Die Corona-Krise hat die Aufmerksamkeit auch auf die Lage der lokalen Landwirtschaft gelenkt. Der Absatz in Restaurants und Hotels brach zeitweilig zusammen, es schlug die Stunde der Dorfläden und des Online-Direktverkaufs. An vorderster Front für die lokalen Produkte kämpft Mae de la Concha, balearische Landwirtschaftsministerin und Generalsekretärin der Linkspartei Podemos. Die 65-jährige ehemalige Buchhändlerin von Menorca hat bislang für den Sektor Hilfspakete von 1,8 Millionen Euro auf den Weg gebracht.

Was wiegt schwerer, Krise oder Chance?

Die neuen Initiativen konnten den Schaden bislang bei Weitem noch nicht ausgleichen. Das Problem ist das Ungleichgewicht aus den Zeiten vor Corona: Praktisch 70 Prozent der Insel-Erzeugnisse gingen an Restaurants und Catering-Firmen. Die lokalen Verbraucher dagegen kauften in erster Linie importierte Lebensmittel. Logisch ist das nicht. Eigentlich sollte nur importiert werden, was nicht ausreichend hier produziert werden kann.

Wie groß ist der Schaden durch Corona?

Enorm, der wichtigste Absatzkanal brach weitgehend weg. Deswegen hat das Landwirtschaftsministerium schnell einen Aktionsplan aufgelegt, damit die verderbliche Ware nicht weggeschmissen werden musste. Die Handelsketten haben sich sehr kooperativ gezeigt. Aber das Geschäftsmodell lässt sich nun einmal nicht von einem Tag zum anderen ändern.

Glauben Sie denn, dass es sich ändern wird?

Der Umbruch hat bereits eingesetzt. Bislang waren sich viele Menschen gar nicht bewusst, wie sehr wir von importierten Lebensmitteln abhängen. Das änderte sich bereits mit dem Sturmtief Gloria zu Jahresbeginn, als plötzlich Regale in den Supermärkten wegen Lieferproblemen leer blieben. In den Dorfläden dagegen gab es ausreichend lokale Produkte. In der Corona-Krise haben die Bauern weiter produziert, obwohl nicht klar war, ob es mit dem Absatz überhaupt klappen würde. Das hat viel Solidarität in der Bevölkerung geweckt.

Bei den Handelsketten finden sich die Insel-Produkte aber bislang in erster Linie in Aktionsregalen statt im regulären Sortiment.

Die Handelskonzerne haben noch einen weiten Weg vor sich, und viel hängt letztendlich von den Kunden ab. Wenn die Verbraucher lokale Produkte nachfragen, wird sich etwas ändern. Aber ein Anfang ist gemacht, dank der Krise. Viel Potenzial haben zudem Online-Plattformen, auf der sich Bauern zusammentun und die Vermarktung optimieren, sowie auch die Direktvermarktung.

Die Bestellung von Obst- und Gemüsekisten durch Privathaushalte hat mehr als symbolische Bedeutung?

Ich denke schon. Da gibt es eine junge Generation, die mit den digitalen Möglichkeiten umzugehen weiß. Diese Kombination aus Tradition und neuer Technologie trägt Früchte.

Inwieweit kann Mallorcas Landwirtschaft die Menge und den Preis sicherstellen, den die Handelsketten voraussetzen?

Die Landwirtschaft auf den Balearen hat einen Wettbewerbsnachteil durch die Insellage. Die Bauern haben höhere Kosten, beim Treibstoff, beim Dünger, bei allem, was vom Festland geliefert werden muss. Wir sind in Gesprächen mit dem spanischen Landwirtschaftsministerium, damit dem Rechnung getragen wird. Hinsichtlich der Menge und der Vermarktung werden die jetzt entstehenden Plattformen einen wichtigen Dienst leisten. Wir setzen uns regelmäßig mit allen Akteuren zusammen, jetzt zuletzt mit den Winzern. Sie haben keine akuten Probleme wie die Gemüse- und Obstbauern. Aber das Wegbleiben der Urlauber ist ein schwerer Schlag.

Was also tun mit dem Wein?

Es gibt keine schnelle Lösung, zum Glück lässt sich der Wein lagern. Wir glauben, dass die emotionale Verbindung der Deutschen mit Mallorca so stark ist, dass sie Produkte von hier kaufen, wenn sie schon dieses Jahr nicht zum Urlaub auf die Insel kommen. Wir wollen hierzu Vermarktungskanäle aufbauen oder auch bestehende Kanäle umfunktionieren.

Welche Insel-Produkte haben am meisten Potenzial, dass Supermärkte

Zum einen gibt es die bekannten Qualitätsprodukte wie Olivenöl, Wein, Sobrassada oder Mahón-Käse. Andere Produkte sind weniger bekannt, aber auch von hoher Qualität, etwa der Reis aus Sa Pobla, ganz zu schweigen von den Öko-Produkten. Auch aus dem Honig ließe sich viel machen, oder etwa den Kakis. Es kommt jetzt darauf an, dass wir schnell reagieren, kreativ sind und zusammenarbeiten.

Die großen Supermarktketten kaufen in erster Linie zentral ein...

Die Regeln sind nicht unumstößlich. Zentraler und lokaler Einkauf lassen sich kombinieren, vor allem wenn die Kunden das so wollen. Ich hoffe außerdem, dass die Läden in Dörfern und Stadtvierteln sowie auch die Märkte bestehen können und der Online-Verkauf weiter ausgebaut wird. Die örtliche Landwirtschaft war bislang so etwas wie das hässliche Entlein, sie hat aber eine große Zukunft.

Öko-Aktivisten sehen in ihr Potenzial, um wirtschaftliche Alternativen zum Massentourismus aufzubauen. Wie viel könnte die Landwirtschaft zum Bruttosozialprodukt der Inseln beitragen?

Derzeit ist es weniger als ein Prozent. Dabei war Mallorca früher eine landwirtschaftliche Großmacht. Allein nach Barcelona wurden Anfang des 20. Jahrhunderts jährlich 800.000 Dutzender-Packs Eier exportiert. Und die zerfallenen Windmühlen überall auf der Insel zeugen vom großflächigen Getreideanbau.

Aber was heißt das für die Zukunft?

Das Potenzial ist grenzenlos. Jeder Verbraucher sollte sich zum großen Teil mit lokalen Produkten versorgen können. Es ist schon erstaunlich, dass es auf Mallorca keinerlei fischverarbeitende Industrie gibt. Und warum schenken

Mallorcas Hotels keinen Wassermelonensaft aus, zumal es sich mehr noch als bei den Orangen um Saisonfrüchte handelt? Erstmals haben wir jetzt Studien zur Bedeutung der lokalen Produktion vorliegen. Auf Menorca macht sie zwölf Prozent des Konsums aus, auf der früheren Bauerninsel Ibiza weniger als drei Prozent. Auf Mallorca dürften es acht Prozent sein.

Welchen Prozentsatz streben Sie an?

Das hängt auch von den Ernährungsgewohnheiten ab, mehr als 30 Prozent sind sicherlich möglich. Wer sich gesund ernährt, kommt sogar ausschließlich mit Insel-Produkten aus. Wer Ketchup, Sojasauce, Erfrischungsgetränke und Fertigpizza braucht, natürlich nicht. Wir machen neuerdings Verkostungen mit Kindern, damit sie lokale Produkte kennenlernen. Viele haben sie zum ersten Mal probiert.