Am frühen Donnerstagmorgen (29.10.) ist der neue Lockdown für Manacor, die zweitgrößte Stadt auf Mallorca, in Kraft getreten. Ab Mitternacht errichtete die spanische Nationalpolizei Sperren auf den Zufahrtsstraßen. Für zunächst zwei Wochen darf man den Ort nur mit ausreichender Begründung betreten oder verlassen. Dazu gehören der Weg zur Schule, zur Arbeit, zum Arzt oder für wichtige Behördengänge. Am Donnerstagmorgen stoppten die Polizisten die Autofahrer, um sie nach dem Grund für die Durchfahrt zu fragen. Dabei kam es zunächst zu keinen Zwischenfällen.

Um die Stimmung in Manacor einzufangen, fuhr die MZ wenige Stunden vor Beginn der Ausgangssperre in die Stadt und befragte die Bewohner nach ihren Erwartungen. Dabei ergab sich folgender Eindruck.

"Die sollen sich erstmal selber einsperren!"

Auf den ersten Blick geht im Zentrum von Manacor am Mittwochvormittag (28.10.) alles seinem gewohnten Gang. Kaum etwas deutet darauf hin, dass die zweitgrößte Stadt von Mallorca kurz vor dem Lockdown steht, weil die Corona-Fallzahlen sich in den vergangenen Tagen vervielfacht habenkurz vor dem Lockdown. Ab Mitternacht dürfen die Einwohner ohne triftigen Grund weder aus der Innenstadt heraus, noch dürfen Auswärtige hinein - und das für mindestens zwei Wochen. Doch wer den Gesprächen der Einheimischen lauscht, merkt schnell: Das bevorstehende "confinamiento" ist in aller Munde - und nicht alle sind damit einverstanden.

Hintergrund: Lockdown in Manacor - dieses Gebiet ist betroffen

Die MZ trifft an der zentral gelegenen Plaça Sa Bassa auf eine Gruppe älterern Herren. Die Rentner sitzen dicht gedrängt an zwei Außentischen der Kult-Bar "S'Agricola". "Uns wollen sie einsperren? Dann sollten sie sich erstmal selber einsperren", ereifert sich einer der Männer, als die MZ ihn nach seiner Meinung fragt und nimmt weder Maske noch ein Blatt vor den Mund. "Die Armengol zieht doch selbst bis in die Puppen durch die Bars", schimpft er und lässt auch Beleidigungen gegen die amtierende balearische Ministerpräsidentin nicht aus. Seinen Namen will er dann aber doch nicht nennen. "Wir werden uns auch weiterhin hier treffen, innerhalb der Stadt dürfen wir uns ja noch bewegen", fügt er hinzu. Angst vor Ansteckung scheinen die ob ihres Alters definitiv zur Risikogruppe gehörenden Senioren nicht zu haben. "Wir passen doch auf, da passiert schon nichts", sagt ein anderer Herr und rückt demonstrativ ein Stück von seinem Sitznachbarn weg.

"Die einzige Möglichkeit dem Virus Einhalt zu gebieten!"

An einem anderen Außentisch mehrere Meter weit entfernt zeichnet sich ein gänzlich anderes Bild. Auch bevor sich die Reporterin sich als solche zu erkennen gibt, sitzen die drei Gäste - zwei Frauen und ein Mann mittleren Alters - vorbildlich mit dem vorgegebenen Sicherheitsabstand voneinander beisammen. "Ich finde es genau richtig, den lokalen Lockdown durchzuziehen. Es ist doch die einzige Möglichkeit um dem Virus wirklich Einhalt zu gebieten", sagt eine der Frauen, die sich als Francisca vorstellt. Sie habe Verständnis dafür, dass beispielsweise Unternehmer der Abriegelung kritisch gegenüberstehen. "Aber die Gesundheit ist ja wohl wichtiger." Dass sie in den kommenden Tagen die Stadt nicht verlassen darf, störe sie wenig. "Wir haben doch hier alles, was wir brauchen. Da kann man sich doch drauf einrichten, und es ist ja nicht für ewig", so die Mallorquinerin.

Im Inneren der Bar steht Ana Maria Sureda hinter der Theke und bereitet eine Bestellung vor. Die hölzernen Tische in dem 1899 erbauten Gebäude darf sie ab Mittwoch keinen Gästen mehr anbieten. Eine Auflage des lokalen Lockdowns besagt, dass Bars und Restaurants in Manacor nur noch ihren Außenbereich geöffnet haben dürfen, und dort auch nur die Hälfte der normalerweise aufgestellten Tische anbieten dürfen. "An Tagen wie heute ist das ja kein Problem", sagt Sureda und deutet auf die sonnige Terrasse. "Aber wir haben Ende Oktober. Bei schlechtem Wetter können wir das Geschäft dann ganz vergessen", sagt sie.

Auch die Regelung, dass außer zum Arbeiten oder bei triftigen Gründen keine Auswärtigen mehr in die Stadt hineingelassen werden, bereitet ihr Sorgen. "Wir haben zwar nie viele Touristen gehabt, erst recht nicht um diese Jahreszeit. Aber Manacor ist die Hauptstadt des Inselnordostens. Aus dem umliegenden Gemeinden kommen viele Einheimische hierhin, um Einzukaufen, und dann bleiben sie gerne mal auf einen Kaffee bei uns hängen. Gerade montags, am Markttag. Das fällt nun weg. Zusätzlich zu den Zweithausbesitzern aus Deutschland, die uns ohnehin schon fehlen." Trotzdem will die Mallorquinerin den Lockdown nicht verteufeln. "Ich hoffe einfach, dass es etwas nützt. Jeder muss sich dafür in irgendeiner Weise aufopfern. Aber wenn wir wollen, dass diese Pandemie vorbei geht und endlich wieder Urlauber auf die Insel kommen können, dann geht es nun einmal nicht anders."

"Es ist hart aber wohl nötig!"

Ähnlich äußert sich auch David Serra, Geschäftsführer der gegenüberliegenden Bar "Mig i Mig". Hier arbeiten normalerweise 14 Angestellte, in den vergangenen Monaten waren es nur sieben. "Ab morgen werden wir nur noch zu zweit hier sein. Natürlich ist das hart. Aber wenn es hilft, um die Infizierungen einzudämmen, ist es wohl nötig." Zweifel daran, dass ein Lockdown wirklich den gewünschten Erfolg bringt, hegt er aber schon. "Es heißt doch immer, die meisten Ansteckungen kommen durch Jugendliche, die sich privat treffen oder Gruppenbesäufnisse veranstalten." Ob das durch eine Abriegelung der Stadt unterbunden werde, sei fraglich.

Eine Frau Anfang 30 läuft schwer bepackt mit Einkaufstüten an der "Mig i Mig"-Bar vorbei. Ja, bestätigt sie auf Nachfrage, sie horte Lebensmittel. "Ich will in den nächsten Tagen so wenig wie möglich vor die Tür. Manche mögen mich für verrückt halten, viele nehmen das Thema ja kaum ernst. Aber ich habe großen Respekt vor dem Virus und befürworte die aktuelle Politik." Einzig die Verwirrung darüber, welche Teile des Gemeindegebiets denn nun genau betroffen seien, kritisiert die Anwohnerin. "Ich wusste bis vorhin gar nicht, ob meine Wohnung nun von der Abriegelung betroffen ist oder nicht. Aber es scheint der Fall zu sein."

Verónica, 35, die mit einer Freundin Kaffee bei David Serras Kollegin bestellt, sieht die Situation gelassen. "Panik ist Quatsch, aber das gilt auch für solche, die Angst vor den angeblich so bösen Politikern schüren und überall eine Verschwörung sehen", findet sie. Sie habe gleich noch einen Arzttermin in Palma, den sie glücklicherweise spontan vorverlegen konnte. Ein Halloween-Event, das sie mit Freunden in Son Servera fürs Wochenende geplant hat, müsse leider ins Wasser fallen. "Aber was solls. Ab Morgen genießen wir einfach mal, dass wir unsere Stadt für uns haben."