Auf Mónicas Stirn haben sich Schweißperlen gebildet. Es mag an der drückenden Hitze liegen, die an diesem Tag schwer über den Straßen von Palma de Mallorca liegt. Oder an ihrer Nervosität. Unruhig knetet Mónica (Name von der Redaktion geändert) ihre Hände ineinander, ein paar Mal lacht sie unsicher auf. Es ist das erste Mal, dass die Kolumbianerin um Hilfe bittet. Sich eingesteht, dass sie es allein nicht schafft. Dass das Geld nicht reicht, die Perspektive fehlt, die Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa langsam, aber sicher verblasst.

„Du hast dich ganz schön verlaufen, nicht wahr?", fragt Laura Ríos und lächelt Mónica warmherzig zu. „Keine Sorge, das ist schon vielen passiert, und jetzt bist du ja hier." Langsam entspannt sich Mónicas Haltung ein wenig. Ríos arbeitet seit sechs Jahren als Sozialarbeiterin bei der Caritas, seit gut einem Jahr ist sie für das Brennpunktviertel Son Gotleu in Palma zuständig. Jede Woche kommen Dutzende Menschen wie Mónica zu ihr in die Büroräume an der Corpus-Cristi-Kirche, deren Eingang tatsächlich gar nicht so leicht zu finden ist.

Eigentlich sind Termine hier nur Freitagvormittag möglich. Wegen Corona und den wirtschaftlichen Folgen ist das Büro nun zwei Mal die Woche bis in den Nachmittag hinein geöffnet. Die Zahl der Hilfsbedürftigen sei seit dem Ausbruch der Pandemie in die Höhe geschossen, hatte Laura vor ihrem Termin mit Mónica erzählt. Zwischen Mitte März und Anfang Juni hat die Hilfsorganisation 5.500 Bedürftigen auf Mallorca zur Seite gestanden. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 waren es insgesamt 8.700 Menschen. Und auch die Telefone laufen heiß. Durchschnittlich erreichen die Caritas auf der Insel derzeit täglich 40 neue telefonische Hilferufe. „Es ist eine schwierige Situation gerade. Und sehr viel Arbeit", sagt Ríos.

Ohne Papiere, ohne Geld

Dennoch nimmt sie sich Zeit für Mónica. Die Kolumbianerin hat keine gültige Aufenthaltsgenehmigung in Spanien. So wie die meisten, die in Son Gotleu bei der Caritas vorsprechen. Menschen aus Lateinamerika, aus Osteuropa, aus Afrika. Menschen, die per Gesetz gar nicht hier sein dürften, und die täglich aufs Neue um ihr Überleben kämpfen müssen, weil ihnen der Zugang zum normalen Arbeitsmarkt verwehrt ist. Neun Monate lang kam Mónica dennoch ganz gut über die Runden, erzählt sie Laura Ríos erst stockend, dann immer sicherer. Sie habe eine alte Dame gepflegt, so wie viele Lateinamerikanerinnen, die ohne Papiere in Europa Fuß fassen wollen.

„Aber dann kam Corona, und die Frau konnte mich nicht mehr bezahlen. Ihr geht es finanziell kaum besser als mir", sagt Mónica. Mit Müh und Not fand sie ein Zimmer in einer Wohnung, in der außer ihr noch drei andere Erwachsene leben. 250 Euro muss sie dafür zahlen. „Aber ich habe kein Geld, keine Einnahmen, und ich weiß auch nicht, wie ich das ändern kann. Wenn ich nicht zahle, muss ich raus. Aber wohin?", sagt sie. Sie habe bereits Zettel mit ihrer Nummer verteilt, um sich als private Pflegekraft anzubieten. Resonanz gab es darauf nicht. „Vielleicht kann ich empanadas backen und verkaufen, an meine Landsleute hier", sagt sie und zuckt hilflos die Schultern.

Laura Ríos wiegt nachdenklich den Kopf. Sie ist es gewohnt, dass die Menschen, die bei der Caritas anklopfen, nach jedem noch so dünnen Strohhalm greifen. Eine halbe Stunde später entlässt sie die Kolumbianerin mit einem weiteren ermutigenden Lächeln und einem handgeschriebenen Merkzettel in der Hand. Dort hat sie notiert, wo Mónica kostenlose Lebensmittel bekommen kann und wann sie sich wiedersehen - in elf Tagen, im Caritas-Büro. Bis dahin werden ihre Daten in die elektronische Caritas-Jobbörse aufgenommen, Laura Ríos wird versuchen, mit einer Bank auszuhandeln, dass Mónica trotz fehlender Papiere ein Bankkonto eröffnen darf und sich bemühen, die balearische Sozialhilfe anzufordern. Nur ein paar Hundert Euro, aber immerhin. „Und dann werden wir versuchen, dich in Palma anzumelden und zusehen, dass du deine Mietkosten decken kannst. Hör dich bis dahin am besten weiter nach Jobs um, und vielleicht kann dich die alte Dame ja weiterempfehlen."

„Alles ist im Fluss"

An den Tagen, an denen das Büro in Son Gotleu geschlossen ist, koordiniert Laura sich mit ihren 72 fest angestellten Caritas-Kollegen, den Mitarbeitern der öffentlichen Sozialdienste oder anderer Hilfsorganisationen, begleitet Bedürftige zu offiziellen Terminen, unterstützt telefonisch - auch ihre Handynummer hat sie Mónica noch einmal mitgegeben. „Melde dich immer, wenn du Hilfe brauchst." Wie viele Überstunden Ríos derzeit macht, zählt sie gar nicht mehr. Und dann ist da natürlich die sich derzeit ständig wechselnde Gesetzeslage, bei der man auf dem neuesten Stand bleiben muss. „Seit Corona gibt es immer wieder neue Hilfen. Dann sind da die Kurzarbeitsregelungen, die Ansprüche auf Arbeitslosengeld und die Regelungen zum Kündigungsschutz während des Alarmzustands und danach - alles ist im Fluss. Es ist nicht leicht, den Überblick zu behalten", sagt Laura. Sie wirkt etwas müde, aber nicht mutlos.

„Ich versuche jedes Mal den Menschen aufzuzeigen, welche Rechte sie haben, welche Möglichkeiten es für sie gibt, auch wenn ihnen ihre Situation noch so ausweglos erscheinen mag", sagt sie. Dieser Teil ihrer Arbeit, der menschliche, fast psychologische Part, der den Bedürftigen Mut machen soll, sei wichtig. Aber ist das, was das Sozialsystem an handfesten Lösungen zu bieten hat, ausreichend? Erstmals verzieht die 36-Jährige das Gesicht, guckt ausweichend zu ihrem Assistenten Mahecor Mbenge. Er unterstützt Ríos seit Corona im Büro, sorgt dafür, dass sich trotz des Andrangs keine Menschenansammlungen bilden und dass alle die Hygienevorschriften einhalten. „Es gibt viele Hilfen mittlerweile, aber solange die Mieten so hoch bleiben, wird nie genug für die Menschen übrig bleiben", sagt Mahecor Mbenge.

Klagen ist keine Lösung

Man will sich nicht beschweren bei der Caritas, das wird im Gespräch deutlich. Nicht über den riesigen Berg an Arbeit, den die Mitarbeiter derzeit beackern müssen, nicht über den Personalmangel, weil kein Geld für zusätzliche Mitarbeiter da ist, und auch nicht über die Rahmenbedingungen, die der Staat vorgibt.

Sorgen mache sie sich schon, gibt Laura Ríos zu, aber nicht um sich, sondern um die Bedürftigen. Schließlich seien auch viele Familien mit Kindern betroffen, die während der Ausgangssperre in prekären Verhältnissen ausharren mussten, und denen nun weiter die Einkünfte fehlen. Sogar einen Schwarzarbeitsjob zu ergattern, um ein paar Euro dazuzuverdienen, sei derzeit nicht leicht. Zu viel Konkurrenz gebe es, zu hoch sei die Zahl der Arbeitslosen. Auch die familiäre Unterstützung gerate mittlerweile oft an ihre Grenzen, deshalb kämen vermehrt auch Mallorquiner als Bittsteller zur Caritas. „Unsere Tafeln sind total überlaufen. Aber was sollen wir machen? Niemand darf auf der Strecke bleiben. Für jeden muss eine Lösung her. Irgendwie", sagt Laura Ríos.