie den deutschen Supermarkt Mundi Culinario im Ortsinnern. Hier sind fast alle Regale leer, die letzte Ware wird zum halben Preis verkauft. „Wir haben alles versucht, aber der Standort war bei der aktuellen Besucherzahl leider nicht zu halten", heißt es. Selbst wenn die Saison nun tatsächlich anläuft - Corona hat in Cala Ratjada Spuren hinterlassen.