Wenn María del Mar Cerezalez in diesen Tagen auf Mallorca im Meer baden will, muss sie von ihrem Wohnort Palma de Mallorca aus ganz in den Norden nach Alcúdia fahren. Die Mallorquinerin leidet an einer seltenen Muskelschwund-Erkrankung und sitzt daher im Rollstuhl. Die Gemeinde Palma de Mallorca oder auch Calvià bieten an einigen ihrer Strände zwar eigentlich besondere Hilfen für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit an. Wegen der Corona-Pandemie gelten dort jedoch gerade besondere Sicherheitsprotokolle, laut denen die Rettungsschwimmer etwa wegen der rigiden Abstandsregelungen nicht wie sonst mit anpacken dürfen, um Menschen mit Bewegungseinschränkungen ins Meer zu verhelfen.

Auf Hebekran angewiesen

Ohne die Hilfe von ausgebildetem Personal ist es für Cerezalez trotz der Unterstützung ihrer Begleitperson unmöglich, ins Wasser zu gelangen. Sicher fühlt sie sich derzeit nur, wenn sie einen der fest im Sand installierten, teuren Hebekräne nutzen kann. Die sind bisher nur in der Gemeinde Alcúdia verfügbar. „Die Kräne sind sehr leicht zu bedienen, und dank ihnen komme ich trotz meiner schwerwiegenden Einschränkung allein mit der Hilfe meiner Begleitperson leicht in den Amphibienstuhl. Mit dem kann sie mich anschließend ins Wasser schieben", erzählt die 44-jährige Mallorquinerin. Wenn sie nach dem Bad nass aus dem Wasser komme, sei die grúa sogar noch unabdingbarer. „So rutsche ich nicht aus oder aus den Armen meiner Begleiterin und verletze mich nicht", erklärt Cerezalez.

Doch es ist nicht nur die teure Installation, in die bald auch andere Gemeinden investieren wollen, die die Journalistin am Meer braucht. Auch die behindertengerechten Toiletten seien in Alcúdia trotz Pandemie im Gegensatz zu denen an anderen leicht zugänglichen Stränden geöffnet. „Hier fühle ich mich als Person mit eingeschränkter Mobilität nicht diskriminiert", so Cerezalez.

Die 44-Jährige ist längst nicht die einzige Inselbewohnerin, der die fehlenden Dienste und Hilfen während der Pandemie an den ohnehin wenigen barrierefreien Stränden bitter aufstoßen. Ende Juli demonstrierten in Ciutat Jardí auch Mitglieder des balearischen Ablegers des spanischen Behinderten-Verbandes CERMI für bessere Bedingungen.

Laut Vorstandsmitglied Alessandro Marinelli bemängelten die Teilnehmer dabei etwa, dass die Toiletten geschlossen seien. „Für eine Person, die zum Beispiel an Inkontinenz leidet, muss es möglich sein, vor oder nach dem Bad auf die Toilette gehen zu können", sagt Marinelli. Ebenfalls kritisierten die Demonstranten, dass die socorristas beim Umsetzen vom Rollstuhl in den Amphibienstuhl laut der Corona-Protokolle nicht mehr helfen dürfen, sondern stattdessen ausreichend Sicherheitsabstand zu den Badegästen einhalten müssen. „Sie stellen hilfsbedürftigen Badegästen die Gefährte zwar bereit, schieben sie jedoch nicht mehr hinunter zum Wasser."

Ärgerlich sei ebenso, dass Rollstuhlfahrer immer weit im Voraus ihren Strandbesuch ankündigen müssen, um Hilfe zu bekommen oder einen der Plätze auf den Plattformen im Schatten zu reservieren. Und auch sehbehinderte Badegäste könnten derzeit nicht im Meer vor Mallorca baden, da sie wegen der Corona-Auflagen nicht ausreichend von den Helgern begleitet werden können.

Und dabei seien die Hilfen an Palma de Mallorcas Stränden mittlerweile sehr gut, „nur wegen der derzeit geltenden Sicherheitsmaßnahmen entstehen für unsere Badegäste eben große Nachteile", so Marinelli.

Palma de Mallorca sollte sich als Hauptstadt der Balearen schämen, dass die Bedingungen dort schlechter sind als in anderen Gemeinden, findet Cerezalez. Ihre Lieblingsstrände liegen zwar nicht im Stadtgebiet, ab und an sei sie aber trotzdem gerne dort. „Das Baden im Meer ist für mich und viele andere Menschen mit ähnlichen Erkrankungen sehr heilsam. Im Wasser muss ich mein Gewicht nicht tragen und kann meine Beine und Arme viel leichter bewegen, was außerhalb vom Wasser fast unmöglich ist. Gerade sind wir also doppelt benachteiligt", so Cerezalez, die damit anderen Betroffenen aus der Seele spricht.

Das Rathaus reagiert

Bürgermeister José Hila (Sozialisten) räumte auf die Klagen der Demonstranten hin zunächst ein, dass die Stadt Menschen mit Behinderungen derzeit keinen adäquaten Service bietet und entschuldigte sich dafür. Die Stadtverwaltung arbeite bereits seit Jahren an einer Verbesserung. Aufgrund der Pandemie sei es in einigen Bereichen aber zu Verzögerungen gekommen, heißt es in Palma de Mallorcas Rathaus.

Die Demonstration blieb aber nicht ohne Wirkung: „In vielen Punkten kam man uns entgegen", meint Marinelli. Die Stadt habe beispielsweise zugesichert, dass die Toiletten für Menschen mit Behinderung auf Anfrage geöffnet und danach desinfiziert würden, so der 42-Jährige über die Antwort aus dem Rathaus. Beim Umsetzen vom Rollstuhl in den Amphibienstuhl könnten die Rettungsschwimmer in diesem Jahr trotz Desinfek­tionsmittel und Handschuhen wegen des Ansteckungsrisikos für alle Beteiligten zwar nicht assistieren. Aber sie könnten den Amphibienstuhl ins Wasser schieben - sofern dafür kein Körperkontakt notwendig ist. Im kommenden Jahr wolle man ohnehin in einen Hebekran wie die in der Gemeinde Alcúdia investieren. Auch die Telefonnummer für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit soll bald wieder erreichbar sein. Marinelli: „Jetzt müssen wir nur noch mit den anderen Gemeinden auf Mallorca verhandeln, aus denen uns ebenfalls Beschwerden erreicht haben."