Die sozialen Folgen der Corona-Krise werden immer deutlicher. Die Armut breitet sich aus. „Wer mit seinem Geld nicht auskommt, muss an die Tür des Sozialamt des Rathauses anklopfen", sagt Catalina Trobat. Sie ist die „coordinadora de Bienestar Social" im Rathaus von Palma.

Welche Hilfe bietet das Rathaus an?

Wir bieten eine vom Einkommen abhängige finanzielle Hilfe an. Dabei wird der Haushalt berücksichtigt, in der die Person lebt. Anders als beim staatlichen Mindestlohn, dem Ingreso Mínimo Vital (IMV), gibt es keine Bedingung, wie lange der Antragsteller außerhalb des Elternhauses oder in Spanien gelebt haben muss. Eine Person darf derzeit nicht mehr als 815 Euro im Monat verdienen, um Sozialhilfe beziehen zu können. Außer in Notfällen, wie wenn jemand plötzlich aus seiner Wohnung rausfliegen soll. Das steigert sich schrittweise bis zu 1.629 Euro bei sieben oder mehr Per­sonen im Haushalt. Wir wollten die Grenzen ­Anfang des Jahres bereits erhöhen, dann kam Corona dazwischen. Ich hoffe, dass wir das bis Oktober abhaken können. Die Sozialhilfe ist zudem mit anderen Hilfen, wie dem IMV kompatibel. Diese müssen die Bedürftigen aber beim spanischen Sozialamt selbst beantragen.

Wie läuft der Antrag beim Rathaus ab?

Der erste Schritt ist ein Termin beim Sozial­arbeiter. Wegen der Pandemie ist es derzeit Pflicht, über die Telefonzentrale 971-22 59 77 einen Termin beim Sozialarbeiter auszumachen. Die Beratung erfolgt dann in einem der zehn über die Stadt verteilten Büros des ­Sozialamtes.

Die Telefonzentrale war in den vergangenen Wochen nur schlecht erreichbar €

Es gingen viele Anrufe ein. Einige Mitarbeiter waren auch im Urlaub. Ab dem 1. September soll die Rufnummer aber nur noch für neue Anfragen bereitstehen. Dort werden etwa 20 Mitarbeiter die Anfragen vorsortieren, um die Stadtteilbüros zu entlasten.

Welche Dokumente muss man zum Termin beim Sozialarbeiter mitbringen?

Der Sozialarbeiter prüft in erster Linie, ob der Antragsteller wirklich in Palma gemeldet ist. Danach muss das Einkommen nachgewiesen werden, egal ob es durch eine Arbeit oder die staatliche Sozialhilfe zusammenkommt. Ausweis, NIE und das Familienbuch sollte man dabeihaben. Die Sozialarbeiter sagen vor dem Termin, falls sie noch andere Dokumente ­sehen möchten. Bedürftige haben jedoch keinen Rechtsanspruch auf die Hilfe vom Rathaus. Es gibt auch keinen festgeschriebenen Betrag. Die Sozialarbeiter fragen, welche Rechnungen noch offen sind und was die ­Bedürftigen brauchen. Demzufolge werden individuelle Zuschüsse beispielsweise für die Miete oder Lebensmittel für einen begrenzten Zeitraum gewährt.

Gibt es für ausländische Residenten die Möglichkeit, in anderen Sprachen als Spanisch mit dem Sozialarbeiter zu sprechen?

Wir haben Sozialarbeiter, die Deutsch, Englisch oder Arabisch sprechen. Zudem arbeiten wir mit dem Amt für Soziale Gerechtigkeit zusammen, das Übersetzer stellt. In besonderen Fällen, wie bei Problemen mit dem Ausweis, kontaktieren wir das jeweilige Konsulat.

Wie viele neue Anfragen haben Sie durch die Pandemie bekommen?

In den vergangenen zehn Jahren haben wir jährlich zwischen 4.900 bis 5.200 Familien ­geholfen. Das hat zwischen fünf und acht Prozent der Einwohner Palmas ausgemacht. Jetzt bearbeiten wir 12.000 Fälle, mit der gleichen Mitarbeiteranzahl wie zuvor. Wir versuchen, weitere Leute einzustellen.

Die Anzahl der Familien, die Hilfen beziehen, hat sich also mehr als verdoppelt?

Nicht immer geht es um finanzielle Hilfen. Geld fließt derzeit nur in 7.800 Fällen. Wir bieten auch beispielsweise psychologische Betreuung, Pflegeleistungen oder eine Hilfe beim Tragen der Einkaufstüten nach Hause an.

Es steht ein harter Winter bevor €

Nach dem Weihnachtsgeschäft bis Ostern steigen jedes Jahres die Arbeitslosenzahlen auf den Balearen stark an. In diesen drei Monaten gibt es immer eine große Nachfrage nach ­Sozialhilfe. Für das kommende Jahr will ich mir die Ausmaße nicht einmal vorstellen.

Ist genügend Geld im Etat vorhanden, um allen zu helfen?

Das ist die alles entscheidende Frage. Wir haben jedes Jahr etwa vier Millionen Euro zur Verfügung. Da die Mieten auf Mallorca sehr hoch sind, wollten wir schon vor Corona die Hilfen erhöhen. Dadurch beträgt der Etat für 2020 4,66 Millionen Euro. Das Geld haben wir bis Juni ausgegeben. Von den 700 Millionen Euro Corona-Hilfen, die die Zentralregierung den Regionen zugesichert hat, haben 1,65 Millionen Euro das Sozialamt von Palma erreicht. Zudem haben wir aus anderen Etats 600.000 Euro zusammengekratzt. Dadurch kommen wir derzeit auf 6,9 Millionen Euro, die wahrscheinlich im September aufgebraucht sind. Bis zum Jahresende brauchen wir weitere zwei Millionen Euro. Das muss die Regierung in der nächsten Plenarsitzung beschließen.

Der IMV sollte die regionalen Sozialämter entlasten. Durch die Vielzahl an Anträgen ist die Behörde überlastet und kaum jemand hat bislang Geld bekommen €

Die Beschwerden darüber bekommen auch Sozialministerin Fina Santiago und ich zu hören. Viele Leute, denen die Hilfe nicht zusteht, haben sie beantragt und damit für einen ­Kollaps im System gesorgt. Selbst wenn der ­Antrag bewilligt wird, dauert es bis zu drei ­Monate, ehe die erste Zahlung erfolgt. Ich hoffe, dass sich der Stau bis Mitte Oktober auflöst.

Hatten Sie sich einen anderen Effekt von der Einführung des IMV erhofft?

Nicht unbedingt, da wir mit der Renta Social Garantizada bereits eine regionale Sozialhilfe hatten. Der IMV ist auf nationaler Ebene angesiedelt und langsamer und problembehaftet. Dass die Spanier unabhängig von der Region gleich viel bekommen, erschwert uns das ­Leben, da die Hilfe bei uns nicht ausreicht und wir weitere Zuschüsse leisten müssen.