Die neuen Corona-Zahlen von Dienstag (25.8.) wirken alarmierend. 908 Neuinfektionen in den vergangenen 24 Stunden meldet die balearische Gesundheitsbehörde in einer Pressemitteilung (hier sehen Sie die genauen Zahlen). Das sind nicht viel weniger als die im fast gleichen Zeitraum dem Robert-Koch-Institut für ganz Deutschland übermittelten 1.278 Neuansteckungen.

Wie am Nachmittag eilig seitens der Balearen-Regierung nachgeschoben wurde, handelt es sich bei den 908 "neuen" Covid-Erkrankten teilweise um Fälle, die in den Tagen zuvor noch nicht in die Statistik eingespeist worden waren. Viele Neuansteckungen hätten sich in den vergangenen Tagen "aufgestaut", sagte eine Behördensprecherin gegenüber dem "Mallorca Magazin".· Man arbeite seit Montag mit mehr Personal und könne dementsprechend "Fälle nachmelden". Man werde sich also nicht an diese hohen Zahlen gewöhnen müssen, hieß es auch gegenüber anderen mallorquinischen Medien.

Dass dieses "Nachmelden" bei den Zahlen der dokumentierten Covid-19-Neuinfektionen auf Mallorca und den Nachbarinseln zu offensichtlichen Unstimmigkeiten führt, ergeben auch MZ-Recherchen. Grund zu der Annahme gibt ein Blick auf die Statistiken, die das zentralspanische Gesundheitsministerium täglich veröffentlicht (externer Link) und aufgrund derer sich auch der wichtige Wert der kumulierten Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage pro 100.000 Einwohner errechnet. Auf dieser Grundlage stufte das Robert-Koch-Institut in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung die Balearen am Freitag (14.8.) als Risikogebiet ein und sprach eine Reisewarnung aus - was wiederum verheerende Folgen für die Inselwirtschaft und für die Urlaubspläne Tausender Deutscher hat.

In der Statistik des spanischen Gesundheitsministeriums (Ministerio de Sanidad) war am Montag (24.8.) nachzulesen, dass auf den Balearen in den vergangenen sieben Tagen 375 Neuinfektionen verzeichnet worden waren. Die Zahl der Neuinfektionen der vergangenen Woche auf 100.000 Einwohner lag demnach derzeit bei 32,62 - erstmals seit zwei Wochen unter der Marke von 50.

Das ließ aufhorchen - schließlich sprach der Corona-Sprecher der balearischen Gesundheitsbehörden, Javier Arranz, erst am Montag (24.8.) in einer Pressekonferenz von einer "zweiten Welle" und nannte allein für die vergangenen drei Tage (Samstag bis Montag) 352 Neuinfektionen.

Auch wer rechnen kann, erkennt, dass die Zahlen aus Madrid in keiner Weise mit denen übereinstimmten, die die balearische Landesregierung in den vergangenen Tagen veröffentlicht hatte. Zwischen dem 18. und 24. August waren, wenn man die Zahlen der Pressemitteilungen der Landesregierung (externer Link) zusammen rechnet, insgesamt 1.246 Neuinfektionen auf den Balearen verzeichnet worden. Wie also kam die Zahl 375 und der damit einhergehende niedrige Wert von 32,62 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner zustande, den das spanische Gesundheitsministerium veröffentlichte?

In Madrid wies man jede Verantwortung von sich. "Wir verlassen uns bei den Angaben auf die Daten, die uns die autonomen Regionen zukommen lassen. Es ist für uns sehr schwierig, diese Zahlen zu überprüfen", so eine Sprecherin des spanischen Gesundheitsministeriums. Sie riet der MZ, bei der Balearen-Regierung nachzufragen.

Dort räumt eine Pressesprecherin ein, dass es bei den Zahlen durchaus Unstimmigkeiten geben könne. Aufgrund der großen Testmenge und der daraus resultierenden Ergebnisflut, die täglich im balearischen Gesundheitsministerium eingehe, sei es durch "bürokratische Prozesse" derzeit "unmöglich", exakt zu sagen, wie viele Neuinfektionen täglich auf den Balearen geprüft würden.

"Es kann sein, dass einige Testergebnisse beispielsweise heute zu den Neuinfektionen dazu gezählt werden, obwohl sie von gestern sind oder noch länger in der Vergangenheit liegen", so Navarro. Nach Madrid schicke man nur die Zahlen, die ganz sicher aktuell seien. Auf die Frage, wieso dann stets tagesaktuell genaue Zahlen über Neuinfektionen innerhalb der vergangenen 24 Stunden an die Presse gegeben würden, weiß sie auch keine rechte Antwort.

"Wirklich mit Sicherheit sagen, wie viele Neuinfektionen wir an welchem Tag im August dokumentiert haben, können wir erst rückblickend in einigen Monaten", so die Pressesprecherin. Sie stritt auch nicht ab, dass der daraus resultierende Wert auf 100.000 Einwohner entsprechend "ungenau" sei. Es handele sich dabei vielmehr um "eine theoretische Zahl".

Eine theoretische Zahl, die jedoch in der Praxis durchschlagende Auswirkungen hat. Wie das Auswärtige Amt auf MZ-Anfrage bestätigt hat, werden Schutzmaßnahmen wie die Einstufung als Risikogebiet oder Reisewarnungen dann ergriffen, "wenn das jeweilige Land oder einzelne Regionen die Neuinfiziertenzahl im Verhältnis zur Bevölkerung von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner kumulativ in den letzten 7 Tagen überschreiten".

Und weiter: "Maßgeblich sind für uns insbesondere die Zahlen des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC)." Wie aus der ECDC-Website hervorgeht, bezieht man dort die jeweiligen Daten von den Regierungen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Sprich: vom spanischen Gesundheitsministerium, das sich wiederum auf die Daten der Balearen-Regierung verlässt.

Trotz mehrfacher Nachfrage der MZ war bis Dienstagnachmittag (25.8.) kein verantwortlicher Politiker in der Balearen-Regierung für eine Stellungnahme verfügbar.

Dafür veröffentlichte das Gesundheitsministerium in Madrid am Abend seine aktualisierten Statistiken. Demnach ist die Inzidenz auf den Balearen von Montag auf Dienstag wieder auf 78,21 Fälle pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen gestiegen. /somo