Dass er keinen einfachen Job übernehmen würde, das wusste Toni Quetglas schon bei seinem Amtsantritt. Schließlich hatte seine Vorgängerin Salud Deudero den Posten als Direktorin des Centre Oceanogràfic de Balears (COB) auf Mallorca im September 2018 hingeschmissen - und auch aus dem Grund dafür keinen Hehl gemacht: Der bürokratische Kollaps, unter dem das ozeanografische Institut Spaniens (IEO) mit seinen neun regionalen Ablegern leide, mache die Forschung nahezu unmöglich.

Knapp anderthalb Jahre später hat nun auch Quetglas die Nase voll. Schon Mitte Juni reichte er seinen Rücktritt ein. Dass er zwei Monate später formal trotzdem noch im Amt ist, verdeutlicht das grundlegende Problem des IEO einmal mehr. Tatsächlich wird das einstige Aushängeschild der spanischen Forschung, das 1914 gegründet wurde, bald seine Eigenständigkeit aufgeben müssen. Man sei vor wenigen Tagen schriftlich benachrichtigt worden, dass das IEO im Consejo Superior de Investigaciones Científicas (CSIC) aufgehen soll, der größten öffentlichen Forschungs­einrichtung Spaniens, so Quetglas.

Dass sich die neun Regionalableger des Instituts davon keine Besserung ihrer Situation versprechen, wurde unmittelbar deutlich: Nach der Ankündigung legten auch die Regionaldirektoren von Asturien, Galicien und auf den Kanaren ihre Ämter nieder. Die Direktorin des Centro Oceanográfico von Cádiz hatte den Verzicht auf ihren Posten bereits gleichzeitig mit Quetglas verkündet, nachdem beide im Juni frustriert aus einer Sitzung mit jenem Verantwortlichen gekommen waren, den der spanische Wissenschaftsminister Pedro Duque zur Rettung des sinkenden Forschungsschiffs IEO eingesetzt hatte.

Auf Mallorca hatten die internen Probleme des IEO zuletzt Anfang Juli für Furore ­gesorgt. Damals wollte die Hafenbehörde in Palma das dem balearischen Zentrum gehörende Forschungsschiff „Ángeles Alvariño" nicht mehr in den Hafen einlaufen lassen, weil sich über 4.000 Euro Schulden angehäuft hatten. „Es ist ein großes Schiff, das ohne Lotsen nicht im ­Hafen navigieren kann", erklärt ­Quetglas. Doch eben diese Leistung sei seit Längerem nicht ­bezahlt worden. „Die Hafenverwaltung ist natürlich mächtig genug zu sagen ,So nicht', und Madrid hat innerhalb weniger Stunden bezahlt, damit das Schiff anlanden konnte. Aber viele unserer Gläubiger können ihre ­Stimme leider nicht so laut erheben und sitzen ­immer noch auf ihren Außenständen."

Der Mallorquiner nimmt kein Blatt vor den Mund, man merkt ihm an, wie sehr ihn die vergangenen Monate mitgenommen haben. Das Grundproblem lässt sich schnell zusammenfassen: Trotz eines Guthabens von rund 80 Millionen Euro auf dem Konto des Instituts in Madrid hat das Centre Oceanogràfic de ­Balears seit Januar nicht eine einzige Rechnung bezahlt. Erst am 30. Juli sei die ­Blockade des Kontos für laufende Kosten aufgehoben worden, berichtet Quetglas. Es hake schlicht am Makromanagement in ­Madrid, wo die ­bürokratischen Anforderungen für simpelste Anschaffungen völlig aus dem Ruder gelaufen seien. Häufig fehle es an einfachsten Büro­materialien. Der Kauf von Toilettenpapier ­erfordere seitenweise Papierkram, und dass die rund 70 Kollegen des COB die zum Betrieb von Messgeräte nötigen Batterien frustriert aus eigener Tasche bezahlen, um so die Datenerhebung historischer Messreihen nicht zu ­gefährden, sei mittlerweile eher die Regel als die Ausnahme.

Quetglas berichtet von bereits für Forschungsprojekte von der EU überwiesenen Geldern, die letztendlich zurückgezahlt werden mussten, weil man die Summen nicht fristgerecht habe ausgeben können. Dass sich die Wissenschaftler vor Ort ins Zeug legen und Zeit und Mühe daran setzen, die dringend ­benötigte Finanzierung für ihre Projekte zu ­erhalten, diese aber dann daran scheitert, dass die nötigen Gelder in der Zentralkasse in ­Madrid eingefroren sind, will Quetglas immer noch nicht in den Kopf.

Zumal die Probleme nicht eben neu sind. Aus einem 135 Seiten langen Dossier, das das zuständige Ministerium des früheren Astronauten und zumindest bei seinem Amtsantritt gelobten spanischen Wissenschaftsministers Pedro Duque im Februar in Auftrag gegeben hatte, geht hervor, dass die Strukturen des IEO noch aus den 80er-Jahren stammen und hoffnungslos veraltet sind. Dabei habe man aus wissenschaftlicher Sicht immense Fortschritte gemacht, so Quetglas. Er sei stolz auf die Arbeit seiner Kollegen und werde das COB auch dann nicht verlassen, wenn Madrid endlich einen Nachfolger ernennt: „Ich bin Beamter und habe hier eine feste Stelle als Forscher."

Das könnte nach Elfenbeinturm klingen, relativiert sich jedoch rasch mit der Nachfrage nach seinem Lieblingsforschungsprojekt. Quetglas verweist - noch ganz in der Rolle des Direktors - zunächst auf die Vielzahl interessanter Studien, die die zehn verschiedenen Forschungsgruppen des COB ausführen. Und erklärt dann das mehrjährig angelegte Projekt zur Bestimmung einer Strategie für den ­Umgang mit dem Meer: In einem der repräsentativsten Projekte des IEO erforschen die Wissenschaftler auf Mallorca das Ökosystem und bestimmen die Auswirkungen menschlicher Aktivität auf Fauna und Flora. Im Zuge des Projekts sollen zudem auch Indikatoren ent­wickelt werden, die messbare Standards für ein gesundes Meeressystem liefern.

Ein praktischer Verwendungszweck, von dem auch die Gesellschaft etwas hat. Und ­damit der krasse Gegensatz zum Klopapier­bestellungsantrag in fünffacher Ausführung.