Die spanische Regierung prüft derzeit die Möglichkeit, im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus eine nächtliche Ausgangssperre für das gesamte Land zu verhängen. Um eine solche Maßnahme jedoch rechtlich durchsetzen zu können, wäre ein erneuter Alarmzustand Voraussetzung. Entsprechende Überlegungen der Zentralregierung bestätigte am Dienstag der spanische Gesundheitsminister Salvador Illa laut spanischen Medien. Vorbild sind andere europäische Länder, in denen ebenfalls nächtliche Ausgangssperren in Erwägung gezogen werden.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Efe gibt es derzeit in der balearischen Landesregierung keine Bestrebungen, eine nächtliche Ausgangssperre zu beantragen. Angesichts der bereits jetzt strengen Corona-Auflagen sei eine solche Maßnahme nicht notwendig.

In Paris und vielen weiteren Großstädten Frankreichs gilt bereits seit Samstag von 21 bis 6 Uhr ein solcher Lockdown. Rund 20 Millionen Einwohner, fast ein Drittel der Bevölkerung, sind davon betroffen. In anderen EU-Ländern - darunter auch in einigen deutschen Großstädten wie Berlin und Köln - gelten bereits Sperrstunden für Bars und Restaurants.

Die spanische Regierung prüft derzeit, ob sie die Rückdeckung der anderen Parteien hat, um einen erneuten Alarmzustand zu verhängen. Denn dieser sei unerlässlich, um eine so harte Maßnahme zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit der spanischen Bevölkerung zu ergreifen, machte Gesundheitsminister Illa während einer Pressekonferenz nach dem Treffen des Ministerrats am Dienstag (20.10.) deutlich.

Gleichzeitig wies Illa darauf hin, dass dies ohne die Unterstützung der oppositionellen Volkspartei (PP) nicht möglich sei. "Es ist wichtig zu wissen, ob die PP bereit wäre, den Alarmzustand zu unterstützen", so Illa. Der Minister betonte, dass noch nichts entscheiden sei. Vielmehr evaluiere und prüfe man noch die Möglichkeiten. Gespräche mit der PP soll es zu diesem Thema bisher noch nicht gegeben haben, hieß es.

Spaniens Regierung kann für ganz Spanien oder für einzelne Gebiete derzeit einen neuen Alarmzustand für maximal 15 Tage verhängen. Für eine Verlängerung wäre jedoch die Zustimmung des Kongresses erforderlich. Und dort ist die Minderheitsregierung auf die Stimmen der PP angewiesen. Der erste coronabedingte Alarmzustand im Frühjahr war unter anderem deshalb beendet worden, weil Sánchez keine weitere Unterstützung mehr aus der Opposition hatte. Unter anderem die PP hatte sich einer Verlängerung verweigert.

Gesundheitsminister Illa zeigte sich nach dem Treffen des Ministerrats besonders besorgt über die aktuelle Corona-Situation in Spanien: "Es kommen sehr harte Wochen." Deshalb bat er erneut um Unterstützung. "Wenn wir diesen Weg (die Ausgangssperre, Anmerk. d. Redaktion) gehen, müssen wir auf der Hut sein, und ich möchte wissen, wer bereit ist, mich zu unterstützen", so der Minister. Spanien liegt mit rund 974.450 registrierten Corona-Fällen derzeit mit Abstand an erster Stelle in Europa.

Mit den nächtlichen Ausgangssperren sollen vor allem private Partys und Treffs von Personen verhindert werden, die unter anderem für die Ausbreitung des Coronavirus in Spanien verantwortlich gemacht werden. So könnte die Polizei solche illegalen Zusammenkünfte einfacher kontrollieren. Unklar ist noch der zeitliche Umfang der Ausgangssperre. Madrid schwebt offenbar ein Zeitraum von 0 bis 6 Uhr vor, hieß es aus Regierungskreisen.

Geplant ist, kommende Woche im Gesundheitsrat über die Möglichkeiten von landesweiten oder lokalen Ausgangssperren weiter zu beraten.

In Madrid läuft am kommenden Samstag derweil die verhängte lokale Aussgangssperre, die wegen der rasant gestiegen Coronafälle vor rund zwei Wochen von der Zentralregierung für die Metropole und mehrere Gemeinden im Umkreis verhängt worden war, aus. Eine Verlängerung ist derzeit dort nicht geplant. /mw